Auf der Welle der digitalen Transformation setzen Unternehmen auch im Jahr 2022 weiter aggressiv auf den Einsatz von Technologien, um sich zu erneuern und Prozesse zu optimieren. Kein Wunder, dass die Budgets für neue und bestehende Technologien wachsen. Accenture zufolge machen die Ausgaben für digitale Technologien bis 2023 voraussichtlich 55 Prozent der gesamten IT-Ausgaben aus, ein Anstieg um etwa zehn Prozent gegenüber 2021.
Laut Ashley Skyrme, Senior Managing Director bei Accenture, werden sich die Ausgaben auf vier Schlüsselbereiche konzentrieren.
1. Um das Unternehmen "neu zu denken und zu innovieren". Es geht beispielsweise um die schnelle Erprobung von Prototypen neuer Anwendungsfälle, um ihren Nutzen nachzuweisen, wenn die Geschwindigkeit der Markteinführung entscheidend ist - also etwa bei KI, Blockchain und AR/VR.
2. Um das Wachstum des Unternehmens voranzutreiben. Im Fokus stehen die Skalierung und Differenzierung mit "bahnbrechenden Investitionen, die neue Fähigkeiten oder Umsatzströme fördern", zum Beispiel Plattformen für Daten und Analysen.
3. Um die Digitalisierung der Wertschöpfungskette umzusetzen. Hier zählen etwa wettbewerbsfähige Geschäftsfunktionen oder Prozessdigitalisierung in den Segmenten ERP/CRM, Qualitäts-Management und Supply-Chain-Planung.
4. Um das Business mit grundlegenden technischen Fertigkeiten am Laufen zu halten und Sicherheit sowie Compliance zu gewährleisten - also etwa in Rechenzentren und Netzwerken.
Doch wohin mit dem Budget? Wir beleuchten sieben heiße und vier kalte Investitionsbereiche der IT für CIOs und IT-Führungskräfte im Jahr 2022.
Heiß: Cloud-native Managed-Services
Laut Mark Shank, Principal bei KPMG, werden Investitionen getätigt, um Cloud-native Managed-Services zu nutzen. In den vergangenen Jahren hätten Unternehmen noch Sorge gehabt, sich mit ihren Cloud-Investitionen an einen Anbieter zu binden. "Jetzt gehen Organisationen, die bereits in die Cloud investiert haben, zunehmend zu Cloud-nativen Anwendungen über. Sie haben weniger Angst davor, sich an einen Anbieter zu binden, weil sie sich kurzfristig große Vorteile daraus versprechen", so Shank.
Der größte Vorteil? Die Möglichkeit, mehr Aufgaben zu erledigen, insbesondere in einem angespannten IT-Talentmarkt. Früher hätten Unternehmen vermutlich ihre eigenen Data Lakes betrieben, und als diese in die Cloud wechselten, waren sie immer noch für die Verwaltung der Datenbank-Container verantwortlich. Heute sieht das anders aus: "Unternehmen möchten nicht mehr für die gesamte Infrastruktur verantwortlich sein, daher nutzen sie einfach die vom Cloud-Anbieter bereitgestellten Datenservices", argumentiert der KPMG-Berater. Auf diese Weise, so Shank, können sich die internen Mitarbeiter für die Cloud-Infrastruktur-Verwaltung auf andere Bereiche konzentrieren.
KPMG-Principal Kevin Martelli stimmt dem zu. "Die Angst vor einem Vendor-Lock-in zählt nicht mehr so viel wie die neuen Dienste, mit denen Unternehmen den Stack nach oben hin anpassen können, um schneller und kosteneffizienter Produkte auf den Markt zu bringen."
Heiß: Einsatz von IoT-Sensoren und -Analysen
"Obwohl die Hype-Kurve auf und ab ging", gewinnen IoT-Sensoren Martelli zufolge immer mehr an Zugkraft, und es werden zunehmend Investitionen in ihr Management und ihre Kontrolle getätigt. Unternehmen würden viele neue Sensoren im Feld einsetzen, um etwa Energieübertragungen zu überwachen, oder private 5G-Netzwerke verlegen, um die Kommunikation zu erleichtern und in der Warenlogistik die Effizienz zu optimieren. "Wir haben unsere IoT-Practice nun schon seit einigen Jahren am Markt, und wir erhalten mehr Anfragen, als wir bedienen können", sagt Martelli.
