Das Silicon Valley scheint das Paradies zu sein. Ein kalifornischer Garten Eden, in dem die süßen Früchte wachsen, nach denen alle großen Unternehmen suchen: Innovation, Zukunft, Erfolg, ungeahnte Perspektiven.
Die Deloitte-Analysten Maximilian Schroeck, Gopal Srinivasan und Aishwarya Sharan beschreiben "die nahezu einzigartige Ansammlung von Vorzügen" im gelobten Tal in aller Kürze so: Präsenz technologischer Giganten, Weltklasse-Universitäten, Risikokapital im Überfluss und eine zugleich hyperkompetitive und kollaborative Kultur, die sowohl das Risiko als auch das Scheitern feiert.
Ein "Rezept für Innovation" à la Nordkalifornien, das kaum kopiert werden könne. Kein Wunder, das Firmen aus aller Welt dort Honig saugen wollen. "Aber sie stolpern oft über kulturelle, strukturelle und regulatorische Hürden", warnt Deloitte.
Klare Ziele und tiefes Verständnis
"How to innovate the Silicon Valley way" heißt der auf der hauseigenen Plattform Deloitte University Press erschienene Artikel, in dem das Autorentrio herausarbeitet, wie sich die beschriebenen Stolperfallen umschiffen lassen. Die Kernbotschaft dabei: "Unternehmen sollten klar gefasste Ziele und eine eindeutige Richtung haben - und sie benötigen ein tiefes Verständnis der lokalen Umwelt."
Um die Notwendigkeit einer klaren Richtung zu verdeutlichen, holen die Autoren weit aus - Fallbeispiele inklusive. 141 Unternehmen aus Amerika, Europa und Asien-Pazifik sind demnach zwischen 2010 und 2015 auf einen Wert von über 1 Milliarde US-Dollar angewachsen, und ein Drittel von ihnen sei im Silicon Valley ansässig. Das erkläre, warum 61 Prozent der Firmen mit einem Innovation Center dort präsent seien. 83 Prozent der dort agierenden CEOs loben die unternehmerische Mentalität, 81 Prozent die Verfügbarkeit von Fachleuten und 60 Prozent die Nähe zu Kunden und Wettbewerbern.
Von Corporate Accelerators helfen lassen
Aber wie taucht man nun ein in dieses legendäre "Innovationsökosystem"? Nun, Unternehmen können Zusammenarbeit mit Akteuren aus dem Silicon Valley eingehen, Corporate Accelerators zum Heranziehen von Startups und zur Suche nach innovativen Ideen einrichten, sich der Hilfe von Risikokapitalfonds bedienen oder in Kalifornien andere Firmen aufkaufen. Alleine im ersten Quartal dieses Jahres wurden laut Deloitte dort 279 Deals geschlossen.
"In der Praxis fokussieren sich viele Firmen vor allem auf Eins-zu-Eins-Partnerschaften, um Innovation im Silicon Valley voranzutreiben", konstatieren die Autoren. Gleichwohl seien viele Führungskräfte an breiter angelegten Programmen interessiert, um wirklich durchschlagende Erfolge verbuchen zu können. Gerade im Lichte der Digitalisierung und verschwimmender Branchen- und Marktgrenzen entwickelten sich neue, übergreifende Ökosysteme - mit der Automobilbranche als einem Vorreiter.
Silos führen zum Scheitern
"Der Aufstieg der Ökosysteme zwingt führende Unternehmen, ihre Strategien, Geschäftsmodelle, Betriebsmodelle, Kernkompetenzen, Wertschöpfungs- und Markteroberungssysteme sowie ihre Organisationsmodelle zu überdenken", schreiben Schroeck, Srinivasan und Sharan. "Firmen können nicht länger Erfolg erwarten, während sie in Silos agieren."
Deloitte definiert zehn Innovationsarten, nach denen Unternehmen im Silicon Valley suchen. Im Bereich der internen Organisation sind vier davon anzusiedeln: Profitmodell, Netzwerk, Struktur und Prozess. Produktleistung und Produktsystem fallen in die Angebotskategorie. Im Bereich des Kundenerlebnisses gibt es vier weitere Arten: Service, Channel, Marke und Kundenbindung.
Beispiele: SAP und Novartis
Anwenderbeispiele nennt Deloitte in Fülle. SAP zum Beispiel unterhält vor Ort ein "Netzwerk" an Business-Analysten, Beratern und Entwicklern, um immer Anschluss an relevante Entwicklungen zu haben. Novartis arbeitet mit Google zusammen, um smarte Linsen zur Verfolgung des Blutzuckerspiegels zu entwickeln - ein Beispiel aus dem Bereich "Produktleistung".
