Aufs Operative achten, Alignment umsetzen, Befehle ausführen - welcher IT-Leiter möchte diese Aufgaben nicht gerne abschütteln und mehr Zeit für Strategie-Entwicklung haben? Um mehr aus der eigenen Position herauszuholen und den oft geforderten Business-Value zu erbringen, haben sich IT-Verantwortliche aus dem CIO Executive Council mit Personalberatern von Egon Zehnder zusammengesetzt und das EQ-Konzept entwickelt. Der Council ist ein internationales Netzwerk mit mehr als 460 CIOs, Egon Zehnder einer der weltweit führenden Personalvermittler.
Seit 30 Jahren suchen die Personaler von Zehnder bereits Führungskräfte auf Vorstandsebene. Dabei haben sie ein paar Kernkompetenzen identifiziert, anhand derer sie vorhersagen, wie gut ein potenzieller Kandidat sich in seinem neuen Job machen wird. "Wir messen Verhalten, um gute von herausragenden Führungskräften zu unterscheiden", sagt Stephen Kelner von Egon Zehnders "Talent Management and Appraisal Practice Group".
Kelner beschreibt die Kompetenz "Marktwissen" genauer, um die Performance-Werte zu erklären, die eine Führungskraft in diesem Bereich erzielen kann. In puncto Marktwissen misst Zehnder, wie gut ein CIO Kunden, Zulieferer, Mitbewerber und gesetzliche Regularien seiner Branche versteht. Ein CIO der Stufe 1 verfügt hier nur über Basisinformationen. CIOs der Stufe 2 kennen immerhin die typischen Kunden und die offensichtlichsten Wettbewerber. Auf den höheren Stufen können CIOs dann Trends erkennen, sie antizipieren oder sogar Kapital aus ihnen schlagen. High Performer verändern schließlich den Markt, indem sie durch ihre Kenntnis neue Geschäftsfelder oder Produkte entwickeln.
International anwendbar
CIOs aus Deutschland, United Kingdom und Nordamerika stimmen darin überein, dass die EQ-Kompetenzen über Länder- und Branchengrenzen hinweg anwendbar sind - so wie die Position des CIO selbst auch international ist. "Es gibt keinen amerikanischen, deutschen oder japanischen CIO, es gibt einfach nur einen CIO", sagt Thomas Henkel, Vice President of Global IT beim Sportartikelhersteller Amer Sports, hierzulande besser bekannt seit der Übernahme des Skiherstellers Salomon von Adidas. "IT-Integration und Prozessunterstützung kennen keine nationalen Grenzen", meint Henkel, der aus München heraus für das finnische Unternehmen arbeitet, das die Hälfte seines 1,7-Milliarden-Euro-Umsatzes in den USA erzielt.
"Was ich am Executive Quotient mag, ist sein breiter Ansatz, der in verschiedenen Kontexten einer Organisation anwendbar ist", fügt Darin Brumby, CIO der Transportfirma FirstGroup PLC aus Aberdeen in Schottland, hinzu: "Wir reden hier in Großbritanien viel zu viel darüber, ob man ein Frontschwein-CIO oder irgendein anderer Typ von CIO sei. Die Wahrheit ist, dass man am besten eine Kombination aus all diesen Typen sein sollte." Brumby betont, dass Unternehmen sich stetig wandeln, mal zwischen Einsparungen und Wachstumsmodus schwanken - oder zwischen Innovation und Akquisition. Um in diesem Treibsand erfolgreich zu sein, sollte man als CIO nicht nur einzelne gute Fähigkeiten besitzen, meint Brumby.
Natürlich gibt es einige Kompetenzen, die ein CIO in der Vergangenheit öfter gebraucht hat. In Deutschland würden CIOs als Change-Manager und Teamleiter hoch angesehen, außerdem auch für ihre Ergebnisorientierung, meint Henkel: "Wenn Sie einen Manager auf C-Level fragen, was ein CIO alles können muss, dann wird er Ihnen genau diese Punkte aufzählen." Aber wenn man Kompetenzen wie "Fokus auf externe Kunden" oder "Marktkenntnis" auflistet, so schreibe er diese eher dem Vertrieb zu - nicht dem CIO.
