Mit einem umfassenden Change-Programm stellt sich das Pharma-Unternehmen Boehringer Ingelheim auf die Herausforderungen der Digitalisierung ein.
Auf den ersten Blick war die IT von Boehringer Ingelheim 2018 gut aufgestellt. Sie galt als zentraler Bestandteil der Wertschöpfungskette, Themen wie Operational Excellence, Projekteffizienz und Security standen im Vordergrund. Doch die Voraussetzungen, um digitale Produkte zu entwickeln, waren nicht vorhanden. Nach einem gründlichen Self Assessment, leitete das Management ein ganzheitliches Transformationsprogramm ein. Damit bewarb sich der rheinland-pfälzische Hersteller beim Wettbewerb DIGITAL LEADER AWARD 2020 und konnte sich in der Kategorie "STRATEGY" die Trophäe sichern.
Die Analyse zeigte mehrere Verbesserungsmöglichkeiten, zum Beispiel den Bedarf, die technischen Fähigkeiten der Mitarbeiter in skalierbarer und proaktiver Weise weiterzuentwickeln. Ein weiteres Thema war, Ressourcen frei zu machen und von den Kernprozessen zu refokussieren um signifikante Investionionen in Innovation tätigen zu können. Zusätzlich bedarf das Zielbild der IT einer Anpassung um die Organisation in Richtung einer digitalen Zukunft zu motivieren. Die Prüfer identifizierten, dass die IT als Ganzes in der Lage sein muss, sich zu drehen und rasch anzupassen, um auf die sich schneller ändernden internen und externen Treiber zu reagieren.
Ein neues Zielbild für die IT
In dieser Form, so ein zentrales Ergebnis der Analyse, war das Betriebsmodell (Operating Model) nicht bereit für die digitale Zukunft. Das Management forderte einen Paradigmenwechsel für die IT: Jenseits der Rolle eines Anbieters von IT-Tools und Systemen und hin zu einer "Multi Mode IT", die auch digitale Produkte und Services entwickeln, kommerzialisieren und betreiben kann. Vor diesem Hintergrund entstand ein neues Zielbild für die IT- Organisation. Sie soll zu einem führenden Partner der digitalen Transformation im Unternehmen werden.
Die Top CIOs der Chemie- und Pharma-Branche
Markus Schümmelfeder Seit April 2018 ist Markus Schümmelfeder neuer CIO des Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim in Ingelheim am Rhein. Er war zuvor Corporate Vice President IT im Unternehmen. Schümmelfeder berichtet an seinen Vorgänger im CIO-Amt, den CFO Michael Schmelmer.
Martin Richtberg Seit 1. Januar 2022 bekleidet Martin Richtberg die Position des Senior Vice President Information Technology, CIO und CDO von Wacker Chemie. Zuletzt war er dort Leiter des globalen Project-Engineering.
Annette Hamann Annette Hamann ist seit 2020 CIO bei der Hamburger Beiersdorf AG. Ihre Vorgängerin Barbara Saunier ist im Ruhestand.
Michael Nilles Henkel hat Michael Nilles am 1. Oktober 2019 zum Chief Digital & Information Officer (CDIO) ernannt. Er berichtet direkt an Carsten Knobel, CEO von Henkel. In seiner Position ist Nilles für die Bereiche Digital, IT, Geschäftsprozessmanagement und Corporate Venture Capital verantwortlich.
Abel Archundia-Pineda Abel Archundia-Pineda ist seit Mai 2017 Head of IT Business Partnering Pharmaceuticals bei Bayer im Geschäftsbereich Pharma bei Bayer. Zuvor war er Head of IT for Novartis Technical Operations and Global CIO der Sandoz Division, Novartis AG.
Michael Jud Michael Jud ist seit April 2017 Leiter IT beim Pharmahersteller InfectoPharm Arzneimittel und Consilium GmbH in Heppenheim im südlichen Hessen. Jud kommt vom Anlagenbauer Schenck Process in Darmstadt. Er berichtet bei seinem Arbeitgeber an den kaufmännischen Geschäftsführer. Neben dem Fokus-Thema IT-Sicherheit baut der gelernte Diplom Ingenieur SAP weiter aus und unterstützt das internationale Wachstum von InfectoPharm.
Alessandro de Luca Alessandro de Luca war bisher Interims-Group CIO beim Pharmakonzern Merck. Der Konzern hat sich entschieden, de Luca dauerhaft in dieser Position zu beschäftigen.
