Digitalisierung in Unternehmen

Wie Transformation scheitert

09.03.2018 von Clint Boulton und Florian Maier
Wenn Sie es im Zuge der digitalen Transformation mit einem der folgenden zwölf Probleme zu tun bekommen, ist es Zeit umzudenken. Höchste Zeit.

Digitalisierung ist schwer in Mode. Inzwischen findet man kaum ein Unternehmen, das nicht irgendeine Kombination aus Cloud, Analytics, Künstlicher Intelligenz und Machine Learning nutzt, um seinen Kunden bessere Services anbieten zu können oder um Prozesse zu vereinheitlichen.

Kein Glück bei der Transformation? Wir zeigen Ihnen 12 Gründe dafür, dass der Change zum Fail wird.
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Die bittere Wahrheit wenn es um die digitale Transformation geht: Viele dieser Initiativen scheitern sofort oder gehen schrittweise in die Hose. Eine Umfrage von Wipro Digital unter 400 US-Entscheidern zeigt, dass mehr als die Hälfte der Teilnehmer der Überzeugung ist, dass ihr Unternehmen die Digitalisierung nur schleppend vorantreibt. Einer von fünf Executives klassifizierte die digitale Transformation in der Umfrage gar als "Zeitverschwendung".

Damit es bei Ihnen nicht soweit kommt, zeigen wir Ihnen zwölf Problembereiche, an denen die Digitalisierungsbemühungen vieler Unternehmen zu scheitern drohen.

1. Verwirrung statt Konsens

Das Fehlen einer klaren Transformationsstrategie wurde von 35 Prozent der befragten Führungskräfte als Schlüssel-Hürde zur Erreichung des vollen Digitalpotenzials eines Unternehmens angeführt.

Aus Sicht des CIO ist die Digitalisierung ein Weg die Effizienz von Prozessen zu verbessern, während der CMO sie vor allem als Werkzeug zur Kundenbindung betrachtet. Echte digitale Transformation erfordert jedoch beide Seiten der Medaille.

Janice Miller, ihres Zeichens Director of Leadership Programs bei Harvard Business Publishing weiß, was zu tun ist: "Sie müssen Ihre Vision unnachgiebig kommunizieren, unbedingt an ihren Zielen festhalten und die Mitarbeiter von ihrem Vorhaben überzeugen."

2. CEO-Support, Fehlanzeige

Wenn CEOs weder eine schlüssige Strategie verfolgen, noch fähig sind, die Belegschaft zu einen, verfällt die angestrebte digitale Transformation in einen Krisenstatus - davon zeigt sich Rajan Kohli, Global Head von Wipro Digital überzeugt.

Eine Studie von McKinsey legt außerdem nahe, dass einige CEOs von übertriebener Vorsicht und der Angst vor dem Unbekannten heimgesucht werden. Oder wie es McKinsey ausdrückt: "In der heutigen Geschäftswelt sind tiefgreifende Veränderungen in etwa so, als würde man die Stühle auf dem Deck der Titanic neu anordnen."

Der Schlüssel zur erfolgreichen Unternehmens-Digitalisierung liegt in der Schaffung einer neuen, einzigartigen Kundenerfahrung. Um das umsetzen zu können, müssen alle Unternehmensbereiche an einem Strang ziehen. Der CEO muss dabei die Zügel in die Hand nehmen.

Hochschule St. Gallen über "Rollen, Prozesse und Führung in der digitalen Transformation"
Digitale Transformation
Wie sieht die digitale Transformation in der Praxis aus und welche Auswirkungen hat sie auf Führungs- und Unternehmenskultur? Um diese Frage kreist der zweite Teil einer groß angelegten Studie der Hochschule St. Gallen (HSG). Deren Institut für Wirtschaftsinformatik hat dabei mit T-Systems Multimedia Solutions und dem Bundesverband Digitale Wirtschaft zusammengearbeitet. Die Ergebnisse sind unter dem Titel „Rollen, Prozesse und Führung in der digitalen Transformation“ dokumentiert.
Vier Wege
Die HSG skizziert vier Möglichkeiten: Entweder benennen Unternehmen einen CDO oder eine Digital Unit. Alternative ist ein Stab, der abseits vom Tagesgeschäft und außerhalb der Linienorganisation arbeitet, oder ein Unternehmen, das digitalisiert genug ist, um die Verantwortung nicht zentral verorten zu müssen. Das ist bisher allerdings ein Ideal.
Neues Job-Profil
Einer der Befragten sagte, die Unternehmen bräuchten einen Manager mit speziellem Job-Profil, der IT- und Strategiekompetenz kombiniere. Oft seien das allerdings "teure Leute, die man sich nicht leistet".
Adidas-Gebäude "Pitch"
Der Sportartikelhersteller Adidas hat ein neues Gebäude namens "Pitch" hochgezogen. 300 Mitarbeiter testen aus, wie Menschen in Zukunft arbeiten wollen.
Arbeiten im "Pitch"
Adidas hat den "Pitch" nach neuen, luftigen Arbeitsplatzkonzepten ausgerichtet, die die Kollaboration erleichtern sollen.
Essen im "Pitch"
Im "Pitch" muss dank großer Küche niemand hungern.

