Bevor es Adobe gab, hatte der Computer eigentlich nichts mit Grafik oder Publishing zu tun. Grafiker arbeiteten in den 1980ern mit Tusche, Kurvenlinealen und Klebebuchstaben. Layouts wurden auf große Pappkartons geklebt. Als 1987 die erste Version des Grafikprogramms Adobe Illustrator auf den Markt kam war es eine Revolution, die Grafik Design für immer komplett veränderte. "Das war für uns ein so großer Schritt wie die Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg", erinnert sich Russel Brown, Senior Creative Director von Adobe heute. Am Computer konnten Illustrationen oder Magazinseiten in einem Bruchteil der Zeit gestaltet werden. Oft mit mehreren Entwürfen gleichzeitig, denn Änderungen waren plötzlich einfach.
John Warnock, einer der beiden Adobe-Gründer, hatte schon lange die Idee für Illustrator im Kopf, obwohl er eigentlich in der Computertechnik verwurzelt war. Zusammen mit dem späteren Co-Gründer Charles Geschke forschte er im berühmten Xerox Palo Alto Research Center (PARC) seit den späten 1970ern an geräteunabhängigen Grafiksystemen und Druckern. Von seiner Ehefrau kannte Warnock die täglichen Probleme, mit denen sich Kreative herumschlagen mussten und er wusste, dass der Computer den Abschied von den Klebefolien und Tuschefüllern bedeuten konnte. Eigentlich fehlte nur noch der passende Rechner, der zu dieser Zeit mit dem Apple Macintosh endlich da war. Warnock und Geschke kündigten bei Xerox, forschten in ihrer neu gegründeten Firma mit diesem Ziel weiter und erfanden die Seitenbeschreibungssprache PostScript.
Von Postcript bis PDF
Postscript schuf eine universelle Sprache, die jeder Computer und Drucker beherrschte, unabhängig von Hersteller oder Modell. Mit Postscript wurde es möglich, ganze Seiten in Code zu übersetzen. Dabei war es egal, ob sie Schriften, Grafiken oder Bilder enthielten. Postscript beschreibt, wie eine Seite "gezeichnet" wird, indem die Sprache alles auf der Seite in mathematische Vektorkurven übersetzt. Aber: In der frühen Zeit musste man ein Programmierer sein, um Postscript schreiben zu können. Mit Illustrator machte Adobe Postscript für alle beherrschbar. Plötzlich konnte jeder mit Beziérkurven und Zeichenwerkzeugen, die es noch heute in Illustrator und fast jedem Grafikprogramm gibt, zeichnen oder ganze Seiten gestalten. Illustrator übersetzte alles im Hintergrund in Postscript-Code.
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Adobe war auf einmal ein Softwarehersteller mit Produkten, die beworben werden musste. Wie bei jeder großen Innovation gab es Skeptiker. Würde die Qualität der Schriften und der Linien ausreichen? Würde Computergrafik so präzise sein wie handgezeichnete Kurven? Adobe lud die wichtigsten Publisher in die Firmenzentrale ein und zeigte Illustrator in Aktion. Mit Erfolg - kurz darauf gestaltete das Time Magazine alle seine Infografiken ausschließlich mit Illustrator.
Die nächste revolutionäre Idee ließ nicht lange auf sich warten. Der US-Student Thomas Knoll experimentierte mit einem Programm, das Bilder darstellen konnte. Sein Bruder brachte erste Funktionen zur Verarbeitung mit ein. Aus dem Prototypen "Image Pro" (Pro steht für "Processing", also Verarbeitung) wurde schließlich Photoshop und das Programm wurde von Adobe lizensiert. Die Bildbearbeitung am Computer war geboren.
Adobe verfeinerte nicht nur die PostScript-Sprache, mit dem PDF-Format schuf man noch das passende Dateiformat, das sich schon Ende der 1990er Jahre nicht nur zum Standard für elektronische Dokumente etablieren sollte. PDF und Acrobat, das zugehörige Programm zum Lesen und Editieren von PDFs, gewann mit jeder Version an Bedeutung und wurde zu einem der Eckpfeiler für Adobes Erfolg. 1994 traf Adobe die wichtige Entscheidung, den Adobe Reader kostenlos anzubieten (vorher kostete er noch 50 Dollar). Die damals mutige Entscheidung trug zur rasanten Verbreitung von PDFs bei.