Hermann Schuster Seit 1. September 2021 ist Hermann Schuster Head of Information Technology bei der Lanxess AG. Er folgt auf Kai Finke. In seiner neuen Position will Schuster im Chemiekonzern ein Konzept für den Modern Workplace umsetzen und sich auf Cybersicherheit konzentrieren. Daneben steht der Rollout eines SAP S/4 Hana-Templates auf seiner Agenda. Schuster berichtet an den Lanxess-Finanzvorstand Michael Pontzen.
Bijoy Sagar Bijoy Sagar ist ab Juni 2020 neuer Leiter IT und Digitale Transformation der Bayer AG. Er löst den bisherigen CIO und CEO der IT-Tochter Bayer Business Services (BBS) ab, der seine Konzernkarriere beendet. Die BBS wird aufgelöst. Sagar soll die Digitalisierung des Pharmakonzerns vorantreiben und die begonnene Neuaufstellung der IT ans Ziel führen. Er berichtet an den Finanzvorstand Wolfgang Nickl.
Martin Wiedenmann Martin Wiedenmann ist seit Februar 2019 Head of Global IT/CIO der Atotech Group, einem weltweit agierenden Marktführer für Spezialchemie. Zuvor war er war seit Juli 2016 CIO bei Ledvance in München.
Andreas Becker Andreas Becker ist seit April 2017 Vice President Information Technology/CIO beim Pharmakonzern Daiichi-Sankyo Europe in München. Im Oktober 2014 kam der Diplom-Kaufmann mit Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik & EDV als Head of IT Strategy & Service Delivery ins Unternehmen.
Sandeep Sen Sandeep Sen ist CIO der Linde Group. In dieser Funktion hat er Büros in Singapur und München. Weltweit führt Sen rund 1.100 Mitarbeiter. Er kam 1993 zu Linde Indien (vormals BOC India). Zuvor war er in der IT auf dem Finance-Sektor tätig. Dabei arbeitete er sowohl in Indien als auch in Großbritannien.
Peter Buchmüller Seit Mitte Juni 2017 ist Peter Buchmüller IT-Leiter der Aenova Group, einem pharmazeutischen Auftragshersteller mit Sitz in Starnberg bei München. Der genaue Titel lautet: Senior Vice President Corporate IT Aenova Group. Buchmüller wechselte von der Molkerei Meggle in Wasserburg, wo er zuvor als Leiter IT tätig war.
Berthold Kröger Berthold Kröger hat im Juli 2015 die IT-Verantwortung bei der K+S AG in Kassel übernommen. Der neue Leiter Corporate IT berichtet an den Vorstand Thomas Nöcker. Der promovierte Informatiker hat sein Studium an der Universität-Gesamthochschule Paderborn absolviert. Er arbeitete danach mehr als drei Jahre im Forschungs- und Technologiezentrum der Deutschen Telekom und war später in verschiedenen Positionen bei der Hochtief AG und der Hochtief Solutions AG in Essen beschäftigt.
Alexander Bode Im Juli 2014 hat Alexander Bode den CIO-Posten beim Farbenhersteller DAW SE angetreten. DAW (Deutsche Amphibolin-Werke) ist vor allem bekannt durch Farbenmarken wie Caparol und Alpina. Bode kommt vom Pharmahändler Celesio, wo er seit 2013 als Global Head of IT Governance tätig war. Davor arbeitete der Wirtschaftsinformatiker viele Jahre bei der Freudenberg-Gruppe, wo er auch seine berufliche Laufbahn 2002 begann. Zuletzt verantwortete er dort von 2008 bis 2013 als Director ERP Europe das SAP Competence Center von Freudenberg Sealing Technologies.
Torsten Müller Seit November 2018 ist Torsten Müller Head of Information Technology (CIO) beim Pharma- und Laborzulieferer Sartorius AG mit Sitz in Göttingen. Zuvor war er Chief Digital Officer und Chief Information Officer sowie Mitglied der Geschäftsleitung der Versicherung Helvetia Deutschland in Frankfurt.
Stephan Heinelt Stephan Heinelt ist seit September 2018 Group CIO beim Spezialchemiekonzern Altana AG mit Sitz in Wesel. Der Diplom-Wirtschaftsinformatiker Heinelt war zuletzt Leiter Service Management Global IT Services bei der Evonik Industries AG in Essen.
Martin Kinnegim Martijn Kinnegim ist seit März 2019 CIO der STADA Arzneimittel AG mit Sitz im hessischen Bad Vilbel. Kinnegim arbeitete zuvor bei Jacobs Douwe Egberts (JDE). Dort war er als Global CIO tätig und leitete die Integration der Gesellschaften DE Masterblender 1753 und Mondelez International in den weltweit führenden Kaffeekonzern.
