Künstliche Intelligenz

Wie man Mitarbeitende für KI begeistert

30.07.2024 von Eric Frank
Bei der KI-Einführung kommt es auf das Change Management an: CIOs müssen richtig aufklären und fortbilden, um die Leute in Schwung zu bringen.
Um Berührungsängste vor Künstlicher Intelligenz zu nehmen, raten CIOs zu zielgruppengerechter Aufklärung - denn so entstehe Begeisterung.
Foto: Gorodenkoff - shutterstock.com

Die künstliche Intelligenz (KI) hat sich in den vergangenen zwei Jahren in schwindelerregendem Tempo weiterentwickelt. Die Belegschaften vieler Unternehmen zögern jedoch noch, die Technologie zu nutzen. Ein Erklärungsversuch ist, dass Mitarbeitende befürchten, dass KI-Lösungen ihre eigene Arbeit übertreffen und sie mit der Zeit ersetzbar machen könnten. Allerdings sind die Gründe für dieses Zögern viel komplexer.

QiFang Sun, CIO bei Collectius, einem in Singapur ansässigen Unternehmen für Schuldenmanagement, ordnet das Zögern zwischen zwei Schlüsselmerkmalen ein: Bereitschaft und Fähigkeit. Einige Mitarbeiter seien zwar bereit, KI zu nutzen, verfügten aber möglicherweise nicht über die notwendigen Fähigkeiten; andere hätten vielleicht die Fähigkeiten, aber nicht die Bereitschaft. Laut Sun besteht das Ziel für Unternehmen darin, Mitarbeitende zu finden oder zu entwickeln, die beide Kriterien erfüllen: Sie sind willens und in der Lage, KI zu nutzen.

Unbekannte Superpower

Allerdings stehen die meisten IT-Führungskräfte vor einer Patt-Situation. Sun sieht zwei Extreme im Mindset der Menschen: "Einerseits haben sie Angst, dass die KI so leistungsfähig ist, dass sie Jobs übernehmen wird, andererseits betrachten die Menschen sie als Blackbox und haben daher kein Vertrauen in die Technologie."

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Auch Bogdan Nita, CIO bei World Vision International mit Sitz in Singapur, hat bei IT-Anwendern und IT-Führungskräften ein ähnliches Schwarz-Weiß-Denken beobachtet: "Man wendet KI einfach an, und alles wendet sich zum Guten, oder KI wird als beängstigend empfunden."

KI - der Kreativitätskiller?

Damir Jaksic von KEO International Consultants hat solche KI-Zurückhaltung aus erster Hand erfahren. Der CIO des in Dubai ansässigen Ingenieurbüros berichtet, dass Architekten, Innenarchitekten und andere Fachleute Vorbehalte gegenüber KI geäußert haben, da diese eine Bedrohung für ihre eigene Ausführung darstellt. "In unserem Bereich von Architektur und Design wird Kreativität hoch geschätzt. Architekten, Designer und Innenarchitekten haben das Gefühl, dass KI-gestützte Werkzeuge ihren kreativen Ausdruck unterdrücken oder die Einzigartigkeit ihres Designs untergraben", sagt er.

Der Schlüssel zur Überwindung dieses Problems liege laut Jaksic darin, die Mitarbeitenden über die Funktionsweise der KI aufzuklären, damit sie verstehen, dass sie ergänzt und nicht ersetzt. Daher will Jaksic den KEO-Mitarbeitern verdeutlichen, wie KI ihnen bei höherwertigen Arbeiten helfen kann. Es fehlen qualifizierte Fachkräfte, um moderne Immobilien zu planen, zu entwerfen und zu bauen. "Meiner Meinung nach kommt die KI genau zum richtigen Zeitpunkt, um die Produktivität zu steigern."

Unter der Leitung von Jaksic hat KEO bereits mehrere Anwendungsfälle gefunden, die die Effizienz steigern, ohne die Kreativität zu beeinträchtigen. So können beispielsweise Konzept-Renderings, die früher Dutzende von Arbeitsstunden in Anspruch nahmen, mit Hilfe eines KI-Generators wie Midjourney oder Stable Diffusion exponentiell schneller erstellt werden - und das alles unter der fachkundigen Leitung eines echten Profis, sagt er.

Mehr Licht - Aufklärung ist der erste Schritt

Auch Michael Kasparian, CIO des Beratungshaues Forrester, befürwortet den Ausbildungs-Ansatz, um Mitarbeitende auf KI am Arbeitsplatz vorzubereiten. Obwohl Forrester als Unternehmen dem Einsatz von KI relativ offen gegenüberstehe, so der Manager, hätten Kolleginnen und Kollegen den Wunsch nach Transparenz und Nachweisen geäußert, um das "Warum" hinter den Empfehlungen, Vorhersagen und Ergebnissen der KI zu erklären.

Kasparian fügt hinzu, dass die Mitarbeitenden bei Forrester häufig mit generativer KI arbeiten, etwa, um Inhalte zu erstellen und Transkripte zusammenzufassen. Wenn der CIO sie ermutigt, generative KI zu nutzen, betont er die Effizienz, die mit den Tools erzielt werden kann.

Gleichzeitig erinnert der Manager diese Mitarbeitenden daran, dass Inhalte nicht reproduzierbar sind. "Wenn Sie dieselbe Frage zweimal stellen, erhalten Sie vermutlich unterschiedliche Antworten", sagt er. Und die Halluzinationen? Er würde den Leuten immer mit auf den Weg geben, alle Ergebnisse der KI zu kontrollieren, und merkt an: "Nehmen Sie es nicht einfach für bare Münze."