3. Fokussierungsschwächen

Ohne einen lenkenden CEO kein Fokus. Und am Ende auch keine Transformation. Nach den Erkenntnissen von McKinsey verfolgen zwar sehr viele Firmen den Ansatz, mit möglichst vielen verschiedenen Dingen zu experimentieren. Das könne allerdings den Management-Fokus stark verwässern und am Ende dafür sorgen, dass vielversprechende Ideen beerdigt werden, weil die Ressourcen für einen erfolgreichen Scale-Up fehlen, so die Analysten.

4. Change-Widerstände

In einem Unternehmen, dessen Entscheider stark Komfort-verwöhnt sind, kann ein Wandel besonders schwierig zu bewerkstelligen sein. Rajan Kohli weiß warum: "Die Menschen bauen auf ihrem Wissen ihre Karriere und ihr Machtgefüge auf. Das auch nur in Teilen aufzugeben, fällt vielen besonders schwer."

In der Tat zeigt eine Studie von Harvey Nash und KPMG, dass der Widerstand gegen den Wandel als größtes Hindernis für eine erfolgreiche digitale Transformation gesehen wird. Von den befragten 4500 CIOs sehen das 43 Prozent so.

Auch wenn es darum geht, den Change-Widerständen entgegenzutreten, sieht Kohli den CEO in der Pflicht. Dessen Aufgabe sei es, die Belegschaft zu einen und auf die Strategie, beziehungsweise Vision, einzuschwören.

5. Kein Sinn, Zweck oder Plan

Ob Ergebnisse, die zu wünschen übrig lassen oder Druck durch Vorstände und die Konkurrenz: Die meisten Unternehmen wissen ganz genau, warum sie sich dem digitalen Wandel stellen müssen. Das Problem ist laut Rajan Kohli dabei nur, dass viele gar nicht wissen was genau sie verändern und wie sie das anstellen sollen: "Unentschlossenheiten dieser Art können zum Stillstand - oder schlimmer - falschen Entscheidungen führen."

Eine der wesentlichen Herausforderungen für Unternehmen bei der Digitalisierung ist es, die Transformationsstrategie mit kurz- und langfristigen finanziellen Zielen in Einklang zu bringen. Das betrifft insbesondere börsennotierte Unternehmen.

"Entscheidungen die auf kurze Sicht getroffen werden, sind auf lange Sicht unter Umständen nicht die besten", gibt Kohli zu bedenken.

6. Geschwindigkeitsabfall

Wer die Digitalisierung im Schneckentempo angeht, tut sich keinen Gefallen. Unter den Teilnehmern der bereits genannten Wipro-Studie gaben nur vier Prozent an, ihre geplanten digitalen Investments im Zeitraum von einem Jahr umgesetzt zu haben. Die Mehrheit der Teilnehmer rechnet damit, dass sich die Investitionsfrüchte ihres Unternehmens erst in den nächsten zwei bis drei Jahren ernten lassen.

Die Digitalisierung - aus emotionaler Sicht
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Innerer Anspruch der Entscheider
Die schönen Seiten
Nichts zum Wohlfühlen
Wen geht die Digitalisierung an?
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Ängste in Abteilungen
Widerstände
Ein Blick in die Abteilungen
Optimisten und Pessimisten
Selbsteinschätzung

"Die Geschwindigkeit des Wandels ist atemberaubend", mahnt Janice Miller: "Sie müssen strategisch auf Zack sein und dürfen nicht zwei Jahre brauchen, um alle Mann an Bord zu holen. Die Entstehung neuer Ideen ist maßgeblich an die Veränderung der Unternehmenskultur geknüpft. Dazu gehört auch die Schaffung eines psychologischen Sicherheitsnetzes: Fehler müssen Teil der Planung sein."

