"Stellen Sie sich folgendes Szenario vor", sagt Ingo Wolf, Chief Information Officer der Rödl & Partner Gruppe: "Ihr Unternehmen hat 110 Niederlassungen in 51 Ländern. Die rund 5.000 Beschäftigten arbeiten in hochregulierten Branchen. Es sind moderne Wissensarbeiter, Menschen, die vom schnellen Zugriff auf Informationen ebenso abhängig sind wie von der persönlichen Kommunikation mit den Mandanten." Nun komme es zu einer Pandemie mit schwersten Folgen weltweit. Nicht nur das eigene Unternehmen sei betroffen, sondern alle Mandanten und Geschäftspartner, beruflich wie privat. Wolf: "Über Nacht müssen alle ins Homeoffice, die 'normalen' Abläufe im Büro sind Vergangenheit, buchstäblich nichts ist wie es war."
Dieses Szenario ist heute Realität und stellt das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Rödl & Partner vor extreme Herausforderungen. "Gerade in Krisenzeiten erwarten unsere Mandanten einen leistungsfähigen Berater", so der CIO. "Abstriche bezüglich Sicherheit und Verfügbarkeit werden nicht akzeptiert."
Private Cloud als Basis
Die Qualität der IT-Infrastruktur und des Teams entscheidet nach Ansicht von Ingo Wolf darüber, wie gut der Übergang zu Arbeitsmethoden wie Homeoffice und Remote Work gelingt. Der interne Dienstleister Rödl Global Digital Services hat dazu in den vergangenen Jahren eine Hybrid-Cloud-Infrastruktur eingerichtet. Die Basis bildet die Rödl Private Cloud mit mehreren weltweit verteilten Rechenzentren. Wolf spricht von einer "hochintegrierten, bimodalen Infrastruktur und Delivery-Plattform". Deren Aufgabe sei es, die Arbeitsfähigkeit aller Mitarbeiter weltweit ohne Einschränkungen sicherzustellen: "Sämtliche wertschöpfenden und kommunikationsrelevanten Applikationen müssen für alle Nutzer rund um die Uhr und ortsunabhängig erreichbar sein."
Den Aufbau der Private Coud organisierte Rödl & Partner im Rahmen des internationalen Projekts "Global Office". Dessen Ziel ist die Harmonisierung der IT- und Kommunikationsinfrastruktur sämtlicher Niederlassungen innerhalb von fünf Jahren. Im ersten Schritt wurden alle lokalen Server-Systeme und Applikationen im Lift-and-Shift-Verfahren in die zentralen Data Center migriert. Die zahlreichen Active Directories führte das Team in einem System zusammen, Netzwerkkomponenten wurden auf Fernwartung umgestellt. Um die IT weiter zu vereinheitlichen, setzt CIO Wolf auf nur noch einen einzigen Lieferanten von Notebooks und Desktop. Netze und Leitungen ließ er hinsichtlich Ausfallsicherheit, Bandbreite und Kosten optimieren. Darüber hinaus implementierte die IT einen internationalen Admin-Service.
Weniger Applikationen
Im zweiten Schritt beschäftigte sich der CIO mit der heterogenen Anwendungslandschaft: "Unser Ziel ist es, die Anzahl der Applikationen massiv zu reduzieren." Zugleich arbeite man mit Hilfe des Microsoft Identity Managements an dem Modell "One User - One Account - One Identity". Alle Applikationen sollen dabei in einen einheitlichen Single-Sign-on-Prozess überführt werden. Wolf: "Das hilft uns vor allem bei der Integration neuer Mitarbeiter oder wenn welche das Unternehmen verlassen. Gleichzeitig verstärkte Rödl & Partner auch die IT-Sicherheit. Dazu gehört laut dem IT-Chef eine starke CISO-Organisation mit einem ausgeprägten Security Incident Event Management System.
Die unternehmensweite Modernisierung und Harmonisierung der IT- und Kommunikationsinfrastruktur habe die Ausfallsicherheit und Skalierbarkeit verbessert, so der IT-Chef: "Mandanten weltweit können sich auf höchste Sicherheitsstandards verlassen. Mitarbeiter agieren in einer stabilen IT-Umgebung, die Ausfallzeiten vermeidet und für Geschäftskontinuität sorgt - aktuell ein unbezahlbares Asset."
