Ein IT-Berater hat neun Monate nach dem Start beim neuen Arbeitgeber entdeckt, dass sein Gehalt 30 Prozent niedriger ist als das der Kollegen. Soll er schon nachverhandeln?
Ein IT-Berater hat nach sechs Jahren den Arbeitgeber gewechselt und hat sich bei seiner Gehaltsforderung am gültigen Tarifvertrag der Branche orientiert. Mittlerweile musste er feststellen, dass das Gehaltniveau in der Firma rund 15 bis 30 Prozent höher liegt und fühlt sich seitdem etwas verärgert: "Am meisten ärgere ich mich natürlich über mich selber, die Lage falsch eingeschätzt zu haben und zu wenig gefordert zu haben. " Nun will er im Online-Karriereratgeber wissen, ob er neun Monate nach dem Einstieg schon eine Erhöhung fordern kann.
"Eigentlich wollte ich nach einem Jahr das Gespräch suchen. Nun werden wir jedoch organisatorisch umstrukturiert und ich bekomme in Kürze einen neuen Vorgesetzten. Aus meiner Sicht ist der Zeitpunkt für Gehaltsgespräch sehr schlecht. Mein alter Chef wird bald nichts mehr mit mir zu tun haben. Der neue Chef wird wieder erst Leistung sehen wollen, bevor er bereit ist, über eine Gehaltserhöhung zu sprechen." Bei einer Gehaltsverhandlung sieht er folgende Fragen auf sich zukommen:
Sie sind ja erst sehr kurz im Unternehmen und wir möchten erst sehen, ob sie neben kurzfristig guter auch kontinuierliche Leistung erbringen können. Dann werden wir auch über das Thema Gehalt sprechen.
Eine Erhöhung schon im ersten Jahr ist bei uns nicht vorgesehen.
Sie leisten sehr gute Arbeit, weshalb wir sie ja auch eingestellt haben. Und wir zahlen für ihre Leistung ja auch sehr gut, wie damals verhandelt.
Durch die Umstrukturierung können wir derzeit leider das Thema nicht angehen. Das müssen Sie mit ihrem neuen Vorgesetzten besprechen.
Bei Chefwechsel: Zwischenzeugnis ausstellen lassen
Karrierecoach Birgit Zimmer-Wagner von Bewerber Consult antwortet: "Ich verstehe Ihr Dilemma, kann Sie aber beruhigen. Sie befinden sich in "guter Gesellschaft", gerade Personen, die sich auf ihre Leistung konzentrieren und mit sich selbst sehr kritisch sind ("habe ich einen Fehler gemacht?"), vergessen manchmal ihre eigenen Ziele.
Sie haben die wichtigsten Fragen, die bei einer Gehaltsverhandlung eine Rolle spielen, schon selbst genannt. Mir fällt auf: Sie sehen diese Situation fast ausschließlich als Ihr Problem, das ist auch nicht von der Hand zu weisen. Nur könnte man auch argumentieren, dass Ihr Arbeitgeber an dieser Situation, neun Monate beschäftigt und dann schon eine Umstrukturierung, nicht ganz unschuldig ist. Wusste der Arbeitgeber nicht schon vor Ihrer Einstellung, dass es Veränderungen geben wird?
Alternativen zur Gehaltserhöhung
Alternativen zur Gehaltserhöhung Sicher, über Gehaltserhöhungen freut sich jeder. Aber nicht immer ist eine Gehaltserhöhung sinnvoll:
Kalte Progression Etwa, wenn die kalte Progression zuschlägt und der Arbeitnehmer wegen der erhöhten Abgabenlast nichts mehr vom Zuschlag hat. Doch es gibt jede Menge Möglichkeiten, dem Mitarbeiter Gutes zu tun.
Einmal volltanken Lange waren Tankgutscheine in Mode - doch die Handhabung erwies sich als zu kompliziert. Das hat auch der Gesetzgeber erkannt. Inzwischen darf der Arbeitgeber seinem Angestellten Sachzuwendungen in Höhe von 50 Euro zukommen lassen - jeden Monat.
Bloß nicht auszahlen! Auszahlen darf das Unternehmen die 50 Euro nicht - sonst wären Steuern fällig.
Selbst kochen statt Essen gehen Besonders praktisch: Essenschecks können auch im Supermarkt eingelöst werden.
Dienstwagen Nach wie vor heißgeliebt: der Dienstwagen. Doch nicht jeder Mitarbeiter ist schon auf einer Gehaltsstufe, die einen Dienstwagen erlaubt - und nicht jeder will einen. Zudem müssen Unternehmen oft mit ihren Mitarbeitern komplizierte Verträge schließen. Wie wäre es stattdessen ...