Kunden sprechen nicht mit CIOs
Tatsächlich sind auch Henkels Ergebnisse für diese beiden Kategorien relativ schlecht, wie er selbst gesteht. Ein Grund dafür sei, dass sie in seiner derzeitigen Job-Beschreibung gar nicht auftauchen. Aber noch wichtiger: Die externen Kunden erwarten sie auch nicht. Sie sind überhaupt nicht willens, den CIO als Geschäftsstrategen zu erkennen. "Wie sollen Sie da auf den Kunden zugehen, wenn der nicht mal mit Ihnen spricht?", fragt Henkel. Aber dieser Zustand werde sich in den nächsten drei bis fünf Jahren ändern. "Die externen Kunden werden den CIO dann als Berater und Freund, nicht einfach nur als den CIO einer anderen Firma wahrnehmen", prophezeit er.
Im Augenblick sehen CIOs noch nicht besonders gut aus, wenn sie ihren EQ mit dem von CEOs vergleichen. Nur die besten 15 Prozent von ihnen ("High-Performer“) können mithalten, de facto beherrschen sie einige Kompetenzen sogar noch besser als CEOs, das sagen jedenfalls die Daten aus 25.000 Manager-Assessments von Zehnder. Die schlechte Nachricht: CIOs sind im Durchschnitt "Under-Performer“ in den Kategorien, die strategische Führungsstärke ausmachen.
Was CIOs von CEOs unterscheidet
Weitere Kernergebnisse aus dem Vergleich mit dem CEO:
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High-Performer zeigen die besten Ergebnisse in "Ergebnisorientierung", "Strategische Orientierung" und "Change-Management";
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High-Performer sind signifikant besser als durchschnittliche CIOs - außer in der Kategorie Personal und Organisationsentwicklung;
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Personal- und Organisationsentwicklung sind relativ schlecht bei allen Managern, insbesondere bei CFOs;
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High-Performer unter den CEOs übertreffen die überdurchschnittlichen CIOs nur in "Fokus auf externe Kunden" und "Marktkenntnis".
Kerrie Hoffman, CIO bei Johnson & Johnson, zeigt sich wenig überrascht über die relativ schlechten Werte der CIOs in punkto Marktkenntnis und Fokus auf externe Kunden. Hoffman ist in den Reihen der Verkäufer bei Johnson & Johnson aufgewachsen, bevor sie in die IT-Abteilung wechselte. Sie kennt beide Welten und resümiert: "Der alltägliche Job des CIOs erfordert zwar nicht wirklich, dass Sie Kunden und Märkte beobachten. Aber er sollte es erfordern.“
Hoffman bereist regelmäßig asiatische Niedriglohnländer, um eine Geschäftsstrategie für aufkeimende Märkte zu formulieren, in denen J&J-Produkte bislang nur in Tante-Emma-Läden verkauft wurden. "Bevor ich zu diesen Reisen aufbreche, mache ich meine Hausaufgaben“, sagt Hoffman und meint damit: das Geschäftsmodell vor Ort verstehen und die benötigte IT identifizieren. "Mein Ziel ist es, den Kunden maßgeschneiderte Fragen zu stellen, damit wir kollaborativ in eine neue Richtung kommen und so das Spiel ändern“, sagt die IT-Managerin.
Wie Hoffman stammen auch CEOs oft aus der Riege der Verkäufer. Als Erbe bringen sie einen Fokus auf die externen Kunden mit und pflegen einen engen Kontakt zu Schlüsselkunden. CIOs hingegen konzentrieren sich auf die internen Stakeholder und haben über alle Branchen hinweg selten Außenkontakt. Eine Ausnahme bildet dabei George Chappelle, CIO bei Sara Lee Foods. Er schreibt seine Fähigkeiten im Umgang mit Kunden der Tatsache zu, dass er seit mehr als 20 Jahren in der Konsumgüterindustrie arbeitet: "Ich muss diese Fähigkeiten haben. Bei uns dreht sich alles um externe Kunden." Chappelle rät CIOs aller Branchen, sich bei der Entwicklung neuer Produkte und bei der Erstellung der Verkaufsinformation einzumischen: "Beides erfordert eine große Unterstützung durch die IT und vernetzt den CIO nach außen."
