Schwere Zeiten für IT-Arbeitgeber: Nicht die Unternehmen suchen die Bewerber aus, sondern umgekehrt. Dies gilt besonders für die so genannten High Potentials, die heiß umworben sind und fast freie Auswahl haben. Das ist auch langfristig ein Thema: Wenn diesen Spitzenkräften im Job etwas nicht passt, sind sie schnell wieder weg. Mehr als ein Drittel (35 Prozent) der Mitarbeiter denkt darüber nach, den Arbeitgeber zu wechseln. Das ergab eine Umfrage der Beratungsgesellschaft von Rundstedt unter 636 Berufstätigen. Knapp die Hälfte (47 Prozent) der Befragten würde wechseln, wenn ihnen ein anderes Unternehmen bessere Karrierechancen bieten würde.
CIOs blicken mit Sorge in die Zukunft. "In der IT ist es eine enorme Aufgabe, verfügbare Arbeitskräfte zu rekrutieren und diese auch zu halten", bestätigt Andreas Rebetzky, Vice President IT & Organisation des Baustoffeherstellers Sto AG. Wie können Firmen ihre Mitarbeiter an sich binden, um einen Brain-Drain zu verhindern?
Eine Frage des Geldes
Anziehend wirkt der Studie zufolge zunächst das Gehalt. Klotzen, nicht kleckern, lautet die Devise, wenn es um den ersten Faktor der Mitarbeiterbindung geht. Alarmierend für deutsche Personalabteilungen dürfte folgendes Ergebnis der Rundstedt-Umfrage sein: 30 Prozent der Deutschen sind mit ihrem Gehalt nicht zufrieden. Ob ein Experte bei einem Unternehmen bleibt, hängt von den Nullen ab, die auf einem Arbeitsvertrag stehen. "Bei IT-Spezialisten ist es natürlich zunächst eine Frage der Summe", bestätigt Michael Schmitz, IT-Abteilungsdirektor der KfW-Bankengruppe. Allerdings zahlen die großen Firmen mittlerweile alle ähnliche Gehälter, so dass letztlich die weichen Faktoren entscheidend sind.
Führungskräfte sind sich einig: "Gehalt ist ein Motivationsfaktor. Es muss stimmen - und damit hat es sich schon", sagt Rebetzky. Aber Mitarbeiterbindung wird nicht durch Gehaltserhöhung erzeugt: "Wenn ich 20 Prozent über dem Markt zahle, heißt es nicht, dass mir mein Mitarbeiter auch treu bleibt", sagt der VP IT. Eine hohe Bezahlung sei nicht ausschlaggebend und kompensiere nicht das Fehlen von Zusatzleistungen oder innerer Motivation. Schmitz von der KfW-Bank hält noch einen anderen Faktor für ausschlaggebend: Die Unternehmenskultur sei ein wesentlicher Gund für Mitarbeiter, sich für einen Arbeitgeber zu entscheiden. „Unsere Fach- und Führungskräfte schätzen unsere Unternehmenskultur", erzählt er. „Die Mitarbeiter merken, dass wir die Werte auch leben, die wir vertreten und das motiviert sie." Die Bindung an das Unternehmen sei dann viel höher.
Knackpunkt Unternehmenskultur
Auch für die langfristige Bindung an ein Unternehmen sei der Aspekt der Unternehmenskultur ausschlaggebend. Es gehe um hehre Ziele und um Werte, die tatsächlich umgesetzt werden. "Wenn die Mitarbeiter merken, dass wir die Werte auch leben, die wir vertreten, motiviert sie das stärker", sagt Schmitz. Die Verbundenheit und Identifikation mit dem Unternehmen sei dann viel höher. Zur Unternehmenskultur gehört auch der persönliche Führungsstil: "Man muss auch erleben, dass einem der Chef den Rücken stärkt", sagt Schmitz. Wenn das Kind krank sei und man deswegen nicht in die Arbeit könne, dürfe der Chef eben nicht genervt reagieren, sondern müsse dem Mitarbeiter zeigen, dass das zu regeln ist. "Die Aufgaben müssen natürlich trotzdem erledigt werden, das ist ja klar", sagt Schmitz. Trotz allem sollte ein Mitarbeiter in solchen Fällen Unterstützung erfahren.
Dass ein guter Führungsstil Mitarbeiter bindet, bestätigt auch Rebetzky. Das gelte insbesondere für die Generation Y, die auf flache Hierarchien setzt. "Mit einer Organisation, die nach Befehl und Gehorsam aufgebaut ist, hält man heutzutage keine jungen Mitarbeiter mehr", sagt der promovierte IT-Leiter. Viel wichtiger und inzwischen weit verbreitet sei der kooperative Führungsstil, meint Rebetzky. "Es ist wichtig, dass Mitarbeiter auch Ideen ausprobieren können, die etwas risikoreicher sind, ohne gleich dafür abgestraft zu werden", sagt Rebetzky. "Dazu gehört ein kommunikatives Umfeld, in dem man auch diskutieren kann."
Standing der IT
"Großen Einfluss auf die Attraktivität hat auch die Frage, welchen Stellenwert die IT im Unternehmen hat", erzählt Rebetzky. "Freuen sich die Fachabteilungen oder sind sie eher genervt, wenn man als ITler zu ihnen kommt? Das beeinflusst stark, wie attraktiv ein Arbeitgeber ist. Und das kann der CIO beeinflussen." Diese Regel gelte nicht nur für Fachabteilungen, sondern auch für die IT-Abteilung selbst: "Wenn der IT-Leiter sich nicht für Innovationen stark macht, ist das kein Anreiz für Mitarbeiter, im Unternehmen zu bleiben", sagt Rebetzky.
