Deutschlands Vorzeige-Discounter Aldi geriet zuletzt nicht mit seinem neuesten "Volks-PC" in die Schlagzeilen oder mit strategischen Entscheidungen über das Listen neuer Marken, sondern mit Privatem. Der Sohn des verstorbenen Firmen-Mitgründers streitet mit seiner Schwägerin. Eben um solche Auseinandersetzungen dreht sich die Studie "Firma, Familie, Führung - Leadership im Spannungsfeld von Gefühl und Geschäft".
Verfasser sind KPMG und das Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen der Zeppelin Universität. Die Studie basiert auf Einzelgesprächen mit 14 Familienbetrieben und einer schriftlichen Befragung von 85 solcher Unternehmen.
Gefühle, Macht und Gier
Das Wirtschaftsmagazin Capital spricht bereits von der "Aldi-Krankheit". Auch Oetker, Darboven, Tönnies und Müller seien infiziert. Zu den Symptomen zählten verletzte Gefühle ebenso wie Machtgerangel oder einfach Gier nach Geld. Dabei stehen alle Unternehmen ohnehin unter Druck, Stichworte sind digitaler Wandel und neue Wettbewerber.
"Wir müssen reden"
Die Analysten überschreiben ihre Studie mit "Wir müssen reden". Sie interessieren sich insbesondere für die Rolle von Emotionen beim Management von Familienbetrieben. Dass sich diese nicht immer negativ auswirken, zeigen positive Beispiele wie Trigema, Falke und Heraeus. These der Studienautoren: Gefühle und daraus resultierende Konflikte lassen sich managen. Sie plädieren für einen systematischen Ansatz, konkret für das Aufstellen einer Familienverfassung.
Je "interner" die Firmenleitung, desto unprofessioneller
Zunächst wollten die Studienautoren wissen, ob die Unternehmen nach dem Motto "Family first" oder "Business first" arbeiten. Resultat: je "interner" eine Geschäftsführung besetzt ist, umso stärker die Familienorientierung. Die Firmen neigen dann eher dazu, Familienangehörige unabhängig von Ausbildung und Erfahrung einzustellen. Sie lassen eher zu, dass Familienmitglieder betriebliche Ressourcen privat nutzen, und finden Loyalität wichtiger als Leistung. KPMG hält das für nachvollziehbar. Gleichzeitig kollidiert diese Haltung aber mit dem eigenen Anspruch der Familienunternehmer in puncto Professionalität. "Business first" sei ein Mythos.
Beispielsweise haben nur 73 Prozent der Befragten eine klare Aufgabenverteilung festgelegt und 58 Prozent definierte Entscheidungsprozesse implementiert. KPMG mahnt: "Je klarer die Aufgabenverteilung in der Geschäftsführung, desto höher der wirtschaftliche Erfolg."
3 Ratschläge für Familienunternehmen
Christoph Beumer, Regionalvorstand West Köln von KPMG und Partner im Bereich Audit, gibt Familienbetrieben drei Ratschläge:
Sowohl bei externen Geschäftsführern als auch bei geschäftsführenden Gesellschaftern werden vor dem Einstieg Geschäftsführerverträge abgeschlossen. Für familienexterne Geschäftsführer gilt dieselbe Befristung wie für Familiengeschäftsführer.
Verträge mit allen Geschäftsführern regeln nicht nur Rechte und Pflichten, sondern auch klare und gut messbare Kriterien zur Abberufung.
Wer Eigentum und Management bewusst trennt, erleichtert sich Diskussionen Entscheidungen. Familiäre und damit emotional heikle Themen bleiben eher dann außerhalb der Firma.
Hinter diesen Ratschlägen steht die Notwendigkeit einer funktionierenden Kommunikation innerhalb der Familien. Jeder muss über emotionale Verletzungen ebenso offen sprechen können wie über kritische geschäftliche Fragen. Dabei schlägt sich gerade in der Art des persönlichen Umgangs der gesellschaftliche Wandel nieder. Waren Familienbetriebe früher patriarchalisch organisiert, funktionieren sie heute kooperativ. Alle Familienmitglieder sollen sich beteiligen können.
Stammesorganisation und Großfamilie
Grundsätzlich unterscheiden die Studienautoren zwischen Stammesorganisationen und Großfamilien. Ein Stamm besteht demnach aus einzelnen Gesellschaftern, die sich aneinander binden, also ihre Anteile bündeln und gemeinsame Entscheidungen auf der Gesellschafterversammlung treffen. Gesellschaftsanteile kaufen und verkaufen oder vererben sie nur innerhalb des eigenen Stammes.
In der Großfamilie kann jedes Mitglied mitbestimmen und jeder Gesellschafter entsprechend seines Anteils am Familienunternehmen individuelle Entscheidungen auf der Gesellschafterversammlung treffen. Kompetenz und Fairness genießen beim Zugang zu Ämtern im Unternehmen oberste Priorität, nicht die Abstammung.
Stämme legen Regeln fest, Familien halten zusammen
Laut den Studienautoren arbeiten immer mehr Betriebe als Stamm. "Stämme sind organisierter als Großfamilien", schreiben die Studienautoren. Sie treffen etwa deutlich öfter Regeln für die Nachfolge. Dafür pflegen Familien die Kommunikation stärker und verabreden sich öfter zu gemeinsamen Wochenenden. Ihnen geht es stärker um den emotionalen Zusammenhalt.
Der 36-jährige Carl-Wolfgang Finck, Geschäftsführender Gesellschafter bei der RST Ingenieurbau GmbH in Thale, sagt über seine Erfahrungen: "Was macht eine Familie erfolgreich? Ich glaube, es sind unsere eigenen Werte und die Art, wie wir miteinander umgehen. Das Wichtigste ist die Familie - und nicht das Unternehmen. Wenn es dort zu Problemen kommt, muss das zuerst in der Familie geregelt sein, bevor wir uns über die Firma unterhalten."