KI - es zahlt sich für mich aus

Wenn man die Menschen dazu ermutigt, die Ergebnisse der generativen KI als Grundlage für ihre eigene Arbeit zu nutzen, könne dies die Produktivität steigern, argumentiert Kasparian. Diese Botschaft sei zentral, um den Mitarbeitenden generative KI nahezubringen, etwa für textliche Vorarbeiten: "Damit fällt ein Großteil der anfänglichen manuellen Arbeit weg, denn Anwender müssen die Botschaft nur noch in ihrem Tonfall oder mit persönlichen Formulierungen anreichern", sagt er. "Wenn ihnen jemand 80 Prozent des Weges abnimmt, wissen die Leute das sehr zu schätzen."

Auch Collectius-CIO Sun verweist darauf, wie gut KI die Produktivität im Alltag unterstützen kann. "Wenn man Mitarbeitende überzeugen will, ist es das Wichtigste, ihnen zu sagen, dass dies zu einer besseren Work-Life-Balance führen wird." Schließlich könne KI sie unterstützen und sie von den "banalen Routineaufgaben" sowie dem erforderlichen Business as Usual befreien.

Mitarbeitende mit einem besseren Einblick in die "Blackbox" KI werden eher bereit sein, die Ergebnisse der KI in ihren Entscheidungsprozess einzubeziehen. Zudem verstehen sie, dass KI-Workflows immer noch von Menschen begleitet werden. Sie sind eher bereit, Lösungen zu akzeptieren, die ihre eigene Arbeit unterstützen und nicht überflüssig machen.

Upskilling mit Plan

Lohnt es sich wirklich für Menschen, sich mit KI zu befassen? Viele Mitarbeitende glauben, dass die Lernkurve zu steil ist, um einen Einstieg zu rechtfertigen.

"Menschen nehmen KI als etwas Komplexes wahr, wahrscheinlich wegen der dystopischen Filme. Und sie machen sich Sorgen, ob sie es schaffen, die neuen Fähigkeiten zu erlernen und sich anzupassen", vermutet Jaksic. Diese Herausforderung stelle sich jedoch nicht nur bei der KI, fügt er hinzu. "Wir alle bevorzugen vertraute Arbeitsweisen und stören ungern unsere alltäglichen Aktivitäten."

Seine Botschaft: Es bedarf keiner großen persönlichen Investition, um genug über KI zu lernen, damit man sie produktiv nutzen kann. Daher hat Jaksic bei KEO ein formales Programm für die KI-Ausbildung in kleinen Modulen strukturiert.

Das Programm mit dem Namen "Summer of Innovation" ist in Form von Mittags-Meetings organisiert, die von leitenden Angestellten zu KI-Konzepten abgehalten werden. Das Ziel dieser Sitzungen ist es, so viel Kontext zu vermitteln, dass die Mitarbeitenden bequem mit KI auf eigene Faust experimentieren können. "Einer der wichtigsten Aspekte ist die Anerkennung und Belohnung von Innovationen, indem wir Menschen würdigen, die KI einsetzen." Dies schaffe Anreize für andere, es ihnen gleichzutun."

Auf den KI-Kontext kommt es an

CIO Nita von World Vision International hat ebenfalls ein formelles Programm eingeführt, die "AI Academy". Dort sollen KI-Grundlagen vermittelt werden: wie sie funktioniert, was Fachbegriffe bedeuten und wie KI im geschäftlichen Kontext genutzt werden kann.

Um sicherzustellen, dass die Lektionen ankommen, sollten die Diskussionen laut Nita so gestaltet werden, dass sie der Perspektive der Lernenden entsprechen. "Wenn wir zum Beispiel versuchen, unsere Finanzleute weiterzubilden, verwenden wir immer Modelle aus dem Finanzbereich", sagt er. Es sei entscheidend, die Zielgruppe zu kennen und den Kontext darauf zuzuschneiden.

Unternehmensweit für KI werben

Neben der Schulung und Weiterbildung der Mitarbeiter müssen CIOs sicherstellen, dass KI im gesamten Unternehmen unterstützt wird. Für Nita bedeutet dies: Top-Down. "Alles beginnt an der Spitze. Wenn man auf der obersten Organisationsebene - angefangen beim Vorstand bis hin zum Top-Management-Team - nicht die richtige Unterstützung erhält, wird darunter nichts passieren."

Um die Unterstützung der obersten Führungsebene zu gewinnen, rät Nita den CIOs, den Aufbau einer organisatorischen Dynamik mit harten Zahlen zu unterstützen. "Bitten Sie niemals um eine Investition in Millionenhöhe, ohne nachzuweisen, welchen Wert diese Ausgaben haben werden", sagt er. "Fangen Sie also klein an mit Experimenten, Pilotprojekten oder Prototypen, die einen Wert darstellen. Und es geht nicht um den Wert der Technologie - es geht um den Wert, den sie Ihrem Unternehmen bringt."

Laut Nita wird dieser Ansatz sicherstellen, dass sich KI zu einer unternehmensweiten Initiative entwickelt und nicht nur von einem isolierten IT-Team vorangetrieben wird. CIO Jaksic ergänzt, dass der Wandel von oben nach unten vorangetrieben werden sollte, beginnend mit dem CIO: Dieser sollte bereit sein, mit gutem Beispiel voranzugehen: "Als Führungskraft müssen Sie zeigen, dass Sie selbst die KI annehmen und sich an ihrer Integration beteiligen. Das weckt Vertrauen und motiviert andere." (ajf/jd)