Digitalisierung mag als Aufgabe des gesamten Unternehmens gelten oder als Job des Vorstands - faktisch suchen immer mehr Firmen einen Manager, der dezidiert die Verantwortung dafür übernimmt. Nicht immer heißt dieser dann Chief Digital Officer (CDO). Der Einfachheit halber fassen die Analysten von Strategy& alle Digitalisierungs-Verantwortlichen aber unter diesem Kürzel zusammen. Sie haben sich die Ausgestaltung der CDO-Funktion angesehen und dokumentieren die Ergebnisse in dem Papier "The right CDO for your company's future: The five archetypes of a chief digital officer".
Progressiver Denker und kreativer Disruptor
Anfang 2015 hatte weltweit nicht einmal jedes zehnte Unternehmen einen CDO benannt. Doch dieser Anteil wächst, beobachtet Strategy&. Die Konsumgüterindustrie hat dabei die Nase vorn, Firmen im B2B-Umfeld halten sich zurück. Von den bisherigen CDOs sitzen mehr als 40 Prozent im Vorstand. Von einer ausgereiften Rolle kann laut Strategy& noch keine Rede sein. Die fünf Archetypen aus dem Studientitel stellen sich dar wie folgt:
Der progressive Denker: Traditionelle Industrie-Unternehmen etwa aus Chemie und Mineralöl sollten auf Rat von Strategy& einen progressiven Denker als CDO etablieren. Das setzt voraus, dass sie ihre Ressourcen und Fähigkeiten bereits sehr genau analysiert haben, ebenso braucht die Führungsriege eine gewisse Kenntnis von der Marktentwicklung. Aufgabe des progressiven Denkers ist es, in enger Zusammenarbeit mit dem CEO Strategien für digitale Geschäftsmodelle und die Organisation interner Betriebsabläufe zu erarbeiten. Er weiß um Innovationen innerhalb der Branche und erkennt, wo sein eigenes Unternehmen Chancen hat.
Das Bild eines Denkers darf hier nicht täuschen. Strategy& erwartet von diesem Typus, dass er die gesamte Belegschaft von seinen Ideen überzeugen und im Idealfall Mitarbeiter zu eigenen Ideen anregen kann. Kommunikative Fähigkeiten gehören also auch zu seinem Profil.
Der kreative Disruptor: Aufgabe des kreativen Disruptors ist nicht so sehr das Ausarbeiten von Strategien. Er verkörpert eine "Hands-on"-Mentalität, mit der er kurzfristig Veränderungen gestalten oder schnell auf Veränderungen reagieren kann. Er arbeitet typischerweise für ein Unternehmen aus der Konsumgüterbranche, das Markt- und Kundenverhalten nicht genau vorhersehen kann. Dafür sieht er sich viel in anderen Branchen um und stellt mögliche Bezüge zur eigenen Branche und dem eigenen Unternehmen her.
Ersatz für den Chief Marketing Officer (CMO)
Der Anwalt des Kunden: In dieser Rolle kann ein Digitalisierungs-Chef den CMO (Chief Marketing Officer) ersetzen. Er wirkt meist in Unternehmen aus Transport, Reise- oder Finanzbranche. Er arbeitet daran, alle Vorgänge aus Sicht des Kunden so einfach und bequem wie möglich zu gestalten. Das beinhaltet nicht nur Kauf- und Buchungsvorgänge an sich, sondern die gesamte Customer Journey sowie After-Sales-Prozesse.
Der innovative Technologe: Er kann auch den Titel eines Chief Technology Officer (CTO) tragen. Es geht ihm aber nicht um Begeisterung für die Technology an sich, sondern immer um den konkreten Business-Nutzen für sein Unternehmen. In Deutschland prägen Stichworte wie Automatisierung und Industrie 4.0 seine Haltung, meist arbeitet er für die Fertigungsindustrie. Der innovative Technologe zielt weniger auf das Finden oder Erfinden disruptiver Innovationen ab, er sieht sich nicht unbedingt in anderen Branchen um. Ihm geht es um das intelligente Nutzen etwa von Sensoren und Analytics innerhalb seines Unternehmens und seiner Branche.
Der Generalist: Dem Generalisten traut Strategy& die stärkste visionäre Kraft zu. Er betrachtet die digitale Transformation seines Unternehmens aus der Vogelperspektive und kümmert sich sowohl um Fragen der Strategie und neuer Geschäftsmodelle, als auch um Konkretes wie digitales Marketing oder die Arbeitsabläufe der Mitarbeiter. Er braucht ein gutes Verständnis für Change Management und den starken Rückhalt durch den CEO. Unternehmen, die in puncto Digitalisierung noch am Anfang stehen, brauchen einen solchen Generalisten.
Strategy& geht davon aus, dass der Bedarf an CDOs das Angebot schon jetzt übersteigt. Unternehmen, die einen Digitalisierungs-Verantwortlichen suchen, müssen sich daher als attraktiver Arbeitgeber präsentieren. Mit hohem Gehalt alleine lassen sich potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten kaum überzeugen, beobachtet Strategy&. CDOs haben Spaß daran, Unternehmen zu verändern. Dafür brauchen sie Freiheit und die Rückendeckung der Firmenspitze.
Bevor ein Unternehmen eine solche Stelle ausschreiben kann, muss es für sich klären, wie weit es auf dem Weg in die Digitalisierung bereits gekommen ist. Erst dann kann ein Profil des gewünschten CDO entwickelt werden.