Digitalisierung ist schwer in Mode. Inzwischen findet man kaum ein Unternehmen, das nicht irgendeine Kombination aus Cloud, Analytics, Künstlicher Intelligenz und Machine Learning nutzt, um seinen Kunden bessere Services anbieten zu können oder um Prozesse zu vereinheitlichen.
Die bittere Wahrheit wenn es um die digitale Transformation geht: Viele dieser Initiativen scheitern sofort oder gehen schrittweise in die Hose. Eine Umfrage von Wipro Digital unter 400 US-Entscheidern zeigt, dass mehr als die Hälfte der Teilnehmer der Überzeugung ist, dass ihr Unternehmen die Digitalisierung nur schleppend vorantreibt. Einer von fünf Executives klassifizierte die digitale Transformation in der Umfrage gar als "Zeitverschwendung".
Damit es bei Ihnen nicht soweit kommt, zeigen wir Ihnen zwölf Problembereiche, an denen die Digitalisierungsbemühungen vieler Unternehmen zu scheitern drohen.
1. Verwirrung statt Konsens
Das Fehlen einer klaren Transformationsstrategie wurde von 35 Prozent der befragten Führungskräfte als Schlüssel-Hürde zur Erreichung des vollen Digitalpotenzials eines Unternehmens angeführt.
Aus Sicht des CIO ist die Digitalisierung ein Weg die Effizienz von Prozessen zu verbessern, während der CMO sie vor allem als Werkzeug zur Kundenbindung betrachtet. Echte digitale Transformation erfordert jedoch beide Seiten der Medaille.
Janice Miller, ihres Zeichens Director of Leadership Programs bei Harvard Business Publishing weiß, was zu tun ist: "Sie müssen Ihre Vision unnachgiebig kommunizieren, unbedingt an ihren Zielen festhalten und die Mitarbeiter von ihrem Vorhaben überzeugen."
2. CEO-Support, Fehlanzeige
Wenn CEOs weder eine schlüssige Strategie verfolgen, noch fähig sind, die Belegschaft zu einen, verfällt die angestrebte digitale Transformation in einen Krisenstatus - davon zeigt sich Rajan Kohli, Global Head von Wipro Digital überzeugt.
Eine Studie von McKinsey legt außerdem nahe, dass einige CEOs von übertriebener Vorsicht und der Angst vor dem Unbekannten heimgesucht werden. Oder wie es McKinsey ausdrückt: "In der heutigen Geschäftswelt sind tiefgreifende Veränderungen in etwa so, als würde man die Stühle auf dem Deck der Titanic neu anordnen."
Der Schlüssel zur erfolgreichen Unternehmens-Digitalisierung liegt in der Schaffung einer neuen, einzigartigen Kundenerfahrung. Um das umsetzen zu können, müssen alle Unternehmensbereiche an einem Strang ziehen. Der CEO muss dabei die Zügel in die Hand nehmen.
3. Fokussierungsschwächen
Ohne einen lenkenden CEO kein Fokus. Und am Ende auch keine Transformation. Nach den Erkenntnissen von McKinsey verfolgen zwar sehr viele Firmen den Ansatz, mit möglichst vielen verschiedenen Dingen zu experimentieren. Das könne allerdings den Management-Fokus stark verwässern und am Ende dafür sorgen, dass vielversprechende Ideen beerdigt werden, weil die Ressourcen für einen erfolgreichen Scale-Up fehlen, so die Analysten.
4. Change-Widerstände
In einem Unternehmen, dessen Entscheider stark Komfort-verwöhnt sind, kann ein Wandel besonders schwierig zu bewerkstelligen sein. Rajan Kohli weiß warum: "Die Menschen bauen auf ihrem Wissen ihre Karriere und ihr Machtgefüge auf. Das auch nur in Teilen aufzugeben, fällt vielen besonders schwer."
In der Tat zeigt eine Studie von Harvey Nash und KPMG, dass der Widerstand gegen den Wandel als größtes Hindernis für eine erfolgreiche digitale Transformation gesehen wird. Von den befragten 4500 CIOs sehen das 43 Prozent so.
Auch wenn es darum geht, den Change-Widerständen entgegenzutreten, sieht Kohli den CEO in der Pflicht. Dessen Aufgabe sei es, die Belegschaft zu einen und auf die Strategie, beziehungsweise Vision, einzuschwören.
5. Kein Sinn, Zweck oder Plan
Ob Ergebnisse, die zu wünschen übrig lassen oder Druck durch Vorstände und die Konkurrenz: Die meisten Unternehmen wissen ganz genau, warum sie sich dem digitalen Wandel stellen müssen. Das Problem ist laut Rajan Kohli dabei nur, dass viele gar nicht wissen was genau sie verändern und wie sie das anstellen sollen: "Unentschlossenheiten dieser Art können zum Stillstand - oder schlimmer - falschen Entscheidungen führen."
Eine der wesentlichen Herausforderungen für Unternehmen bei der Digitalisierung ist es, die Transformationsstrategie mit kurz- und langfristigen finanziellen Zielen in Einklang zu bringen. Das betrifft insbesondere börsennotierte Unternehmen.
