Erstaunlicherweise wird Change oft noch als etwas Besonderes gesehen - so als gäbe es einen Normalzustand, in dem sich nichts verändert. Doch den gibt es nicht. Letztendlich gibt es nur eine Konstante im Leben: Veränderung. Menschen verändern sich, Beziehungen wandeln sich, Gebäude altern, Dinge gehen kaputt, wachsen, vergehen. Stabilität ist eine Illusion.
Stabilität ist eine Illusion
Trotzdem haben Menschen eine große Sehnsucht nach Stabilität. Sie ist oft so groß, dass wir die Augen zukneifen und unser Leben in zu kleinen Zeitabschnitten betrachten, so dass wir die Veränderung nicht sehen. Deshalb merken wir zum Beispiel nicht, wie wir älter werden und unsere Beziehungen an Qualität verlieren oder gewinnen. Eine Ursache hierfür ist: In unserem Alltag erfordert es von uns wenig Energie, Dinge (scheinbar) stabil zu halten.
Verändern hingegen kostet Kraft. Doch reicht das als Begründung oder gar Rechtfertigung für das Festhalten an der Illusion der Stabilität? Wenn wir ehrlich sind, machen wir uns etwas vor.
Ein dauerhafter Unruhezustand ist die Realität
In unserer Wirtschaft hat das "Alles ist im Fluss" eine neue Dynamik gewonnen: Die Märkte verändern sich immer schneller, die technologische Entwicklung schreitet rasant voran, die Produktlebens- und Change-Zyklen werden kürzer, Strategien müssen ständig angepasst werden. Konnten früher die Führungskräfte ihren Mitarbeitern, aber auch den Kapitalgebern nach einer Reorganisation oder strategischen Neuausrichtung eine gewisse Konstanz und Sicherheit versprechen, ist das heute unmöglich geworden. Manchmal lassen sich nicht einmal mehr für das kommende Geschäftsjahr verlässliche Prognosen abgeben.
Deshalb herrscht in vielen Unternehmen ein dauerhafter Unruhezustand. Die Führungskräfte können ihren Mitarbeitern oft nicht mehr versprechen: "Ihr Job ist sicher." Oder: "Unsere Strategie gilt für die nächsten Jahre." Dennoch erwarten die Mitarbeiter oft nachdrücklich Perspektiven, Sicherheit und eine längerfristige Planung.
VUKA steht für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz. VUKA nimmt zu – doch nicht in allen Lebens-, Wirtschafts- und Unternehmensbereichen gleich stark. Wichtig ist es, herauszufinden, in welchen Bereichen VUKA dominiert und in welchen nicht und welche Interventionen deshalb zielführend sind. Es gibt durchaus Koexistenzen von Stabilität und Instabilität. |
Aktuell kursiert in der Management-Diskussion ein Begriff, der diesen Zustand der Dauerunruhe beschreibt: das Akronym VUKA. Es steht für einen Zustand, der von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz geprägt ist. Doch was bedeutet das für uns Menschen? Wie gehen wir mit dieser Situation um, und wie finden wir uns in ihr zurecht?
Wie Mitarbeiter auf ständige Unruhe reagieren
Mitarbeiter und auch Führungskräfte in Unternehmen reagieren auf das VUKA-Phänomen mit verschiedenen Verhaltensweisen:
Change-Müdigkeit: Ständig mit Veränderungen konfrontierte Beschäftigte zeigen Verhaltensweisen wie Lethargie, Fatalismus oder sogar Zynismus.
Change-Ignoranz: Es wird versucht, Neuerungen einfach auszusitzen, gemäß der Maxime: "Wenn ich mich nur langsam genug bewege, geht auch diese Welle vorüber, ohne dass ich etwas ändern muss."
Aktiver Widerstand: Durch das Festhalten an überholten Errungenschaften und Beschlüssen, durch Endlos-Diskussionen, Stimmungsmache und Verweigerung wird versucht, den Status quo zu erhalten.
Natürlich begegnet man in den Unternehmen auch Mitarbeitern, die sich auf Veränderungen einlassen und ihre Gestaltungschancen nutzen. Doch das Gros leidet häufig unter der Dauerunruhe und ist wenig offen für Veränderungen.
Was bedeutet VUKA? Das V steht für volatil (flüchtig, schwankend) Es bezieht sich auf die zunehmende Häufigkeit und Geschwindigkeit von Veränderung. Was gestern noch galt, kann heute durch neue Informationen oder Entscheidungen ganz anders sein. Das U steht für unsicher Vorhersehbarkeit und Planbarkeit lösen sich mehr und mehr auf. Das K steht für komplex Alles hängt zunehmend mit allem zusammen. Zahllose Verknüpfungen, Abhängigkeiten und Einflussfaktoren wollen bedacht sein. Ursache und Wirkung von Entscheidungen sind kaum mehr nachzuvollziehen. Das A steht für ambivalent (mehrdeutig) Die Zeit der Königswege ist vorbei. Statt Schwarz-Weiß herrschen Widersprüchlichkeiten und vielfältige Schattierungen. Sowohl-als-auch-Fakten machen Entscheidungen schwierig. |
Agile Organisation - eine Antwort?