7. Skill-Misere

Eine digitale Transformation erfordert neue Talente. Zum Beispiel Softwareentwickler, die Erfahrung mit den neuesten Programmiersprachen haben oder Produktmanager, die wissen, was ein Kunde von einem virtuellen Assistenten erwartet. Unternehmen bezahlen Unsummen für UX-Design-Spielereien, DevOps-Spezialisten, Data Scientists und KI-Profis - wenn sie welche finden.

Die Nachfrage übersteigt das Angebot an fähigen IT-Spezialisten um ein Vielfaches und die allermeisten Unternehmen tun sich ziemlich schwer, entsprechende Spezialisten von Apple, Google oder Facebook wegzulocken.

8. Fatale Backend-Liebe

Obwohl die richtigen Mitarbeiter an Bord sind, kann eine kundenorientierte Innovation scheitern, wenn der Fokus des CIOs zu sehr auf der Infrastruktur liegt.

Rajan Kohli rät dazu, die Entwicklung nicht aus den Augen zu verlieren: "Beispielsweise sollten Unternehmen Teams für die Migration in die Cloud-Infrastruktur abstellen, dabei aber trotzdem mit mobilen Applikationen, Chatbots, Blockchain oder IoT experimentieren."

9. Integrationswehen

Viele CIOs, die technologische Innovationen einführen möchten, implementieren diese stückweise, statt ein geschlossenes Ökosystem zu schaffen.

Davon ist zumindest IT-Assistenzprofessor Ruben Mancha vom US-amerikanischen Babson College überzeugt: "Im Ergebnis scheitern viele Unternehmen daran, ihre Wertschöpfungskette im Sinne des Kunden neu zu erfinden. Erfolgreiche Transformationsprojekte nutzen aufkommende Technologien, um eine kontextuelle Computing-Erfahrung zu schaffen, die den Kunden einerseits hoch-personalisierte, andererseits hoch-innovative, Services zur Verfügung stellt."

Kriterien für eine erfolgreiche Plattformstrategie
Kundenbedürfnisse
Erkennen Sie die Bedürfnisse Ihrer (potenziellen) Kunden – möglichst bevor diese sie selbst bemerkt haben – und entwickeln Sie kreative Lösungen.
Werteversprechen
Klären Sie für sich, welchen Teil der Kundenbedürfnisse Sie erfüllen wollen. Daraus ergibt sich, ob Sie eine eigene Plattform entwickeln, sich als einer unter vielen Plattformen positionieren oder Apps und Services für Plattformen Dritter entwickeln.
Vernetzung
Begreifen Sie Ihr Unternehmen als Teil der Plattformökonomie und bringen Sie Ihre Leistungen in den erweiterten Markt ein.
Fortschritt
Bringen Sie Ihre Kompetenzen ein, um die Plattformen, auf denen Sie sich bewegen, fortlaufend weiterzuentwickeln.
Positionierung
Definieren Sie Ihre spezifische Rolle im digitalen Ökosystem. Sind Sie Entwickler, Designer, Produzent, Händler? Welche Aufgabe können Sie mit Ihren Stärken am besten erfüllen? Sobald Sie Ihre Rolle gefunden haben: Machen Sie sich unverzichtbar.

10. Digitalkluft

Ein großes Problem in einigen Firmen: Digitale Initiativen werden vom Mutterkonzern abgetrennt. Das Argument: Transformationsprojekte müssen eine ganz andere Prozessgeschwindigkeit vorlegen, weswegen es sinnvoll ist, sie autonom zu betreiben. Stichwort Digital Labs.

Natürlich haben die daraus resultierende Geschwindigkeit und Entscheidungsfreiheit ihre Vorteile. Wer aber daran scheitert, die digitalen Möglichkeiten und die Transformation selbst über das gesamte Unternehmen zu "ziehen", der verschwendet Geld und Ressourcen.

