Doch halt: Wie prozessoptimiert sind eigentlich diejenigen, die IT-Services liefern? Wie industrialisiert ist heute eine IT-Abteilung? Beschäftigen sich IT-Verantwortliche noch immer mit dem operativen Betrieb von Servern oder haben sie den Freiraum für die Geschäftsanforderungen ihrer internen Kunden? Sind sie der Motor für Business Innovation oder programmieren sie noch?
Der historische Einstieg hat gezeigt, dass Industrialisierung und Reduktion von Fertigungstiefe eigentlich ein ziemlich alter Hut sind. Doch wie könnte die Industrialisierung in der IT nachgeholt werden, und welche Rolle spielen dann unternehmensinterne IT-Experten und IT-Dienstleister? Wird IT unwichtig und erleben wir das Ende der Unternehmens-IT, wie Nicholas G. Carr in verschiedenen Veröffentlichungen postulierte?
Schon ein dickes Brett: Die Industrialisierung im Unternehmen
Fangen wir am besten dort an, wo die IT Nutzen bringen soll, nämlich beim Anwender, den Fachabteilungen, dem Management. Die Schlagworte sind auch hier durchaus bekannt. Einzig werden sie von einem Unternehmen mehr, vom anderen weniger umgesetzt: klare Service-Prozesse im Rahmen einer IT-Governance definieren; ein schnelles, aber konstruktiv kritisches Anforderungsmanagement; effiziente und automatisierte Service Desk-Strukturen; Zerlegung der operativen IT-Aktivitäten in wiederholbare Standardtätigkeiten und individuelle Spezialthemen.
Hinzu kommt die immer wieder betonte aber in der Praxis ach so schwere Zusammenarbeit zwischen internen Kunden und IT-Management ebenso wie die Schnittstellen zwischen IT-Management und der operativen IT in Rechenzentren und Programmierbüros. Messbarkeit und Transparenz von Kosten und Qualität sind weitere Aspekte der IT-Industrialisierung, die allen Beteiligten zumindest in der Theorie bekannt sind. Je nach Rolle und Priorität der IT-Systeme kann es zusätzlich notwendig sein, eine technische Transformation von IT-Infrastrukturen und Applikationen durchzuführen, um eine Betreuung im Rahmen effizient industrialisierter Serviceprozesse zu gewährleisten. Unterstellen wir einfach einmal den seltenen Idealfall, dass all dies vom CIO durchdacht und umgesetzt wurde.
Gegen Ende dieses Industrialisierungsprojektes stellt sich dann die Frage der Fertigungstiefe: Welche Aufgaben kann und möchte der CIO weiterhin direkt in seiner Organisation durchführen, welche Aktivitäten kann ein externer IT-Outsourcing-Partner übernehmen. Je exakter und konsistenter die einzelnen IT-Aufgaben in der Prozessdefinition beschrieben sind, desto freier ist der CIO in seiner Entscheidung.
Das operative IT-Geschäft übernimmt derweil der IT-Dienstleister im Rahmen einer flexiblen, auf Service Leveln basierenden Partnerschaft. Die großen IT-Outsourcer liefern ihre Services bereits heute aus prozessoptimierten IT-Fabriken und kombinieren Onshore-, Nearshore- und Offshore-Leistungen. Die Anbieter verlagern dabei Teilbereiche der Serviceerbringung in Länder mit niedrigem Lohn- und Kostenniveau, ohne dass es zu Einschränkungen hinsichtlich Kundennähe und Servicequalität für den heimischen Auftraggeber kommt. Hier kommen dann beim Dienstleister hinsichtlich der Zerlegbarkeit oder auch Steuerung der Leistungen ähnliche Anforderungen intern zum Tragen wie in den Kundenunternehmen.
Hat der Schuster die schlechtesten Schuhe? Oder: Die Industrialisierung geht beim Outsourcing-Dienstleister weiter
Ein Kriterium für die Auswahl des richtigen Outsourcing-Partners sollte der Grad der angestrebten Fertigungstiefe sein: Möchte ich nur einfachste Dienstleistungen z.B. im IT-Netzbereich auslagern, oder trenne ich mich weitgehend von operativen IT-Aufgaben zu Gunsten von Innovation?
Schließlich sollte bei der Wahl des Outsourcing-Partners auch darauf geachtet werden, ob dieser bei der Definition der Serviceprozesse, der IT-Governance und bei den notwendigen technologischen Transformationen einen Beitrag leisten kann. Eine gute Servicepartnerschaft beginnt nämlich schon lange vor dem SLA-basierten Regelbetrieb. Die Beziehung von CIO-Abteilung zum externen IT-Dienstleister stellt dann auch das Glied in der Servicekette dar, das über Wohl oder Wehe der IT-Industrialisierung entscheidet. Die auf Vertrauen und dem echten Willen zur Kooperation basierende Servicepartnerschaft muss also mit Sorgfalt und Zeit designt werden.
Bleibt nun noch zu diskutieren: Wie setzt sich die Lieferkette beim IT-Dienstleister fort? Eine verteilte Leistungserbringung über internationale "Fertigungsstätten" ist zwar ein großer Aspekt der Industrialisierung, aber noch nicht ihr Ende. Denn wenn die Outsourcer ihren Kunden immer wieder predigen, wie groß die Vorteile einer geringeren Fertigungstiefe durch Outsourcing sind, stellt sich automatisch die Frage, warum sie es nicht selbst tun.
Warum nicht die Management-Methoden, die sie selbst empfehlen, im eigenen Unternehmen anwenden? Warum nicht Bereiche, wie z.B. Druckservices oder Netzdienstleistungen, die nicht zu ihren Kernkompetenzen gehören, an Spezialisten auslagern? Der Weg wird ganz sicher in diese Richtung gehen. Denn Outsourcer, die outsourcen, haben nicht nur mehr Zeit, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren, sie können die Probleme ihrer Kunden auch ganz praktisch nachvollziehen.
Christoph Hölscher ist Leiter Portfolio Management bei Capgemini Zentraleuropa, Outsourcing Services.