Kaufmännische Orientierung - das meint die Fähigkeit, Chancen für neuen Umsatz oder Wettbewerbsvorteile zu erkennen - ist von Egon Zehnder noch nicht lange genug gemessen worden, um hier zuverlässige Vergleiche zu ermöglichen. Trotzdem gehört diese Kompetenz mit in das Repertoire eines CIOs. Den Schlüssel dazu sieht CIO Brumby in einer höheren Risikobereitschaft: "Man muss auch solche Geschäftsszenarien entwickeln und in den Ring werfen, die nicht zwingend die traditionelle Vorstellung einer Kapitalwerterhöhung befriedigen." Und Paul Colby, CIO bei British Airways, ergänzt: "Ich glaube, ein paar ganz gute Ideen bleiben einfach im Regal liegen, weil Menschen nicht willig sind, ihre Komfortzone zu verlassen."
Wenn es um Personal- und Organisationsentwicklung geht, sind alle C-Level-Manager relativ schwach. Professor Rajinder Gupta von der Kellogg School of Management in Chicago hat dazu mehr als ein Dutzend CEOs von amerikanischen Unternehmen befragt:
"Im Allgemeinen kann man sagen, dass sich CEOs während ihres Aufstiegs um ein tiefes Verständnis ihres Geschäftes und ihrer Kunden kümmern - aber nicht zwingend darum, wie sie ihre Leute managen“, sagt Gupta: "Die CEOs, mit denen ich gesprochen habe, sind sich jedoch bewusst, dass sie sich mehr mit der Personalentwicklung beschäftigen sollten.“ Hier liegt eine Chance für den CIO, die Lücke der Personalentwicklung zu füllen, glaubt Michael Pilkington, Managing Director of Corporate Technology beim Finanzdienstleister Euroclear SA in Belgien. "Als Manager sind wir gefordert, viel von unserer Zeit darauf zu fokussieren, wie wir dem Kunden dienen können. Ich denke, wir sollten genauso lange darüber nachdenken, wie wir unsere Leute motivieren und entwickeln“, meint er.
Als er die IT bei Euroclear übernahm, herrschte im Unternehmen das allgemeine Gefühl vor, dass die IT-Abteilung unempfänglich für Nutzerinteressen sei. Pilkington hat daraufhin ein internes Programm für mehr Kundenaufmerksamkeit gestartet. Alle Mitglieder seines Teams - auch die Mitarbeiter ohne direkten Kundenkontakt - haben eine halbtägige Schulung bekommen. Mitarbeiter mit Kundenkontakt wurden einen ganzen Tag lang geschult. Die Weiterbildung hat Pilkington anschließend auf das gesamte Unternehmen ausgeweitet und verstärkt IT-Lehrgänge für Nutzer angeboten.
Was will der CEO?
CEOs wollen auf jeden Fall strategisch denkende CIOs, betont Professor Gupta aus Chicago. Die größten Defizite, die CEOs in der derzeitigen Generation von IT-Managern sehen, seien fehlendes Verständnis vom Geschäft und die mangelnde Fähigkeit, mit hochrangigen Stakeholdern strategisch zu kommunizieren.
Hier greifen die Kompetenzen "Marktkenntnis“ und "Fokus auf externe Kunden“, so wie sie die Personalberater von Egon Zehnder definiert haben. Reynold Lewke, der "CIO Practice Leader“ von Egon Zehnder in Nordamerika bestätigt den Mehrbedarf an diesen Fähigkeiten: "In Branchen, in denen das Geschäft stark mit Technik verflochten ist oder wo Technik als Wettbewerbsvorteil genutzt werden kann, suchen CEOs gezielt nach Kandidaten für den CIO-Job, die einen höheren EQ haben.“
Darin Brumby aus Schottland sieht diesen Trend auch in Europa kommen: "Die progressiven CEOs in Großbritanien fragen alle diese Kompetenzen nach. Sie suchen nicht zwingend nach jemanden, der auch gerne CEO werden möchte. Aber sie hätten gerne Kandidaten, die nach rechts und links schauen - und gerne auch mal aus dem Unternehmen heraus.