Dienstrad ... mit einem Dienstrad? Gerade in großen Städten ist das Rad eine umweltfreundliche und schnelle Möglichkeit, zur Arbeit und zurück zu kommen. Vorteil: Die Nutzung des Dienstrads ist privat uneingeschränkt möglich, ohne dass komplizierte Verträge geschlossen werden müssen.
Kleine Geschenke Ein Unternehmen kann über "anlassbezogene Zuwendungen" dem Mitarbeiter etwas schenken.
Leasingverträge für Smartphones Wenn der Arbeitgeber keine Diensthandys zur Verfügung stellt, gibt es zudem die Möglichkeit, dass der Mitarbeiter über das Unternehmen ein Smartphone least. Das gilt natürlich für allerlei Elektrogeräte, etwa ...
Tablets ... iPads und andere Tablet-Computer. Für Wartung und Reparatur ist aber der Mitarbeiter selbst zuständig - und schenken darf die Firma dem Angestellten nach Ablauf des Leasingsvertrags das Gerät auch nicht.
Die Rechnung, bitte! Alternativ kann der Arbeitgeber sich auch an der Telefonrechnung des Mitarbeiters beteiligen.
Prepaid-Kreditkarten Einfach mit 50 Euro jeden Monat aufladen - und der Mitarbeiter kann sie ausgeben, wofür er möchte.
Karte für den ÖPNV Vorsicht: Zahlt der Arbeitgeber einen Zuschuss zur Monatskarte für den ÖPNV, kann er seinem Mitarbeiter die 50 Euro nicht mehr auf die Prepaid-Kreditkarte laden. Doch auch da gibt es Alternativen.
Geburtstags- oder Jubiläumsgeschenke Drei Mal im Jahr kann das Unternehmen so im Wert von 60 Euro ein Geschenk machen.
Fast wie Bargeld Rabatte auf die eigenen Produkte für Mitarbeiter sind bis zu 1.080 Euro im Jahr steuerfrei.
Kantinenessen Gern genommen sind auch Zuschüsse zum Essen. Dabei gibt es viele Möglichkeiten.
Schlauer als vorher Ein Arbeitnehmer kann auch in Weiterbildungen für seine Mitarbeiter investieren und für sie keine Steuern oder Abgaben zahlen, solange klar ist, dass die Weiterbildung direkt für den Job anwendbar ist.
Leere Kita Ein Unternehmen kann außerdem anbieten, dem Mitarbeiter einen Zuschuss zu den Betreuungskosten für die Kinder zu leisten. Er ist ebenfalls steuer- und sozialabgabenfrei und kann das Budget einer Familie entlasten.
Gesundheit! Auch für die Gesundheit des Mitarbeiters kann ein Unternehmen für 600 Euro im Jahr Ausgaben tätigen.
Und was ist im Alter? Alle On-top-Leistungen werden nicht in die Rentenkasse eingezahlt. Experten gehen nicht davon aus, dass der Rentenanspruch dadurch stark beeinflusst wird. Aber eine Rechnung aufstellen, schadet auf keinen Fall.
Ich sehe einen direkten Anknüpfungspunkt bei einem Gespräch mit Ihrem früheren Vorgesetzten: Sie brauchen ein Zwischenzeugnis, damit die ersten neun Monate dokumentiert sind und nicht später mal unter den Tisch fallen. Ein Zeugnis wegen Vorgesetztenwechsel ist üblich, aber eine Holschuld des Arbeitnehmers. Sie müssen sich also selbst darum kümmern. Viele Bewerber gehen direkt an die Personalabteilung, diese geht dann an den Fachvorgesetzten. Besser ist es, wenn Sie mit Ihrem Vorgesetzten eines entwerfen, und die Personalabteilung dies nur noch "ausfertigt".
Versuchen Sie, Ihre Fragen mit ihm zu besprechen, möglicherweise kann er eine Gehaltserhöhung auch nach neun Monaten realisieren. Auch die Frage, ob es eine Möglichkeit gibt, Ihnen größere Projekte an zu vertrauen und damit eine Gehaltssteigerung zu argumentieren, könnten Sie mit ihm besprechen. Die größere Verantwortung wird Ihnen nur gegeben, wenn Ihr Vorgesetzter dies positiv beurteilt.
Variables Gehalt als Alternative?
Sie könnten auch anregen, statt Fixgehalt auf die Variante Fixgehalt plus Bonus (Leistungsmotivation) umzusteigen. Selbst wenn Boni nicht üblich sind: In jedem Unternehmen gewisse ungeschriebene Gesetze, aber auch immer Ausnahmen. Sie brauchen gute Argumente, aber die haben Sie ja schon selbst geliefert, ob man sich darauf einlässt, zeigen die Verhandlungen. Bonusvereinbarungen liegen in der Regel bei zehn bis 15 Prozent des Grundgehaltes.