Was kann man tun? In Management-Kreisen wird neuerdings als mögliche Lösung das Thema "Agile Organisation" diskutiert - also das Implementieren einer Unternehmenskultur, die sich der Dynamik bewusst ist und mit einer hohen Anpassungsfähigkeit antwortet. In einem solchen System, so die Hoffnung, organisieren sich die Menschen anders als bisher. Sie entscheiden direkter und schneller, tragen Verantwortung und tauschen sich aus. Doch wer sind die Träger einer solchen Kultur? Die Menschen in der Organisation und ihre Beziehungen zueinander. Also gilt es hier den Veränderungshebel anzusetzen.
In einer agilen Organisation, die weitgehend auf starre Organigramme, Bereichsgrenzen, Aufgabenbeschreibungen etc. verzichtet, sind die Referenzpunkte und Orientierungsanker anders als in einer klassischen Top-down-Organisation. Die Mitarbeiter können sich weniger auf Vereinbarungen und Beschlüsse in der Vergangenheit oder auf Vorgaben von außen beziehen. Sie müssen "wach" sein, einschätzen können, was gerade passiert - und sinnvoll darauf reagieren. Statt Beständigkeit ist geistige Flexibilität gefragt. Statt Dienst nach Vorschrift sind Neugier und Selbstbewusstsein gefordert. Statt Stabilität findet Entwicklung statt.
Stärker auf "agile Deals" zwischen Unternehmen, Führungskräften und Mitarbeitern einstellen
Eine solche Form des Miteinanders verändert nicht nur die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter, sondern auch die der Unternehmen untereinander. Wir sind im betrieblichen Kontext daran gewöhnt, dass einmal getroffene Vereinbarungen dauerhaft Gültigkeit haben - etwa zur Arbeitszeit, zur Entlohnung, zu Zuständigkeiten und Arbeitsinhalten oder Karrierepfaden. Das erwarten viele Mitarbeiter auch weiterhin. Doch wie soll das funktionieren, wenn sich die Rahmenbedingungen ständig ändern? Müssen wir uns dann nicht stärker auf "agile Deals" zwischen den Unternehmen sowie deren Führungskräften und ihren Mitarbeitern einstellen - sowie zwischen den Unternehmensführungen und Mitarbeitervertretungen? Vermutlich!
Ein starkes Wertesystem hält Unternehmen zusammen
Dann aber stellt sich die Frage: Was hält ein soziales Gefüge wie ein Unternehmen zusammen, wenn sich das zentrale Bedürfnis seiner Mitglieder nach Sicherheit und Verlässlichkeit nur noch bedingt erfüllen lässt? Die Antwort lautet: ein starkes Wertesystem. Wenn Menschen durch Werte miteinander verbunden sind, gehen sie gemeinsam durch dick und dünn. Die jeweiligen Beziehungspartner bleiben berechenbar, was zu Vertrauen führt. Und das ist elementar.
Mitglieder von Organisationen, die auf wechselseitiges Vertrauen bauen, lernen schnell, Veränderungen nicht persönlich zu nehmen. Sie unterstellen zudem dem jeweils anderen gute Absichten. Auf dieser Basis wachsen auch Ehrlichkeit und Transparenz. Man unterstützt sich gegenseitig, Fehler werden verziehen. Und die Kurzlebigkeit sowie die permanente Notwendigkeit, sich zu verändern, werden bei aller Belastung auch als sportliche Herausforderung gesehen.
Ist in Unternehmen die Veränderungsdynamik so groß, dass schriftliche Vereinbarungen das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben stehen, dann gewinnen die individuellen und gemeinsamen Werte an Bedeutung: Sie schweißen zusammen. Aus dem gemeinsamen Wertekanon erwächst der Zusammenhalt, den Planungen und Strategien nicht mehr schaffen können.
In die Unternehmenskultur eintauchen
Bleibt die Frage: Wie lässt sich in einem Unternehmen eine gemeinsame Wertebasis aufbauen? Was fördert einen entsprechenden Team-Spirit? Und wie kann das hierfür nötige Vertrauen aufgebaut werden? Die Antwort lautet: Indem ich als Unternehmen, als Führungsmannschaft (mit den Mitarbeitern) die Unternehmenskultur gezielt beeinflusse, entwickle und präge. Das ist keine einfache, aber eine unglaublich spannende und lohnende Aufgabe. Es ist eines der Kernthemen von Führung in der VUKA-Welt.
Wenn wir von Unternehmenskultur sprechen, meinen wir das kollektive Gedächtnis einer Organisation - die Erfahrungen der Menschen, aber auch die Narben, die durch schmerzhafte Maßnahmen herbeigeführt wurden. Diese Erlebnisse fließen in die Haltung und das Handeln jedes Einzelnen ein. Appelle hingegen verpuffen meist wirkungslos, ebenso wie bunte Poster mit Vertrauensslogans. Damit lassen sich keine Brücken bauen, die Menschen verbinden. Kulturarbeit erfordert tief gehende Interventionen, Impulse und Reize, damit sich etwas Neues bilden kann.
Wenn der Change also als alltägliche Herausforderung akzeptiert und gelebt werden soll, bedeutet das für Führungskräfte, sich der Werte und Prinzipien anzunehmen, die das gemeinsame Verhalten nicht nur beeinflussen, sondern prägen. Erst wenn nicht mehr die Symptome, sondern der eigentliche Kern im Fokus steht, kann kontinuierliche Veränderung gelingen, ohne dass sie den Beteiligten zur Last fällt.