Innovationsvorbild BMW
Als ein Beispiel für Innovation auf vielen Ebenen nennt der Artikel BMW mit seiner i-Marke, einer Präsenz in Palo Alto und Partnerschaften wie zum Beispiel mit Apple. BMW will Marktführer bei voll integrierten Premium-Mobilitätslösungen werden und ist laut Deloitte in diversen der genannten Innovationsfelder aktiv.
In die Rubrik "Struktur" fällt der regelmäßige personelle Austausch von Forschungspersonal aus den USA und Deutschland - eine Rotationspraxis im Dienste der Innovation. Innovativ am "Prozess" bei BMW ist, dass der Innovationserfolg auch die Anpassung neuer Technologien in künftige Designs umfasst. Als "Netzwerk" dient ein 100 Millionen Dollar schwerer Risikokapitalfonds, mit dem der Konzern in Startups investiert.
Unter "Service" fallen diverse innovative Apps, zum Beispiel auch der Carsharing-Dienst DriveNow. Zur Stärkung der "Marke" schließlich trägt bei, dass die Münchner das Silicon Valley nicht nur als Katalysator für Ideen betrachten, sondern auch als Absatzmarkt für die eigenen Produkte. In der Gegend um San Francisco fährt man gerne mit dem i3 oder i8 herum.
Zwei Hindernisse
Hinderlich für den Erfolg können im Silicon Valley die oben angerissenen Hürden sein. Auf der regulatorischen Ebene nennt Deloitte die Überprüfung von Auslandsinvestitionen durch das Committee for Foreign Investment in the United States (CFIUS). Eine operative Gefahr kann sein, dass Akteure in den kalifornischen Ökosystemen den Anschluss an die Firmenzentrale verlieren. Talentierte Fachkräfte gibt es im Silicon Valley zwar in Hülle und Fülle, aber sie wollen erst einmal angeworben und gut bezahlt werden. In bestehende Netzwerke gelangt man als auswärtiges Unternehmen außerdem nicht einfach hinein.
Deloitte empfiehlt 6 Schritte
Soweit zeigt Deloitte die Fülle an Möglichkeiten auf, wie Unternehmen an dieses Kraftfeld der Innovation andocken können - und die Schwierigkeiten, mit denen zu kalkulieren ist. Für ein erfolgreiches Agieren im Silicon Valley empfehlen die Analysten ein Vorgehen in sechs Schritten:
1. Setzen einer Innovationsstrategie und einer Richtung: Es gilt, Ziele zu definieren und die Verantwortung für ihr Erreichen zu klären. Eine Governance-Struktur ist nötig, um innovative Ideen zu priorisieren und ihre Umsetzung anzupacken. An Geld und Schulungen sollte es dabei nicht mangeln.
2. Erforschen der nächsten S-Kurve: Deloitte rät dazu, eine branchenübergreifende Bewertung disruptiver Trends vorzunehmen und das "Eintauchen" ins Silicon Valley für Entscheider zu ermöglichen.
3. Etablieren eines Innovationsvehikels:Man sollte vorab klären, ob man ein Forschungszentrum, einen Accelerator, ein Joint Venture oder etwas anderes im Silicon Valley haben will. Und man sollte wissen, wie man im Fall des Falles auf Schwierigkeiten mit der CFIUS-Behörde reagiert.
4. Suche nach den richtigen Partnern: Nötig sind hier eine Prüfung und Bewertung potenzieller Partner sowie eine Due Diligence-Prüfung, falls man ein Unternehmen kaufen will.
5. Festlegen des Modus operandi: Darunter fallen unter anderem die Einrichtung von Kommunikationsprotokollen zwischen Silicon Valley und dem Mutterunternehmen und die Definition von Werthebeln bei der Zusammenarbeit mit Startups.
6. Optimierung der Investitionen: Schlüsselaktionen sind hier die Konstruktion eines Business Cases, die Entwicklung eines Proof of Concept und das Erarbeiten von KPIs für Innovation und zu erreichenden Meilensteinen.
"Der Pfad zur Integration mit dem Silicon Valley-Ökosystem wird für jedes Unternehmen einzigartig sein - je nach strategischer Vision und gegenwärtiger Situation", konstatieren die Autoren. "Aber so manches lässt sich doch auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Klarheit der Ziele, effektive Governance, Mechanismen für Collaboration und ein verankertes Verständnis sowohl der Risiken als auch der potenziellen Belohnungen für die Suche nach Innovationen in diesem Tal."