"Entscheidungen die auf kurze Sicht getroffen werden, sind auf lange Sicht unter Umständen nicht die besten", gibt Kohli zu bedenken.
6. Geschwindigkeitsabfall
Wer die Digitalisierung im Schneckentempo angeht, tut sich keinen Gefallen. Unter den Teilnehmern der bereits genannten Wipro-Studie gaben nur vier Prozent an, ihre geplanten digitalen Investments im Zeitraum von einem Jahr umgesetzt zu haben. Die Mehrheit der Teilnehmer rechnet damit, dass sich die Investitionsfrüchte ihres Unternehmens erst in den nächsten zwei bis drei Jahren ernten lassen.
"Die Geschwindigkeit des Wandels ist atemberaubend", mahnt Janice Miller: "Sie müssen strategisch auf Zack sein und dürfen nicht zwei Jahre brauchen, um alle Mann an Bord zu holen. Die Entstehung neuer Ideen ist maßgeblich an die Veränderung der Unternehmenskultur geknüpft. Dazu gehört auch die Schaffung eines psychologischen Sicherheitsnetzes: Fehler müssen Teil der Planung sein."
7. Skill-Misere
Eine digitale Transformation erfordert neue Talente. Zum Beispiel Softwareentwickler, die Erfahrung mit den neuesten Programmiersprachen haben oder Produktmanager, die wissen, was ein Kunde von einem virtuellen Assistenten erwartet. Unternehmen bezahlen Unsummen für UX-Design-Spielereien, DevOps-Spezialisten, Data Scientists und KI-Profis - wenn sie welche finden.
Die Nachfrage übersteigt das Angebot an fähigen IT-Spezialisten um ein Vielfaches und die allermeisten Unternehmen tun sich ziemlich schwer, entsprechende Spezialisten von Apple, Google oder Facebook wegzulocken.
8. Fatale Backend-Liebe
Obwohl die richtigen Mitarbeiter an Bord sind, kann eine kundenorientierte Innovation scheitern, wenn der Fokus des CIOs zu sehr auf der Infrastruktur liegt.
Rajan Kohli rät dazu, die Entwicklung nicht aus den Augen zu verlieren: "Beispielsweise sollten Unternehmen Teams für die Migration in die Cloud-Infrastruktur abstellen, dabei aber trotzdem mit mobilen Applikationen, Chatbots, Blockchain oder IoT experimentieren."
9. Integrationswehen
Viele CIOs, die technologische Innovationen einführen möchten, implementieren diese stückweise, statt ein geschlossenes Ökosystem zu schaffen.
Davon ist zumindest IT-Assistenzprofessor Ruben Mancha vom US-amerikanischen Babson College überzeugt: "Im Ergebnis scheitern viele Unternehmen daran, ihre Wertschöpfungskette im Sinne des Kunden neu zu erfinden. Erfolgreiche Transformationsprojekte nutzen aufkommende Technologien, um eine kontextuelle Computing-Erfahrung zu schaffen, die den Kunden einerseits hoch-personalisierte, andererseits hoch-innovative, Services zur Verfügung stellt."
10. Digitalkluft
Ein großes Problem in einigen Firmen: Digitale Initiativen werden vom Mutterkonzern abgetrennt. Das Argument: Transformationsprojekte müssen eine ganz andere Prozessgeschwindigkeit vorlegen, weswegen es sinnvoll ist, sie autonom zu betreiben. Stichwort Digital Labs.
Natürlich haben die daraus resultierende Geschwindigkeit und Entscheidungsfreiheit ihre Vorteile. Wer aber daran scheitert, die digitalen Möglichkeiten und die Transformation selbst über das gesamte Unternehmen zu "ziehen", der verschwendet Geld und Ressourcen.
11. Kostenexplosionen
Wenn eine Implementierung oder die Prozesskosten das geplante Maß um ein Vielfaches übersteigen, kann die digitale Transformation einen langsamen, unschönen Tod sterben.
McKinsey empfiehlt daher: "Führende Unternehmen starten die Transformation, indem sie sich schnelle Erfolge zum Ziel setzen und so Werte erschließen, die den Aufwand refinanzieren. Oft schon in den ersten drei Monaten des Projekts."
12. Kontinuitätskrise
Wie oft haben Sie schon von einem CIO gelesen, der lang und breit über die gerade stattfindende digitale Transformation seines Unternehmens spricht, nur um wenig später (freiwllig oder auch unfreiwllig) einen Abgang hinzulegen.
CIO-wechsel-dich-Spielchen schmälern die Chancen eines Unternehmens, ihre digitale Agenda auf den Weg zu bringen. So landen immer wieder groß angelegte Transformations-Initiativen auf dem Projektfriedhof.
Wesentlich ist: Eine digitale Transformation setzt Führung von oben voraus. Wenn diese fehlt, sind alle Digitalisierungsbemühungen zum Scheitern verdammt.
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer US-Schwesterpublikation CIO.