Kalt: Legacy Data Warehouses, Data Lakes, Appliances und Private Cloud
Unternehmen sehen große Kostenblöcke bei älteren Datenbanken und Datenstrukturen, die vor Ort für Analytics-Ergebnisse eingesetzt werden. Inzwischen nutzen sie die Vorteile der neueren Technologien auf dem Markt, berichtet Shank aus der Praxis. Dies werde dazu führen, dass Legacy-Warehouses, Data Lakes und Appliances nicht mehr so umfangreich finanziert werden. Man könnte zudem den Eindruck gewinnen, dass die Finanzierung von Private Clouds ins Stocken gerät, fügt er hinzu: "Die Geschwindigkeit nimmt ab. Mit Blick auf die gesamte Wirtschaft handelt es sich um ein Szenario, in dem es früher eine hohe Wachstumsrate gab, die nun stark zurückgeht." Laut KPMG-Berater Martelli werden Data-Warehousing-Plattformen on-premises "verblassen, weil die Funktionalität in der Cloud angeboten wird" und die Anbieter ihre Vision nicht dahingehend erweitert hätten, sie als Service zu konsumieren.
Kalt: Rechenzentren im eigenen Haus
Martelli zufolge werden die Ausgaben für interne Rechenzentren gleich bleiben oder leicht sinken. "Unternehmen suchen nach Möglichkeiten, Cloud Computing zu nutzen", da die Verwaltung eigener Rechenzentren und der Aufbau eigener Racks und Stacks sowie das Management enorme Kosten verursache.
Heiß: Plattformen zur Mitarbeiterbindung
2022 wird ein Jahr der Neuplanung und Konsolidierung sein, um sich auf weiteres Wachstum vorzubereiten, sagt Steven May, Chief Technology Officer und Interim-CIO des Gesundheitsdienstleisters ChenMed. Das Unternehmen befindet sich in einer "Hyperwachstumsphase" und hat überprüft, ob es über die richtigen Plattformen, Technologien und Prozesse verfügt, um dieses aggressive Wachstum zu stemmen, erklärt May. Das bedeutet, dass man sich genau ansehen müsse, ob die bestehenden Systeme skalierbar sind und das Wachstum bewältigen können.
Vergangenen Sommer hat das Unternehmen die Mitarbeiter auf 3/2 Tagesbasis zurückgeholt und technische Investitionen getätigt, um in einem Hybridmodell zu arbeiten. Dazu gehört auch, sich auf Technologien zur Mitarbeiterbindung zu konzentrieren, um eine bessere Mitarbeiter-Experience zu schaffen. "Wir haben noch keine Lieferanten ausgewählt, aber insgesamt ist das ein Thema für 2022: Wie können wir in dieser neuen Welt all diese großartigen Tools einsetzen und sie so integrieren, dass die Mitarbeiter-Experience im neuen Betriebsmodell verbessert wird", so May. "Da werden wir eine große Investition tätigen."
Soziale Interaktion ist das Thema
Dabei blickt ChenMed über die einfachen Tools für Collaboration hinaus, die es bereits nutzt. "Es gibt viele andere Werkzeuge, die nicht nur Video- und Audiokonferenzen und gemeinsame Whiteboards ermöglichen, sondern auch unterhaltsamere und ansprechendere Arbeitsbereiche schaffen", sagt er. Dabei verweist May exemplarisch auf ein Tool namens "Sococo", mit dem Benutzer ein digitales Abbild eines Büroraums erstellen können. Ein weiteres Tool, das ChenMed unter die Lupe genommen hat, heißt "Nooks". "Mit diesen Programmen kann man innovativere Wege beschreiten, um die Perspektive der sozialen Interaktion voranzutreiben", sagt er.
May zufolge wird ChenMed in die Zusammenarbeit der Mitarbeiter auf einer höheren Ebene investieren, um mit der Entwicklung einer "ganzen Metaverse-Welt" zu experimentieren. Der Gesundheitsdienstleister befindet sich noch in der Budgetierungsphase und muss herausfinden, wie hoch sein Wachstumsziel ist - laut May wird sich dies jedoch im IT-Budget widerspiegeln. "Wenn wir im kommenden Jahr ein Wachstum von 50 Prozent anstreben, wird unser Standard-IT-Betriebsbudget in ähnlicher Weise steigen."
