Lufthansa Airplus CIO berichtet

Woran man schlaue CIOs erkennt

05.07.2012 von Andrea König
Eine Kienbaum-Studie zeigt, dass Unternehmen mehr Gewinn machen, wenn sie ihre IT schlau einsetzen. "Savvy" nennt das MIT-Professor Weill. Kienbaum-Berater bestätigen jetzt anhand deutscher Zahlen, dass der "IT-Savvy-Faktor" auch hierzulande zu mehr Profit führt.

Das IT-Budget von Heinz Plaga hat sich in den vergangenen vier Jahren verdoppelt. Doch was andere CIOs ins Träumen geraten lässt, bringt den IT-Chef von Lufthansa Airplus ins Schwitzen. Mehr als zehn Milliarden Euro haben die Finanzdienstleister aus Neu-Isenburg voriges Jahr umgesetzt. Vor 20 Jahren hat die Lufthansa-Tochter mit 35 Mitarbeitern angefangen, heute betreiben gut 1000 "Business-Travel-Manager" ihr Geschäft in 58 Ländern - aus zehn weltweit verteilten Büros. "Wir wachsen atemberaubend schnell, sowohl geografisch als auch mit unserem Produktangebot", so Plaga. "Genau das bringt uns Probleme."

Prozesse, Infrastruktur und Security treiben Plaga wie jeden anderen CIO um. Eine Extra-Portion Compliance kommt in seinem Fall zwar noch hinzu, doch was den Airplus-Manager wirklich besonders macht, ist sein "IT-Savvy-Faktor". Klug, schlau oder auch gerissen meint das englische Wort. Und wenn Peter Weill von "IT-savvy" spricht, meint der Professor vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) eine besondere Form von Schläue. Mehr als 1000 Unternehmen hat Weill an seinem "Center for Information Systems Research" untersucht, und siehe da: Wer IT geschickt einsetzt, verdient auch mehr Geld. Der IT-Savvy-Faktor korreliert hoch mit dem Gewinn eines Unternehmens. Weill predigt das seit drei Jahren, siehe "IT Savvy: What Top Executives Must Know to Go from Pain to Gain", erschienen 2009 bei McGraw-Hill Professional.

Anhand von fünf Kriterien misst der MIT-Professor, wie Unternehmen vom Schmerz (Pain) zum Gewinn (Gain) gelangen. Als "IT-Savvy" stuft er Firmen ein, wenn

Grafik: Rolle der IT - Durchschnittliche CIOs sind Versorger
Foto: Kienbaum

Leider fängt Weills Modell an dieser Stelle an, etwas komplex zu werden. Weill misst die fünf Kriterien anhand unzähliger Fragen mit jeweils 17 Antwortmöglichkeiten. Nichts, was ein operativ tätiger CIO nebenbei erledigt. Die Management-Beratung Kienbaum hat deshalb das CIO-Magazin beauftragt, eine eigene Studie durchzuführen, die weniger komplex überprüft, ob Weill auch in Deutschland recht hat. Erstes Ergebnis: "Unternehmen mit hohem IT-Savvy-Indikator haben einen um durchschnittlich 20 Prozent höheren Profit als ihre Wettbewerber in derselben Branche", erklärt Johannes Schlosser, Mitglied der Geschäftsleitung bei Kienbaum.

"Der CIO - zwischen Service Desk und Augenhöhe mit dem Business" heißt die Kienbaum-Studie, in der 63 IT-Verantwortliche in Deutschland Antworten auf die drei entscheidenden Fragen ihres Berufsstandes liefern:

SAVVY- FACTOR - Die öffentliche IT ist weit abgeschlagen

Foto: Kienbaum

Professor Peter Weill vom Massachusetts Institute of Technology misst anhand von fünf Kriterien, wie intelligent Unternehmen und Verwaltungen IT nutzen (siehe oben) "Savvy", also klug, schlau oder gerissen, sind Unternehmen dann, wenn sie auf seiner Skala über null liegen. Die Kienbaum-Berater haben sich die Mühe gemacht, ihre Umfrageergebnisse auf diese Skala umzurechnen. Demnach liegen die deutschen Firmen bei einem Mittelwert von 2,4. Führend in dieser Bewertung ist die Finanzbranche. Schlusslicht bildet der Public Sektor.

