Unser Hirn ist ständig mit Selbst-Monitoring beschäftigt. Egal, was wir tun: Vollautomatisch vergleicht es unaufhörlich die tatsächliche Ausführung mit dem vorherigen Plan, um dann, wenn nötig, entsprechende Feinjustierungen vorzunehmen. Dies ist zum Beispiel beim unbewussten Richten der Kleidung gut zu beobachten.
Fachleute bezeichnen dies als Efferenz-Prinzip. Nutzen Sie dieses Prinzip aktiv und bewusst! Gehen Sie, wenn Sie mit anderen kommunizieren, egal ob mündlich oder schriftlich, immer mal wieder in die Helikopter-Perspektive und fragen Sie sich: Ist es zielführend, was ich gerade tue?
Denken Sie dabei wie ein guter Schachspieler zwei bis drei Züge voraus. Verlassen Sie die Ich-bezogene Sichtweise. Begeben Sie sich vielmehr auf eine höhere Warte - oder in die Situation des anderen - und fragen Sie sich:
Was wird das, was ich gerade sage/tue, bewirken?
Wie wird/kann ein anderer das, was ich sage/tue, verstehen?
Was wird er/sie daraufhin wahrscheinlich tun?
Ist dies das von mir Gewünschte?
Was muss/kann ich ändern, damit es mehr dem Gewünschten entspricht?
Lebe ich selber vor, was ich bei anderen erreichen will?
Was kann ich bei mir selbst verbessern?
Der Blick von oben - an einem praktischen Beispiel
Auf der Vertriebstagung eines Mobilfunkanbieters ging es um die Kernpunkte Kundennähe und kundenorientierte Kommunikation. Die Eröffnungsrede, gespickt mit Anglizismen und Fachjargon, hielt der Vertriebsvorstand - hinter dem Rednerpult. Vor Beginn der Veranstaltung weilte er, von seinem engsten Stab wirkungsvoll abgeschirmt, in der ersten Reihe. Gleich nach seiner Rede entschwand er lautlos.
Hätte er sich nur einen Moment lang gefragt, wie sein Verhalten zum Thema der Veranstaltung passt, hätte er dieses wie folgt optimieren können:
jeden seiner Mitarbeiter am Saaleingang mit Handschlag begrüßen,
auf das Rednerpult verzichten und nach vorn an den Bühnenrand treten,
eine kundenorientierte Sprache finden und die Zuhörer miteinbeziehen,
bis zur Pause bleiben und gezielt Mitarbeitermeinungen einholen,
sich mit Vorfreude auf das Tagungsergebnis offiziell verabschieden.
So manches kommunikative Desaster könnte vermieden werden, würde die Helikopter-Perspektive systematisch in die tägliche Arbeit eingebracht.
Wie der Helikopterblick hilft
Ein Weg entsteht dadurch, dass er begangen wird. Dies gilt auch für unser Gehirn. "Use it or lose it" ist sein Prinzip. Neuronale Verbindungen, die nicht regelmäßig stimuliert werden, entwickeln sich schnell zurück. Das lässt sich an Fremdsprachenkenntnissen sehr gut beobachten. Damit also neues Verhalten nicht künstlich wirkt ("Unser Chef redet so komisch! War er wieder mal auf einem Seminar?"), muss es wiederholt werden, bis es in Fleisch und Blut übergeht.
Unser Denkapparat braucht bis zu 100 Wiederholungen, um etwas dauerhaft zu speichern. Erst hierdurch entstehen stabile Verknüpfungen zwischen den einzelnen Hirnzell-Komplexen und eine immer bessere Feinjustierung. Aus neuem Verhalten werden Routinen. Diese rutschen schließlich ins Unterbewusstsein und werden dort wie von selbst abgespult. Das kennen wir vom kleinen Einmaleins genauso wie von hochkomplexen Abläufen, die zu unserem Job gehören.
Damit selbst kleine Dinge zu angenehmen Gewohnheiten werden, empfehle ich die "Motto-des-Tages-Technik". Hierbei wird jeweils ein ausgewählter Aspekt gezielt trainiert. Viele Themen bieten sich dazu an, wie etwa die fünf magischen Worte, die oft kleine Dialog-Wunder bewirken: bitte, danke, sorry, klasse, prima gemacht. Auch wenn wir hier bei Banalitäten angekommen zu sein scheinen, darüber muss gesprochen werden.
"Den Chefs ist nicht bewusst, was sie alles anrichten, wenn sie nicht einmal die Grundregeln eines höflichen Miteinanders beherrschen. Gerade ein Bitte oder Dankeschön ist oft nicht mehr drin: Suchen Sie mir dies, bringen Sie mir das, geht es bis heute Mittag, wie lange soll ich noch warten? … das ist der Umgangston, der vorgelebt wird und dann von den Mitarbeitern entsprechend an die Kunden weiter gegeben wird", schreibt mir eine Leserin. Der Helikopterblick kann davor schützen.
Die Meta-Ebene - damit man nicht in die Machtfalle tappt
Macht drückt sich nicht selten dadurch aus, dass mit "Untergebenen" schlecht umgegangen wird. Wie es zu solchem Verhalten kommt? Macht erzeugt ein gefährliches Hormongemenge, das die Betroffenen dazu bringt, rücksichtsloser zu werden, sich nicht länger darum zu kümmern, was die anderen denken und mit zweierlei Maß zu messen. Was den Mitarbeitern niemals erlaubt würde, etwa zu spät zum Meeting zu kommen, nimmt sich der Boss ganz selbstverständlich heraus.
Dieser Mechanismus wurde in einem Experiment offengelegt, das als "Kekstest" in die Literatur eingegangen ist. Die Sozialpsychologin Deborah Gruenfeld von der Stanford University ließ Studenten in Dreier-Gruppen über umstrittene Themen diskutieren. Per Los wurde jeweils einer der drei dazu bestimmt, die Meinung der beiden anderen zu bewerten. Er hatte also ein kleines Stückchen Macht bekommen. Als wenig später eine Schüssel mit Keksen gebracht wurde, griffen die ermächtigten Studenten als erste zu, kauten mit offenem Mund und fanden nichts dabei, den Tisch zu bekrümeln. Ohne sich dessen bewusst zu sein, bekundeten sie so ihren Machtvorsprung.
Die Gefahr, mit Macht schlecht umzugehen, ist also groß - besonders für die von Natur aus Dominanten. Ständig und ganz gezielt müssen Führungskräfte darauf achten, nicht in ein solches Gebaren abzudriften. Wer hier persönliches Optimierungspotenzial sieht, dem ist mit dem Blick aus einer höheren Meta-Ebene und der daraus resultierenden kritischen Selbstreflektion sehr geholfen.