Heiß: Data und Analytics
Arcutis Biotherapeutics, ein biopharmazeutisches Unternehmen, das sich auf die Entwicklung von Innovationen in der Immun-Dermatologie konzentriert, investiert erheblich in seine Daten- und Analyse-Infrastruktur, berichtet Raj Madan, Chief Digital and Technology Officer. "Dazu gehört grundlegendes Data Analytics, um sicherzustellen, dass wir unsere kommerziellen Abläufe überwachen und optimieren können. Zudem geht es darum, die Erkenntnisse unserer Medical-Affairs-Teams bei der Interaktion mit Dermatologen aktiv zu verfolgen und umzusetzen", so Madan. Darüber hinaus seien weitere strategische Initiativen zur Segmentierung von Patienten und Gesundheitsdienstleistern sowie zur gezielten Ansprache geplant. So will Arcutis sicherstellen, dass die Reichweite und das Engagement maximiert werden. "Dies umfasst auch steigende Investitionen in Marketing- und Werbetechnologie", fügt Madan hinzu.
Um die Agilität zu verbessern, hatte Arcutis vor kurzem in eine Reihe von KI-Tools zu Versuchszwecken investiert, um herauszufinden, ob sie bei der Suche nach validierten oder neuartigen Zielmolekülen helfen würden. Die Ergebnisse seien jedoch enttäuschend gewesen. "Die Erkenntnisse, die wir mit den Tools gewonnen haben, wussten wir bereits durch unsere medizinischen Teams. Daher haben wir beschlossen, unsere Experimente in diesem Bereich nicht weiterzuführen", berichtet Madan. "Dies ist zumindest ein gutes Beispiel für 'schnelles Scheitern' - wir ziehen die Lehren daraus und machen weiter."
Die IT-Abteilung beantragte eine 20-prozentige Erhöhung der Ausgaben. "Diese wurde mit der Maßgabe angenommen, dass wir unsere Arbeit in kleinere Sprints aufteilen", berichtet Madan. Die IT-Abteilung könnte sogar noch mehr zusätzliche Mittel erhalten, wenn jeder Sprint einen Mehrwert für Patienten, Gesundheitsdienstleister und Mitarbeiter von Arcutis bringt. "In dem Maße, in dem wir mehr Wert für unsere Investitionen liefern und nachweisen können, werden wir weiter in Daten, Analysen und digitale Lösungen investieren können."
Heiß: Machine Learning & Data Science
Machine Learning und Data Science werden auch in Zukunft ein wichtiger Investitionsschwerpunkt für Acuity Knowledge Partners sein, das Research, Analysen und Business Intelligence für den Finanzdienstleistungssektor anbietet. "Wir haben eine Reihe von maschinellen Lernmodellen in Produktion und eine lange Liste an neuen Möglichkeiten, die es zu erkunden gilt", sagt David Fellows, Chief Digital Officer von Acuity. "Um sicherzustellen, dass unsere Infrastruktur nicht zum Engpass wird, wenn wir unsere Modelle in Produktion bringen, erwarte ich, dass wir in diesem Jahr einen deutlichen Schwerpunkt auf den Betrieb von maschinellem Lernen legen, der heute allgemein als MLOps bekannt ist."
Acuity hat eine lange Geschäftsbeziehung zu AWS, und die Verantwortlichen des Unternehmens arbeiten mit dem Cloud-Anbieter zusammen, um dessen SageMaker-Plattform für maschinelles Lernen zum Aufbau von ML-Pipelines zu nutzen, berichtet Fellows. Ziel sei es, dass Acuity neue KI-Modelle beliebig oft in die Produktion überführen kann, so wie es das Unternehmen mit seinen SaaS-basierten Anwendungen und digitalen Services macht.
Heiß: Customer Experience
Im Jahr 2022 wird sich der Druckerhersteller Epson auf mehrere IT-Initiativen konzentrieren, wobei der Schwerpunkt darauf liegt, seine Marke zu einem Synonym für "einfache Geschäftsabwicklung" für Partner zu machen und ein "erstklassiges Kundenerlebnis" zu bieten, sagt Michael Wang, CIO bei Epson America. Um dies zu erreichen, prüft die IT-Abteilung, wie sie ihre Kunden- und Partnerdaten in geschäftliche Erkenntnisse umwandeln kann, um Anforderungen und Bedürfnisse besser vorherzusehen. "Ob es darum geht, ein Warnsystem für Endbenutzer zu schaffen, welches sie über ablaufende Garantien informiert und ihnen gegebenenfalls Verlängerungen anbietet, oder proaktive B2B-Services für Geräte zu liefern, auf die sich die Kunden für ihre Geschäfte verlassen - dieser nahtlose Ansatz zur Schaffung von geschäftlichem Mehrwert hat für die IT-Priorität", so Wang.