11. Kostenexplosionen

Wenn eine Implementierung oder die Prozesskosten das geplante Maß um ein Vielfaches übersteigen, kann die digitale Transformation einen langsamen, unschönen Tod sterben.

McKinsey empfiehlt daher: "Führende Unternehmen starten die Transformation, indem sie sich schnelle Erfolge zum Ziel setzen und so Werte erschließen, die den Aufwand refinanzieren. Oft schon in den ersten drei Monaten des Projekts."

Digitalisierung: 8 Tipps für das Change Management und den Rollout
Wie Sie Mitarbeiter für die digitale Transformation begeistern
Die Analysten von IDC geben Tipps, wie die Digtialisierungsstrategie von CDO und CIO in kurz-, mittel- und langfristigen Schritten geplant werden sollte. Der Fokus richtet sich dabei auf den Faktor Mensch, denn nur mit motivierten Mitarbeitern wird die digitale Transformation ein Erfolg.
Tipp 1: Prozesse überprüfen
Schritt 1 - kurzfristige Maßnahmen: Durchleuchten Sie die aktuellen Digitalisierungsinitiativen. In welchem Maß erfordern diese Projekte Veränderungen an den organisatorischen Abläufen, den Arbeitsprozessen und der Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen?
Tipp 2: Bedenken der Mitarbeiter sondieren
Schritt 2 - kurzfristige Maßnahmen: Besprechen Sie gemeinsam mit den Abteilungsleitern, welche Bedenken die Mitarbeiter hinsichtlich der Veränderungen haben könnten.
Tipp 3: Sorgen der Mitarbeiter adressieren
Schritt 3 - kurzfristige Maßnahmen: Überlegen Sie, wie die möglichen Sorgen der Mitarbeiter hinsichtlich der Veränderungen durch Kommunikationsmaßnahmen angesprochen werden können.
Tipp 4: Fokusgruppen bilden
Schritt 1 - mittelfristige Maßnahmen: Führen Sie für künftige Digitalisierungsinitiativen, die organisatorische Veränderungen zur Folge haben, Fokusgruppen oder Interviews mit Mitarbeitern ein, um deren Bedenken kennenzulernen.
Tipp 5: Kommunikationsstratiegie ausarbeiten
Schritt 2 - mittelfristige Maßnahmen: Prüfen Sie die Möglichkeiten, wie die interne Kommunikation für künftige Rollouts eine Kommunikationsstrategie gestalten kann, um diese Bedenken zu adressieren.
Tipp 6: Mitarbeiter motivieren
Schritt 3 - mittelfristige Maßnahmen: Überlegen Sie, wie Sie durch die Einbindung der Mitarbeiter in den Planungsprozess deren Engagement im Vorfeld des Rollouts gewinnen können.
Tipp 7: Mitarbeiter schulen
Schritt 1 - langfristige Maßnahmen (12 bis 24 Monate): Bauen Sie ein gutes Verhältnis zur internen Kommunikation und zur Personalabteilung auf. Prüfen Sie die Möglichkeiten, wie diese Abteilungen mit Kommunikation und Mitarbeitertraining die menschliche Komponente der digitalen Transformation flankieren können.
Tipp 8: Budget prüfen
Schritt 2 - langfristige Maßnahmen: Identifizieren Sie mögliche Auswirkungen dieser menschlichen Komponente innerhalb der digitalen Transformation auf das Budget. Suchen Sie Unterstützung bei der Rechtfertigung zusätzlicher Mittel, um die Akzeptanz der Mitarbeiter im Rahmen eines Digitalisierungsprojekts effektiv sicherzustellen.

12. Kontinuitätskrise

Wie oft haben Sie schon von einem CIO gelesen, der lang und breit über die gerade stattfindende digitale Transformation seines Unternehmens spricht, nur um wenig später (freiwllig oder auch unfreiwllig) einen Abgang hinzulegen.

CIO-wechsel-dich-Spielchen schmälern die Chancen eines Unternehmens, ihre digitale Agenda auf den Weg zu bringen. So landen immer wieder groß angelegte Transformations-Initiativen auf dem Projektfriedhof.

Wesentlich ist: Eine digitale Transformation setzt Führung von oben voraus. Wenn diese fehlt, sind alle Digitalisierungsbemühungen zum Scheitern verdammt.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer US-Schwesterpublikation CIO.