Barbra Cooper ist eines davon. Sie arbeitet als CIO für Toyota Motor Sales in den USA und kann nach insgesamt 30 Jahren in der IT ein Lied davon singen, wie sich die Anforderungen an CIOs verändert haben. Ein Loblied ist es nicht unbedingt. Der Beruf habe sich immer mehr zu einer strategischen Aufgabe entwickelt und wird das auch weiterhin tun, so ihre Einschätzung. Angesichts des demografischen Wandels - es gibt immer weniger junge Leute, und die studieren noch dazu selten technische Fächer - sagt Cooper: "Die nächsten zehn, zwanzig Jahre werden eine echte Herausforderung für die Unternehmen." Sie selbst geht die Probleme an: Mentoring und Coaching gehören zu den Stichworten, die ihre Arbeit umreißen.
Konkret: Barbra Cooper hat 27 Mitarbeiter, die an sie berichten. Mit jedem Einzelnen davon setzt sie sich regelmäßig für 90 Minuten zusammen, um über Fortschritte und Defizite, über Anforderung und Lösungen, über die Entwicklung der Arbeit und der Person des Mitarbeiters zu sprechen. Die Ergebnisse fasst sie auf drei bis vier Seiten zusammen, die nicht nur dem Mitarbeiter zugehen, sondern - als knappes Fazit - auch Barbra Coopers Vorgesetztem.
So wird für die Unternehmensspitze sichtbar, wer sich für Führungsaufgaben eignet und zum Beispiel in Programme wie den "Pocket MBA for CIOs" an der Boston University oder in die CIO Boot Camps des Analystenhauses Gartner geschickt werden soll.
Rund 30 Prozent ihrer Arbeitszeit, fast ein Drittel also, investiert sie in diese Aufgaben, sagt Barbra Cooper. Darüberhinaus stellt sie sich in Kamingesprächen den Fragen ihrer Mitarbeiter. Sie wird dadurch zum Vorbild für andere, gibt Tipps und Unterstützung.
Coopers Verhalten setzt allerdings Kommunikationsfähigkeiten voraus, die anscheinend nicht jeder hat. In der Analyse State of the CIO 2008 vom US-amerikanischen CIO-Magazin erklären jedenfalls nur 17 Prozent der Befragten Personalentwicklung zu einem zentralen Thema.
Was gravierende Folgen haben kann. Der US-amerikanische Öl-Konzern Hess Corp zum Beispiel musste Ex-CIO Pete Walton wieder zurückholen. Dabei hatte der 63-Jährige gerade angefangen, seinen Ruhestand zu genießen.
Hess Corp. musste den Ex-CIO aus der Rente holen
"Da klafft doch eine Lücke", sagt Walton. Sein früherer Arbeitgeber hatte Glück: Der Rentner war bereit, noch einmal in die Firma zurückzugehen, um einen Nachfolger aufzubauen. Mit Jeff Steinhorn, einem von Waltons früheren Mitarbeitern, ist es gelungen. Walton griff dabei zu ähnlichen Methoden wie Barbra Cooper: Mentoring, Weiterbildung - in diesem Fall das Harvard Business School Executive Program - und das Hineinwachsen in die Rolle als Vorbild und Ratgeber.
Zudem hat es dem 63-Jährigen auch noch Spaß gemacht, einen Blick in die Zukunft seines früheren Unternehmens zu werfen: Auf der einen Seite er und die Seinen aus der Baby-Boomer-Generation, auf der anderen Seite junge Leute mit ihren neuen Werten und Ansichten. Walton, mittlerweile wieder auf dem Golfplatz unterwegs statt im Büro, fand das "aufregend", wie er sagt.
Das sagt allerdings nicht jeder, zumindest nicht jeder in Europa. So stellten die Analysten von Forrester Ende 2006 in der Studie "Is Europe ready for the millennials?"fest, dass die Unternehmen in der "Alten Welt" auf die Herausforderungen, die die junge Arbeitnehmergeneration mitbringt, nicht ausreichend vorbereitet sind.
Stichwort Technik und Technik-Verhalten: Die wahlweise als "Generation Y" oder "Millennials" bezeichneten jungen Leute setzen es als selbstverständlich voraus, dass sie stets die neuesten Kommunikationsmedien am Arbeitsplatz vorfinden - und dass sie diese auch für private Kontakte nutzen dürfen. Vor allem aber spielt so etwas wie die Treue zum Arbeitgeber eine deutlich geringere Rolle als in der Generation der langsam scheidenden Baby-Boomer.
Wer also auch in zwanzig Jahren noch einen CIO im Haus haben will, muss frühzeitig an der Mitarbeiterbindung arbeiten.
Im Schatten des Vorgängers
Den erwähnten Mentoring- und Coaching-Methoden von Toyota-CIO Barbra Cooper und Ex-Hess-CIO Pete Walton hat Barbara A. White, CIO an der University of Georgia, einen weiteren Baustein hinzugefügt. Schatten-Programm nennt sie das Training, bei dem ihr potenzielle Nachfolger einmal im Monat für ein bis zwei Tage über die Schulter sehen und ihre Arbeit von morgens bis abends begleiten dürfen. Whites Ziel: Irgendwann wird einer der hoffnungsvollen Kandidaten aus ihrem Schatten heraustreten, damit sie das Amt beruhigt übergeben kann.
Doch manchem geht das alles noch nicht weit genug. So fordert zum Beispiel Matthias Jarke, weit früher anzusetzen. Jarke ist Präsident der Gesellschaft für Informatik (GI) und sagt: "Die Gesellschaft für Informatik setzt sich seit langem dafür ein, bereits früh in der Schule mit den Informatikunterricht zu beginnen, um Kinder und Jugendliche an diese Zukunftstechnologie heranzuführen." Um das zu forcieren, hat die GI neue Wettbewerbe für die Sekundarstufe I entwickelt.
Immerhin einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es: Im Wintersemester 07/08 haben sich in Deutschland 30.300 Abiturientinnen und Abiturienten für ein Informatikstudium eingeschrieben. Im Vorjahr waren es 29.145. Matthias Jarke will gar schon eine "Trendwende" sehen.
Mit Coaching und Mentoring, Schattenspielen und Vorbildern sollte es doch möglich sein, den CIO-Nachwuchs heranzuziehen. Damit die Pete Waltons dieser IT-Welt nicht noch einmal vom Golfplatz geholt werden müssen.