Bei Unternehmenskunden wird die IT-Abteilung Daten nutzen, um potenziellen Produktproblemen vorzubeugen und so Ausfallzeiten und letztlich Umsatzeinbußen zu vermeiden. "Wir konzentrieren uns auch darauf, ein hervorragendes interaktives Online-Erlebnis zu bieten, und investieren stark in die nahtlose Interaktion mit unseren Kunden- und Partnerportalen", berichtet Wang. "Die Kunden wollen mit uns zu ihren eigenen Bedingungen in Kontakt treten, und die IT-Abteilung hat Ressourcen dafür aufgewendet, diese Erfahrung bestmöglich zu unterstützen." Dazu gehört auch die Umgestaltung der Online-Interaktion mit Epson, indem sichergestellt wird, dass die Kunden nur eine einzige ID für das Management aller Interaktionen benötigen. Wang zufolge haben sich die Investitionen in die digitale Transformation im Vergleich zum Jahr 2021 um über 50 Prozent erhöht.
Kalt: On-prem Workloads & Hardware
Die Cloud-Strategie von Acuity sei bereits sehr ausgereift, sagt Fellows, aber die Pandemie habe deutlich gemacht, dass das Unternehmen die Migration der verbleibenden lokalen Workloads beschleunigen müsse. "On-premises-Arbeitslasten sind zu einem unverhältnismäßigen Zeitfresser geworden, und auch deshalb werden wir nicht mehr in eine Vor-Ort-Applikations- und Serverinfrastruktur investieren."
Als Nebeneffekt daraus bewertet Acuity seine Hardwarestrategie und die damit verbundenen Ausgaben neu, so Fellows. "Ich würde zwar noch nicht so weit gehen zu sagen, dass wir heute planen, alles auf kostengünstige Hardware oder ein Bring-Your-Own-Hardware-Modell umzustellen, aber wir hoffen, dass wir uns mit unserer DaaS-Strategie (Desktop as a Service) von dem traditionellen Hardware-Compute-Modell für Endanwender lösen können und eine Verlagerung des Kapitals ermöglichen", sagt er.
Heiß: IT Security
"IT Security ist schon seit einigen Jahren ein Trendthema", und 2022 werden diese Investitionen auf die nächste Stufe gehoben, prognostiziert Jason Johnson, CIO bei Sweetwater, einem Einzelhändler für Musiktechnologie und Musikinstrumente. Dazu gehören auch mehr Mittel für das Risikomanagement von Lieferanten, da Angriffe auf die Lieferkette zuletzt "wieder einmal gezeigt haben, dass grenzenlose Netzwerke und die Arbeit von zu Hause aus nicht mehr wegzudenken sind", so Johnson. Die Nutzung der Public Cloud, die das Unternehmen ebenfalls als langfristige Strategie festgelegt hat, werde zunehmen, um die Fähigkeit zur Bereitstellung solider Sicherheit und grenzenloser Netzwerke zu beschleunigen. Acuity-Manager Fellows ergänzt, dass seine Organisation zudem plane, 2022 in grundlegende IT- und Cyber-Security-Initiativen zu investieren.
Kalt: Softwareentwicklung durch Dritte
Sweetwater geht davon aus, dass die ausgelagerte Entwicklung gegenüber dem Insourcing in den Hintergrund treten wird, "weil sich agile Softwareentwicklung im Unternehmen durchsetzt", so Johnson. Daher "fühlt sich jede Auftragsvergabe für Softwareentwicklung weiterhin langsam an, wenn es darum geht, differenzierte Kundenerlebnisse zu schaffen". Laut Johnson werden die IT-Ausgaben für Investitionen um etwa 25 Prozent und für Personal um etwa 50 Prozent steigen. "Ich glaube, dass die meisten Unternehmen derzeit stark in ihre IT investieren, um in ihrem Markt führend bei Produkten und Dienstleistungen zu sein. Machen sie es jetzt nicht, müssen sie es später tun - jedes Unternehmen ist heute ein Softwareunternehmen."