Zu Trends haben CIOs ein gespaltenes Verhältnis. Rufen Berater und Marktforscher die Cloud-Welle aus, sind IT-Chefs skeptisch. Das hat erst kürzlich eine Umfrage des CIO-Magazins bestätigt, in der das Thema Cloud ähnlich schlechte Nützlichkeitswerte erhielt wie SOA. Dass CIOs aber grundsätzlich das Trendbewusstsein fehlt und dass sie Zukunftsvisionen scheuen, wäre der falsche Schluss aus der Studie. CIOs haben nur eben ihre eigenen Vorstellungen von der IT im nächsten Jahrzehnt.
So sagt David Thornewill von Deutsche Post DHL auf die Frage nach seiner Vision für 2021: "In zehn Jahren wird es den CIO noch geben, aber seine Abteilung ist bis dahin weggeschmolzen." Thornewill sieht den CIO der Zukunft als Koordinator. Die eigentliche technische Arbeit werde bis 2021 größtenteils ausgelagert sein und bei Experten eingekauft, erklärte Thornewill am Rande des Workshops "The CIO Beyond" auf Schloss Elmau nahe dem bayerischen Garmisch-Partenkirchen. Auf der Tagung sprachen IT-Chefs auf Einladung von CIO-Magazin und Sponsor CSC über die Welt in zehn Jahren - und über die künftige Rolle des CIOs.
Auch Bernd Hilgenberg, CIO bei der Tiernahrungskette Fressnapf, sieht seine Rolle im Wandel - und ganz ähnlich wie Thornewill. Hilgenberg erwartet, dass statt Technologie stärker das Thema Prozesse in den Fokus seiner Arbeit rückt. Gleichzeitig vernetzten sich Firmen international stärker. "Rolle des CIOs wird es sein, diese zunehmende Komplexität nicht auf dem technischen, sondern auf Prozess-Level zu organisieren", sagte Hilgenberg in Elmau.
Mit ihren Gedanken über ihre Arbeit in zehn Jahren tun Hilgenberg und Thornewill schon das, was der Hamburger Trendforscher Oliver Perzborn von CIOs fordert: sich mit "echten Trends" zu beschäftigen. Perzborn leitet das Unternehmen Beyondlabs, das sich als Mischung aus Beratung und Ideenlabor versteht. Er unterscheidet zwischen Trends und Hypes. Hypes sind für Perzborn das, was Anbieter gern ausrufen: Cloud Computing als Technologie der Zukunft zum Beispiel. Eine technische Innovation allein sei aber noch kein Trend. Perzborn hält zwei weitere Faktoren für nötig: Erstens Veränderungen im Unternehmensumfeld, also neue Bedürfnisse von Kunden. Zweitens die wirtschaftliche Komponente, also dass sich aus neuen Bedürfnissen auch ein Geschäftsmodell entwickeln lasse.
Diesen Appell, Neuerungen im großen Zusammenhang zu sehen, haben die CIOs auf Schloss Elmau längst gehört. Die langfristigen Trends, die sie beobachten, sind nicht das, was Gartner und Co. über Berge und Täler ihrer Hype Cycles jagen. So befasst sich Peter Meyerhans, CIO beim auf Bau- und Immobilienprojekte spezialisierten Beratungsunternehmen Drees & Sommer, zwar mit dem als Hype verschrienen Thema Consumer-IT im Unternehmen - aber er spannt den Bogen weiter. "Heute tun sich Business- und Consumer-IT noch weh. Künftig werden sie verschmelzen", prophezeit der Schweizer. Der Weg zu diesem Miteinander sei schwierig, aber unausweichlich.
Trends verpassen ist schwierig
An einem in allen Medien präsenten Thema wie Consumer-IT zeigt sich eine Schwierigkeit, die CIOs laut Beyondlabs-Chef Perzborn im Umgang mit Trends meistern müssen. Neue Entwicklungen seien meist öffentlich im Gespräch. Gering sei also die Gefahr, sie gänzlich zu verpassen. Anspruchsvoll sei dagegen die Entscheidung, welcher Entwicklung man im Sinne des Unternehmens folgen müsse. "Wir haben es mit einer Trendinflation zu tun. Nur zehn Prozent der Trends haben eine wirkliche Relevanz", sagt Perzborn.