Bilanz nach zwei Jahren
Nach gut zwei Jahren Arbeit an der IT-Modernisierung zieht der CIO eine positive Bilanz: "Im Projekt Global Office haben wir rund 550 Switches, 120 Router mit integrierten Firewalls und 400 WLAN Access Points von Cisco erneuert oder erstmalig verbaut." Hinzu kamen diverse UTM-Firewalls verschiedener Hersteller. In den Niederlassungen stehen aktuell rund 90 Server, knapp 50 Kilometer Netzwerkkabel wurden verlegt.
Für seine Private Cloud implementierte Rödl & Partner zwei primäre, gespiegelte Rechenzentren auf zwei Kontinenten sowie zwei sekundäre Server-Räume auf zwei weiteren Kontinenten. Im Einsatz sind dabei 60 Nutanix-Knoten. Wolf: "Basierend auf einer Hyperconverged Infrastructure (HCI) sind die Rechenzentren zu 100 Prozent virtualisiert." Rund 260 Microsoft-Terminal-Server bedienen mehrere Tausend Concurrent User. 1400 virtuelle Server komplettieren das System. Insgesamt verwaltet das Unternehmen rund 500 Terabyte aktive Daten bei einem Backup-Volumen von fünf Petabyte. Die Private Cloud ist darüber hinaus an mehrere Public-Cloud-Partner angebunden. Einige wichtige Applikationen betreibt Rödl & Partner bereits in der Azure Cloud, darunter Testsysteme, CRM, sowie das Exchange- und Identity-Management.
"Die Rödl Private Cloud ist wesentlicher Teil unseres digitalen Transformationsprogramms Digitale Agenda", erläutert Martin Wambach, Geschäftsführender Partner und Chief Digital Officer von Rödl & Partner. Strategisch konzentriere man sich dabei auf die Bereiche Cloud, Mobility, Sicherheit, Vernetzung und Kommunikation. "Alle IT- und Kommunikationsprojekte und Produkte müssen auf diese Strategie einzahlen." Nur so könne man die technischen Voraussetzungen für ein dynamisches Wachstum schaffen und die Mandanten mit maßgeschneiderten digitalen Beratungskonzepten unterstützen.
Mobiler Workplace hilft in der Krise
Besonders wichtig für das Unternehmen mit Hauptsitz in Nürnberg ist der mobile Next Generation Workplace. "In der Rödl Private Cloud können unsere Mitarbeiter überall schnell und sicher auf ihre Arbeitsumgebung und Daten zugreifen", betont der CIO. Was im Tagesgeschäft die Grundlage einer zeit- und ortsunabhängigen Zusammenarbeit sei, entwickle sich in Krisenzeiten zum zentralen Erfolgsfaktor. Aktuell arbeite ein Großteil der knapp 5.000 Beschäftigten weltweit im Homeoffice. Wolf: "Ohne die stringente Umsetzung einer Cloud-First-Strategie wäre das so schnell niemals möglich gewesen."
Auf dem Skype Backbone in der Private Cloud verzeichnet die IT derzeit täglich etwa 33.000 interne und externe Calls. Mit der Skype-Infrastruktur sei man in der Lage, die Kommunikationsfähigkeit sowohl innerhalb des Unternehmens als auch extern mit den Mandanten sicherzustellen, berichtet der CIO: "Selbst virtuelle Meetings mit mehreren hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern sind damit möglich. Im Schnitt haben wir bis zu 4.000 User gleichzeitig auf unseren wertschöpfenden Systemen."
Die größten Hürden
Einfach war der Weg zu einer harmonisierten IT-Landschaft nicht, konzediert der CIO. Zu den größten Herausforderungen gehörte die Integration der Unternehmensstandorte in 51 Ländern. Der CIO hatte es mit zahlreichen unterschiedlichen Plattformen und Anwendungen zu tun. Hinzu kam eine breite Palette an Schnittstellen und genutzten Cloud-Services: "Der Integrationsaufwand war sehr hoch." Rund 300 Applikationen wurden in die Private Cloud überführt, alle Clients auf die aktuellste Windows-10-Version migriert.
Die Arbeit habe sich nicht nur mit Blick auf die aktuelle Krise geloht, resümiert Wolf: "Auch in der Welt nach Corona, wenn wir alle hoffentlich bald wieder zur Normalität zurückkehren können, werden unsere Mandanten und wir von unserer Digitalisierungsstrategie profitieren. Stabiles und sicheres mobiles Arbeiten ist Trumpf, nicht nur in Krisenzeiten."