Dienstwagen, Kitas, Sportkurse
Riskant kann es sein, den Mitarbeitern einen alten Hut als besondere Förderdung anbieten zu wollen: den Dienstwagen. Der ist zwar nett - mehr aber auch nicht. „Höheren Managern können wir einen Dienstwagen nicht als besonderes Incentive anpreisen. Den bieten alle anderen Firmen auch an, das ist selbstverständlich", sagt Schmitz. Gleiches gelte inzwischen für Angebote wie Kitas und Sportkurse. Sie sind mittlerweile bei großen Firmen fast schon Standard. Vor lieblosen Weiterbildungsmaßnahmen, die an den Bedürfnissen der Arbeitnehmer vorbei gehen, warnt Rebetzky: "Weiterbildungsmöglichkeiten wie etwa Englischkurse gibt es in jedem Unternehmen." Er rät dagegen zu individuellen Inhalten: "Ich finde es viel wichtiger, dass sich meine Mitarbeiter inhaltlich weiterbilden können." So schicken viele CIOs ihre Talente zu den Young Talent Award der CIO Sitftung und der Otto Beisheim School of Management (WHU). Dem Sieger bekommt ein Stipendium im berufsbegleitenden MBA Programm der WHU in Düsseldorf, Auslandsaufenthalte inklusive.
Zur Förderung von Mitarbeitern gehört es Rebetzky zufolge auch, den nächsten Karriereschritt attraktiv zu gestalten. "Biete ich verschiedene Stellen, etwa Junior und Senior System Engineer an, ist das für Mitarbeiter ein Anreiz", sagt er. "Damit sind auch bestimmte Rechte und Privilegien verknüpft: Der Senior System Engineer darf dann einmal im Jahr auf eine mehrtägige Konferenz in die USA fliegen, verbunden mit einer Dienstreise zu einem Tochterunternehmen." Dieser Anreiz in Verbindung mit dem Senioritätsstatus sei für alle eine win-win-Situation. Denn die Firma bekomme einen Mitarbeiter mit mehr Wissen und der Kollege sei zufriedener.
Selbstbestimmtes Arbeiten
Work-Life-Balance scheinen noch nicht alle Unternehmen als wichtigen Mitarbeiterbindungs-Aspekt einzustufen. Ein Viertel der von Rundstedt Befragten gab an, dass ihrem Arbeitgeber das Thema egal sei. Für Rebetzky unverständlich: "Für Mitarbeiter ist die Flexibilität in der Arbeitszeit sehr wichtig." Dazu gehöre auch die Eigenverantwortung im doppelten Sinne: Einerseits wollen Mitarbeiter ihren Tagesablauf und ihren Arbeitsort ein wenig mehr kontrollieren. "Solche Themen wie Home Office sind wichtig: Die Kollegen müssen nur wissen, dass man erreichbar ist. Aber wo der Kollege ist, sollte egal sein", sagt Rebetzky.
Besonders wichtig für die Mitarbeiterbindung ist die Möglichkeit für Teammitglieder, selbst gestalten zu können, weiß KfW-Mann Schmitz: Nichts frustriere mehr, als stets detaillierte Anweisungen zu bekommen und Listen abzuarbeiten. "Wenn Mitarbeiter einen eigenen Beitrag leisten können, dann motiviert das." Dem kann Rebetzky nur zustimmen: "Ich denke, es erzeugt Bindung, wenn man nicht bloß Sachbearbeiter Nummer 23 ist, sondern Senior Consultant für den Procurement Process."
Feedback-Kultur
Mitarbeiter bleiben lieber und länger bei einem Unternehmen, wenn sie sich ernst genommen fühlen in ihren Nöten, Sorgen und in ihren Vorschlägen. "Wer einen gewissen Status erreicht hat, der wird auch dazu eingeladen, mit dem CIO über die Strategie in seinem Bereich zu sprechen", sagt Rebetzky. So zeigt ein Chef, dass er auf die Meinung seiner Mitarbeiter Wert legt.
Eine Informationskultur sollte aber auch in umgekehrter Richtung offen sein. "Wenn der Vorstand etwas beschließt, dann wird das auch den Mitarbeitern mitgeteilt. Nur so haben alle das Gefühl, dass sie am großen Ganzen mitarbeiten", sagt Schmitz.
Zeit für Ausnahmetalente
Hat ein Entscheider ein besonders talentierten Mitarbeiter rekrutieren können, kommt jede Menge Arbeit auf ihn zu: "Die Big Talents brauchen mehr Aufmerksamkeit", sagt Rebetzky. "Wenn man erkennt, dass jemand enorm viel Potenzial hat und ihn nicht verlieren möchte, dann sollte ich mir überlegen, ihn an meine Person zu binden", sagt Rebetzky. "Mit diesem Mitarbeiter sollte man einmal öfter einen Kaffee trinken gehen oder zum Mittagessen. Das ist anstrengend, aber es ist eines der effizientesten Mittel." Persönliche Bindung an Talente braucht besonderen Einsatz: "Das kann man auch mit besonderen Ereignissen, etwa Konferenzbesuchen oder bei Projekten verbinden", sagt Rebetzky. "Man nimmt den Mitarbeiter mit und verbringt automatisch mehr Zeit mit ihm."
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