Zu diesen zehn Prozent relevanter Themen zählt Johann Kandelsdorfer vom Erdölkonzern OMV das Thema Web 2.0. Neben Prozessen - da ist er sich mit Hilgenberg einig - würden bis zum Jahr 2021 auch Kommunikationsmittel wie Wikis, Blogs und soziale Netzwerke stärker in den Fokus des CIOs rücken. Ebenso wie Thornewill von DHL sieht auch Kandelsdorfer die Bedeutung von IT-Infrastruktur oder Rechenzentrum als typischen CIO-Themen schwinden. "Das T aus IT ist schon in den vergangenen Jahren immer weiter in den Hintergrund gerückt", sagt auch Oliver Perzborn. Wichtiger werde das I, das gleichsam einen Bedeutungswandel erfahre - von Information zu Intelligenz. Der CIO sei in diesem Zuge immer weniger technischer Dienstleister. "Er entwickelt sich stärker zu einem unternehmensinternen Unternehmensberater", prophezeit der Zukunftsforscher.
Wobei sich auch das Verständnis von "intern" ändern könnte. Thomas Henkel von Amersports, Dachkonzern von Skimarken wie Salomon oder Atomic, sieht in seiner Vorausschau auf das Jahr 2021 die Unternehmensgrenzen verschwinden. "Das heißt, dass globale Teams aus internen und externen Mitarbeitern an Lösungen arbeiten", sagte er. Die IT werde dabei einen wichtigen Beitrag leisten, die Externen in Firmennetzwerke zu integrieren.
Trend 2021: Sicherheit wird teurer
Schwindende Unternehmensgrenzen, zunehmende Prozessrelevanz und originäre IT-Themen wie Web 2.0, Bring your own Device oder Cloud: Wenn 30 CIOs über ihre Zukunft in zehn Jahren reden, lassen sich natürlich nicht alle Ergebnisse in einer Geschichte abarbeiten. Wir werden Ihnen deshalb in den kommenden Heften weitere Zukunftsprognosen für das Jahr 2021 präsentieren, die bei "CIO Beyond" nur andiskutiert wurden. Den Anfang macht die Titelgeschichte im Mai, in der es um steigende Ausgaben für IT-Security geht.
"Unter die Wasseroberfläche schauen"
Eine Innovation wird zum Trend, wenn sie neue Bedürfnisse bedient und neue Märkte eröffnet. Das erklärte der Trendforscher Oliver Perzborn bei einem Pre-Event zu den Hamburger IT-Strategietagen.
CIO.de : Was unterscheidet einen Trend vom Hype?
Perzborn: Ein Trend ist mehr als bloß eine technologische Neuerung. Drei Faktoren gehören dazu. Erstens Veränderungen im Unternehmensumfeld, aus denen neue Bedürfnisse erwachsen. Zweitens die Technik, die diese Bedürfnisse aufgreift. Drittens muss sich daraus ein Geschäftsmodell ableiten lassen, das dem Anbieter langfristig lukrativ erscheint.
Sie appellieren an CIOs, Trends zu beobachten. Welche Fehler kann man dabei machen?
Der größte ist sicher der, Annahmen von heute einfach in die Zukunft fortzuschreiben. Das hat zum Beispiel Autobauer Daimler um 1900 gemacht. Er meinte damals, es werde nie einen großen Markt für Autos geben, weil es ja kaum Chauffeure gebe. Eine weitere Schwierigkeit ist es, für mein Unternehmen wichtige Trends von unwichtigen zu unterscheiden. Wir haben es mit einer Trendinflation zu tun. Nur zehn Prozent der Trends haben eine wirkliche Relevanz.
Laut Gartners Hypecycle folgen Trends einem typischen Verlauf. Ist diese Kurve hilfreich?
Der Verlauf von Trends entspricht immer weniger diesem gleich bleibenden Muster. Partner entwickeln gemeinsam Geschäftsmodelle, die Zahl der Einflussfaktoren nimmt zu. Das macht Trendverläufe schwieriger vorhersehbar. Hilfreich ist es, in Szenarien zu denken. Wie gesagt: Eine Innovation ist nur die Spitze des Eisbergs. Zu bedenken ist auch das Geschehen unter der Wasseroberfläche, also die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.
Welchen Trends ist denn die Rolle des CIO unterworfen?
Das T aus IT ist schon in den vergangenen Jahren immer weiter in den Hintergrund gerückt. Wichtiger wird das I, das gleichzeitig seine Bedeutung verändert - von Information zu Intelligenz. Das heißt, es geht nicht mehr allein um Information sondern um die Frage, wie ich aus Information Wissen erzeuge. Der CIO entwickelt sich in diesem Zuge immer stärker zu einem unternehmensinternen Unternehmensberater.