Reizthema Gehaltsverhandlung Vielen Bewerbern und Angestellten graut es vor der Verhandlung ums Gehalt. Vier Personalexperten geben Empfehlungen für eine erfolgreiche Argumentation bei der Gehaltsverhandlung.
Jörg Bolender, Director Recruiting bei Atos Deutschland ... ... hat zum Thema Gehaltsverhandlung die folgenden Tipps:
Der Auftritt Bolender rät zu einem selbstbewussten, aber nicht überheblichen Auftreten.
Vorzüge präsentieren "Zeigen Sie Ihre Vorzüge (fachliches Know-how, besondere Leistungen, etc.) auf und signalisieren Sie Bereitschaft, auch künftig außerordentliches Engagement zu zeigen und Sonderthemen zu übernehmen und sich im Unternehmen weiterentwickeln zu wollen", empfiehlt Bolender.
Dienstwagen geschickt ansprechen Bolenders Tipp, um Themen wie Boni und Dienstwagen anzusprechen: In das Thema elegant mit der Frage nach den Sozialleistungen, die das Unternehmen bietet, einsteigen.
Nicole Mamier, Personalleiterin bei Realtech ... ... gibt folgende Tipps für die Gehaltsverhandlung:
Die richtigen Argumente Im laufenden Angestelltenverhältnis sollte man in der Gehaltsverhandlung seine persönlichen Leistungen und Potenziale aufzeigen. Keine gute Idee ist es, mit einem Angebot der Konkurrenz zu versuchen, das Einkommen hochzutreiben, rät Mamier.
Gehaltswunsch benennen Wenn im Gespräch nach dem Wunschgehalt gefragt wird, sollte man nicht drum herum reden, sondern offen und selbstbewusst den Gehaltswunsch benennen, so Mamier.
Spanne angeben Mamier empfiehlt, auf die Frage nach dem Wunschverdienst eine Gehaltsspanne anzugeben. In unteren Einkommensklassen sind Spannen von 5000 bis 10.000 Euro angemessen, in höheren Einkommensklassen können das auch mal bis zu 20.000 Euro sein.
Dieter Schoon, Head of Global Human Resources bei der itelligence AG ... ... hat für die Gehaltsverhandlung die folgenden Tipps:
Wunschverdienst richtig benennen Im ersten Schritt reicht ein ungefähres Jahresgehalt. Bei der Itelligence AG wird zum Beispiel erst im zweiten Schritt über den konkreten Leistungsumfang gesprochen.
Gute Vorbereitung Wichtig sei eine gute Vorbereitung. Um den heißen Brei zu reden oder gar nicht zu antworten, wirke erst mal unvorbereitet. Falls man aber doch eine Spanne angeben möchte, sollte sich diese nicht mehr als 2000 Euro im Jahresgehalt unterscheiden (etwa zwischen 50.000 und 52.000 Euro), rät Schoon.
Nicht mit Kollegengehalt argumentieren Wovon Schoon abrät: Argumentationen wie, der Kollege x verdient jetzt doch auch mehr oder privat fallen so viele Kosten an, sind bei einer Gehaltsverhandlung zum Scheitern verurteilt.
Bärbel Schäfer, Vice President HR bei der Software AG ... ... gibt die folgenden Tipps für die Gehaltsverhandlung:
Initiative ergreifen Schäfers persönlicher Tipp für eine Gehaltserhöhung: Eine direkte Ansprache des Vorgesetzten mit Schilderung der Erfolge und Performance in der letzten Periode.
Gehalt vorschlagen Schäfer findet einen direkten Gehaltsvorschlag in diesem Gespräch sinnvoll. Durchaus mit Spielraum, falls der Vorgesetzte verhandeln will.
Wann man Benefits anspricht Themen wie Boni oder den Dienstwagen sollte der Bewerber ansprechen, wenn diese Benefits für ihn wichtig sind, rät Schäfer.
Wenn Sie sich Ihrer Leistung sicher sind und diese gut dokumentiert ist, gibt es noch die Variante "pokern": Sie bringen sich intern für eine andere, bessere Stelle ins Gespräch. Wenn Sie gut sind und alle soviel von Ihnen halten, kann man Sie doch auch befördern? An diese Variante denken Bewerber oft nicht, wir haben aber schon viele Kandidaten kennen gelernt, die im Zuge einer Umstrukturierung einen Aufstieg realisiert haben.