Aufstehen, Anziehen, Laptop an: Der Weg ins Home Office ist kurz. Immer mehr Arbeitnehmer machen zumindest tageweise ihre Wohnung zum Büro. Mails, Telefonkonferenzen, ja ganze digitale Team- und Softwareprojekte lassen sich ungestört zu Hause erledigen, wenn die Bandbreite stimmt.
Drei Viertel derer, die zu Hause arbeiten, meinen, dass sie dort konzentrierter arbeiten, zwei Drittel schaffen am Wohnzimmertisch mehr Arbeit als im Betrieb, wie eine AOK-Umfrage ergab. Doch die Krankenkasse warnt: Das flexible Arbeiten kann psychische Belastungen verstärken, Erschöpfung, Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen.
Reizbarer als die Kollegen
"Dienstliche Probleme werden gedanklich weiterbearbeitet, wenn man zu Hause ist, weil dort die Arbeit jederzeit wiederaufgenommen werden könnte", erklärt Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. Wer zu Hause immer wieder den Rechner hochfährt oder zum Handy mit den Dienstmails greift, ist demnach meist nervöser und reizbarer als die Kollegen, die ihre Arbeit im Büro zurücklassen.
Etwa 40 Prozent der Unternehmen ermöglichen es ihren Beschäftigten, von zu Hause zu arbeiten, wie auch andere Studien ergaben. Laut Statistischem Bundesamt arbeitete 2017 etwa jeder neunte Beschäftigte gewöhnlich oder gelegentlich zu Hause. In anderen EU-Staaten wie den Niederlanden und Schweden ist es schon mehr als jeder Dritte. In Deutschland bröckelt die Präsenzkultur nur langsam.
Home Office eine Oase der Ruhe
Vor allem Besserverdienende und Arbeitnehmer mit Kindern machen Home Office, hohe Quoten gibt es in Informations- und Kommunikationsberufen sowie bei wissenschaftlichen und technischen Dienstleistern, wie aus Antworten der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht. Wer zu Hause arbeitet, macht demnach mehr Überstunden als andere Beschäftigte. Linke und Grüne fordern daher klare Regeln für die Heimarbeiter, damit für sie kein zusätzlicher Stress entsteht.
Wer im Home Office arbeite, sei in der Regel zufriedener als andere Arbeitskräfte, fand das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung heraus. Denn Büros sind häufig keine Oase der Ruhe. Immer mehr Arbeitgeber pferchen ihre Beschäftigten in Großraumbüros zusammen. Allein im Dienstleistungssektor fühlt sich jeder Zweite sehr häufig oder oft gestört, unter anderem durch Telefonate oder Kollegen, fand die Gewerkschaft Verdi heraus.
Home Office gilt als familienfreundlich
Home Office zählt neben Teilzeit und Sabbatical-Auszeiten zu den Angeboten, mit denen sich Arbeitgeber als familienfreundlich profilieren. Vorteile hat, wer morgens noch sein Kind zur Kita bringen kann, statt schon auf dem Weg zur Arbeit im Stau zu stehen - und der dann doch pünktlich am Rechner sitzt, zu Hause.
Beschäftigte und Manager halten ihre Firmen heute für familienfreundlicher als noch vor drei Jahren, wie eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft für das Bundesfamilienministerium ergab, die am Dienstag veröffentlicht wurde. Aber noch immer sieht jeweils mehr als die Hälfte der Befragten keine ausgeprägte familienfreundliche Unternehmenskultur.
Home Office kann aber auch Überhand nehmen. Der AOK-Umfrage zufolge empfindet knapp jeder Fünfte das Arbeiten von zu Hause als Belastung, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschwere. Drei Viertel fühlten sich im vergangenen Jahr erschöpft. Den Grund dürfte dieses Ergebnis offenlegen: Laut der Umfrage macht jeder Dritte sein Home Office häufig auch abends und am Wochenende auf.
Grenzen zwischen Job und Privatleben verschwimmen
"Der Nachteil ist, dass die Grenzen zwischen Job und Privatleben verschwimmen", sagte AOK-Wissenschaftler Schröder. "Der private Rückzugsraum und die Zeit für Erholung schrumpft." Wer im Home Office arbeite, habe häufiger Schwierigkeiten, abends und im Urlaub abzuschalten als die, die ausschließlich im Betrieb tätig sind.
Das kann aber auch mit den Tätigkeiten an sich zusammenhängen. Im Home Office wird meist Büroarbeit erledigt. Reinigungskräfte und Maurer können ihre Arbeit nicht mit nach Hause nehmen. (dpa/rs/sa)