Walter Grüner Walter Grüner ist seit Mai 2019 Head of Information Technology beim Chemie-Unternehmen Covestro in Leverkusen. Zuvor war Grüner seit 2013 als Group CIO bei der KION Group AG tätig, einem Anbieter von Gabelstapler und Lagertechnik.
Tobias Günthör Der Pharmakonzern Stada hat mit Tobias Günthör seit Anfang April einen neuen IT-Chef. Der Titel des 53-Jährigen lautet CIO/Senior Vice President IT at Stada Group.
Carsten Priebs Zum 01.01.2024 wurde Carsten Priebs zum Digitalchef der Biesterfeld AG berufen.
Den dazu nötigen Change-Prozess trieben drei Senior Leader zusammen mit dem IT Leadership Team voran: CIO Markus Schümmelfeder, Clemens Utschig, Head of IT Technology Strategy und CTO, sowie Bhawna Paul, Head of IT Strategy. Das Team definierte sechs Verbesserungsbereiche, in denen sie dringenden Handlungsbedarf sahen:
Für jedes Handlungsfeld startete der Konzern eine strategische Initiative, die kontinuierlich beurteilt und mithilfe von Objectives und Key Results angepasst wird. Gemeinsam mit dem Digitallabor "BI X" entwickelten Mitarbeiter etwa im Rahmen der Initiative "Produkt Teams" bereits elf digitale Produkte. Den Angaben zufolge sind diese entweder bereits kommerziell im Markt etabliert oder liefern einen bedeutenden Beitrag in den Kernprozessen. Die cross- funktionalen Teams arbeiteten an den digitalen Produkten dabei mit agilen Methoden.
Das Transformationsprogramm verändert auch den klassischen IT-Betrieb. Mit der Initiative "Enterprise Operations Center" zentralisierte und standardisierte Boehringer Ingelheim 80 Prozent aller "Run-Aktivitäten" und betreibt sie kosteneffizient in Offshore- und Outsource- Modi. Damit will das Unternehmen Mitarbeiter von klassischen operativen Aufgaben entlasten um Freiräume für Prozessinnovationen und neue Technologien zu schaffen.
Weitere strategische Initiativen drehen darum, die Zahl der eingesetzten Anwendungen zu reduzieren, technische Fähigkeiten der Mitarbeiter aufzubauen sowie den Wert zu messen, den die IT für die Geschäftseinheiten erbringt. Das neu aufgestellte Change-Team "Transform IT" hilft dabei, diese Vorhaben umzusetzen. Laut den Verantwortlichen ist dieses Team in jeder einzelnen IT-Funktion als Veränderungs-Beschleuniger verankert.
Cloud-Dienste und Open-Source-Software
Die technologische Basis bilden Enterprise Plattformen, für die der Pharmakonzern verstärkt Cloud-Ressourcen von AWS und Microsoft (Azure) nutzt. Auch Open-Source-Systeme wie die Container-Plattform OpenShift von Red Hat kommen zum Einsatz. Weltweit betreibt das Unternehmen inzwischen mehr als zehn produktive Kubernetes- Cluster. Ein neuer "Data Science" Stack arbeitet mit drei Hadoop-Clustern und nutzt ein Datenvolumen von 280 Terabyte.
Mithilfe solcher Technologien entwickelten die Rheinland-Pfälzer eine Reihe neuer digitaler Lösungen, darunter der smarte Assistent ADAM (Advanced Design Assistant for Molecules). Er unterstützt Forscher dabei, Wirkstoffe für Medikamente zu entwickeln. Das Tool schlägt passende Molekülverbindungen vor und prüft diese auf Stabilität. Entsprechende Verbindungen könnten so in sieben statt wie bisher in dreizehn Wochen gefunden werden, so das Unternehmen. Damit gelinge es unter anderem, Medikamente schneller und zielgerichteter zu entwickeln.
Die Auswirkungen der strategischen Initiativen sind im ganzen Unternehmen zu spüren, resümieren die Verantwortlichen. Digitale Lösungen und Technologien können entlang der Wertschöpfungskette eingesetzt werden. Die Strategie, auf die Transformationsfähigkeit der bestehenden Organisation zu vertrauen, statt ein neues Modell aufzusetzen, habe sich ausgezahlt. Unterm Strich wird das Unternehmen deutlich schneller und agiler.