Ausbau zur Kreativ-Komplettlösung
In den 1990ern ruhte sich Adobe nicht auf seinen Publishing-Lorbeeren aus, sondern stieß in weitere Bereiche vor - unter anderem in Richtung Bewegtbild mit dem Videoschnittprogramm Premiere (später in Premiere Pro umbenannt). Neben Eigenentwicklungen erweiterten Zukäufe das Portfolio: Aldus brachte das Layoutprogramm PageMaker mit, das später durch Adobe InDesign ersetzt werden sollte, das dem damaligen Platzhirsch Quark XPress nach und nach den Rang ablief.
Auch in Deutschland ging Adobe einkaufen: Der Softwareentwickler GoLive Systems aus Hamburg brachte einen visuellen Webeditor Cyberstudio heraus. Nach der Übernahme hieß er Adobe GoLive. Obwohl es den Webeditor nicht mehr gibt, werden heute noch am Standort Hamburg unter anderem wichtige Teile der Creative Cloud entwickelt. 2005 kaufte man mit Macromedia den Hauptkonkurrenten im Kreativmarkt. Die Akquisition brachte Produkte wie Adobe Flash, Acrobat Connect (zuvor Macromedia Breeze) und Adobe Dreamweaver in die Palette. 2009 wurde mit dem Kauf des Internet-Analysespezialisten Omniture die Grundlage das spätere Standbein Marketing-Software gelegt.
Da sich Kreative immer mehr zu Multimedia-Produzenten wurden, bündelte Adobe seine Einzelprogramme 2003 zur Komplettlösung Creative Suite. Creative Suite enthielt nicht nur Programme, die Inhalte gestalten konnte, sondern auch Zusatzprogramme wie Bridge, die sich um den Austausch der Daten kümmerten. Kreative konnten zwischen verschiedenen Programmsammlungen, etwa für Design, Web, Video ("Production Premium") oder der Komplettlösung ("Master Collection") wählen.
Auch intern gab es Veränderungen. Gründer Warnock und Geschke zogen sich ab 2000 in Richtung Ruhestand zurück, blieben aber im Vorstand. Bis 2008 wurde Adobe von CEO Bruce Chizen geführt. Chizen war für einen weiteren, wichtigen Vorstoß verantwortlich: Adobe sollte nicht nur Desktop-Software anbieten, sondern die Fähigkeiten von Acrobat & Co. mit Server-basierter Software zu kombinieren und so Anbieter für Unternehmenslösungen werden. Zudem verteidigte Chizen Adobe erfolgreich gegen Übernahmeversuche vom Konkurrenten Quark. Nachfolger Shantanu Narayen, der bis heute Adobe als CEO lenkt, leitete den nächsten radikalen Schritt Richtung Innovation ein: Adobes Vorstoß in die Cloud.
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Dreimal in die Cloud
Mit den Kreativwerkzeugen folgte zuerst die nächste wichtige Transformation, die ein Vorbote für die Marschrichtung in die Zukunft sein sollte. 2011 kündigte Adobe auf der Hausmesse MAX in Los Angeles die Creative Cloud an und stellte nach und nach auf das neue Modell um. Das Cloud-Modell macht wesentlich kürzere Versions- und Innovationszyklen möglich als das alte Creative-Suite-Modell, das üblicherweise im Jahresrhythmus neue Features servierte.
Zudem stellt Creative Cloud die Abrechnung vom Kauf- auf ein Software-Mietmodell um. Dadurch können neue Programme und Features sofort ausgerollt werden und sind mit dem Abo-Preis schon bezahlt. Die Kreativen erhalten zum Monatspreis alle Adobe-Programme, die durch Online-Dienste und Community-Netzwerke, wie zum Beispiel Behance für Online-Portfolios und später mobile Apps ergänzt werden. "Die Creative Suite konnte das interdisziplinäre Arbeiten unterstützen, aber nicht die Agilität bieten und nicht den Community-Gedanken unterstützen", erklärt Mala Sharma, Adobes Vice President Creative Cloud Business Strategy. Die neue Plattform, von Sharma zu einem wesentlichen Teil mitgestalt, sollte agiler und innovationstreibender werden. Adobe ging den radikalen Schritt sehr konsequent und machte sich damit nicht nur Freunde: Kritiker scheuten teils den Umstieg auf Mietsoftware und beklagten fehlende Alternativen.
Creative Cloud ist inzwischen nur eines von drei Cloud-Angeboten, den Eckpfeilern der künftigen Adobe-Strategie. Die Marketing Cloud bündelt alles, was der Profi zum Arbeiten braucht. Es geht hier aber nicht um Mediengestaltung - wie in der Creative Cloud -, sondern um die Bereitstellung von Daten, Software und Services für Marketing-Kampagnen. Unternehmen können ihre Nutzer damit personalisiert über alle Kanäle ansprechen, den Erfolg analysieren und Kampagnen steuern. Die Marketing Cloud ist mit der Creative Cloud verknüpft, was den Austausch von Assets erleichtert. Die Marketing Cloud ist laut Adobe schon bei zwei Dritteln der "Fortune 50"-Unternehmen im Einsatz.
Die dritte Cloud kam erst kürzlich hinzu: Mit der Adobe Document Cloud sollen Nutzer alle ihre PDF-Dokumente an einem Ort sammeln. Mit Acrobat DC können die Dokumente dann geräteübergreifend aus dem Büro, von zuhause und unterwegs abgerufen werden. Das integrierte E-Signing macht elektronische Unterschriften möglich. Formulare für Behörden oder Workflows in Unternehmen sollen damit künftig völlig umgekrempelt und viel einfacher werden. Denn mit einer touchfähigen Oberfläche und mobilen Apps lassen sich PDFs künftig von überall abzeichnen und verschicken. Wie auch die Marketing Cloud ist auch die Document Cloud eng mit der Creative Cloud verzahnt.
Mobiles Design bis IoT
Die große Vision der Creative Cloud - "Jeder kann gestalten. Überall wo er will" - zeigt sich aktuell in vielen radikal neuartigen, mobilen Apps. Tablet und Smartphones sollen aber keine Spielerei sein, sondern Ideen in Profiqualität umsetzen. Es geht darum, dass die mobilen Geräte "so intuitiv wie der Zeichenblock" sind und die Umsetzung von Ideen überall möglich machen sollen.
Die ersten mobilen Versionen der Creative Cloud stehen bereits im iTunes AppStore. Mit der kürzlich erschienenen iPad-App Adobe Comp beispielsweise genügt es, ein paar Rechtecke und Linien mit dem Finger auf dem iPad zu ziehen, um ein Layout zu gestalten. Die Skizzen verwandeln sich in Bilder und Texte, die in InDesign verfeinert werden können. Mit Adobe Voice kann in Minuten jedes Kind elegant animierte Präsentationen gestalten und Erklärungen dazu ins Mikrofon des Tablets sprechen.
Wir werden sicherlich noch mehr Apps und Dienste nach diesem Rezept sehen, wie das kürzlich erschienene Adobe Slate, das auf ähnlich einfache Art und Weise Stories erstellt. Acrobat und die Document Cloud springen mit der neuen Version ebenfalls auf Mobilgeräte. Die Nutzer haben damit alle Dokumente auf allen Geräten immer griffbereit.
Auch das Marketing erlebt einen ständigen Wandel, getrieben durch die rasante Entwicklung digitaler Medien und Endgeräte. Die Marketing Cloud vollzieht gerade den Schritt in Richtung Wearables und anderer Internet of Things (IoT)-Geräte. Adobe Experience Manager Screens und Adobe Target sollen helfen, personalisierte Werbebotschaften in Einzelhandelsgeschäfte oder Hotelzimmer zu bringen - dorthin wo gerade der Kunde ist. Ein neues IoT-SDK (Software Development Kit) soll für Marken die Analyse von Werbemaßnahmen und Interaktionen mit dem Kunden auf allen Geräten eröffnen. Dabei können Unternehmen GPS und iBeacon-Daten ortsbasiert verwenden und mit den Analysedaten die physische Präsenz der Marke optimieren.
Sich ständig selbst neu erfinden
Adobe hat auf seinem langen Weg nicht nur Grafik-Design und Bildbearbeitung neu erfunden. Ein kleiner Softwarehersteller wurde zum Big Player, der eine ganze Industrie erschaffen hat. Doch Kommunikation ist eine Industrie, die nie Zeit zum Stillstand lässt. Adobe hat das von Anfang an verstanden und sich in den fast 30 Jahren seit der ersten Illustrator-Version sich ständig neu erfunden - und will das auch weiterhin so machen.
Die Cloud-Strategie war mutig und richtig. Sie ist ein klares Bekenntnis zur ständigen Innovation und legt dafür die Grundlage, die es möglich macht, ohne lange Verzögerung neue Tools und Features an die inzwischen über drei Millionen Creative-Cloud-Abonnenten auszurollen. So sind die drei Plattformen Creative Cloud, Marketing Cloud und Document Cloud in der Lage, schnell auf Trends zu reagieren. Und dieses große Ziel - immer rechtzeitig die besten Werkzeuge bereitstellen zu können - wird Adobe auch weiterhin konsequent verfolgen. (sh)