Die Rolle der IT

Zunächst zur Frage, wie Unternehmen Business und IT verzahnen, gerne auch als "Rolle der IT" diskutiert. Das Reizwort Rolle wühlt CIOs auch 25 Jahre nach Erfindung ihrer Berufes noch auf. So erklärt Heinz Plaga dann auch gleich mal kategorisch: "Ich halte nichts von der Aussage, dass die IT ein Enabler sei. Die IT ist das Business - und damit Bestandteil der Fachbereichsfunktion." Der Airplus-CIO kann sich derlei kernige Aussagen erlauben, denn in seinem Unternehmen gehört IT tatsächlich zum Produkt. Jeder fünfte Mitarbeiter ist IT-ler. Plaga steigt in der Kategorie "Partner des Business" folglich mit dem Höchstwert von sechs Punkten ein (vergleiche Grafik: Rolle der IT). Mehr geht nicht. Die Frage, wo Plaga in Zukunft mit seiner IT hinmöchte, erübrigt sich.

So binden IT-Schlaue ihr Business ein

PLANUNG - Die meisten CIOs leiten ihre IT-Strategie nur ab
Foto: Kienbaum

Andere CIOs tun sich da schwerer. Ihre Rolle als "Partner des Business" sehen deutsche IT-Chefs durchschnittlich bei 3,9 auf einer Skala von eins (gar nicht) bis sechs (sehr intensiv). Viel eher verorten sie sich als Versorger (Durchschnitt 4,6). Plaga kennt dieses Dilemma: "Als ich 2007 zu Airplus kam, wurde die IT auch noch als Dienstleister gesehen", erinnert sich der ehemalige Berater, der damals von Gartner zum Finanzdienstleister wechselte. Um das Bild vom reinen Serviceerbringer zu ändern, fuhr er gemeinsam mit seinem Vorgesetzten - einem früheren CFO - zur jährlichen Gartner-Konferenz nach Cannes. Dort erlebte sein Chef, dass IT mehr kann, als PCs, Netze und Speicher zu verdrahten. Diese Erkenntnis hat die meisten Vorstände noch lange nicht erreicht. Gerne reduzieren sie den CIO auf die Rolle des IT-Kosten-Senkers. Dieser fügt sich denn auch willig der Erwartung (3,7).

Weniger sehen sich deutsche CIOs in der Rolle des Optimierers von Prozessen (3,6) und am allerwenigsten als Treiber von Innovation (3,3). "Da besteht erhebliches Ausbaupotenzial", kommentiert Schlosser von Kienbaum. Unternehmen mit einem hohen IT-Savvy-Index - also jene aus dem oberen Drittel aller bewerteten Firmen - beherrschen die Rolle des Optimierers von Prozessen auffallend besser. Der Nachholbedarf lasse sich auch aus der Frage ablesen: "Welche Rolle sollte Ihrer Meinung nach die IT-Organisation innehaben?" Hier wollen sich alle Befragten jeweils um rund einen Punkt auf der Skala verbessern. Beispiel Airplus: Plaga sieht sich derzeit bei vier von sechs Bewertungspunkten und würde gerne in Richtung sechs: "Wenn man so stark wächst wie wir, besteht Nachholbedarf in der Organisation von Prozessen." Guter Vorsatz. Nur wie umsetzen?

So bauen IT-Schlaue ihre Strategie

Johannes Schlosser Mitglied der Geschäfts¬führung bei Kienbaum: "Unternehmen mit einem hohen IT-Savvy-Indikator haben einen um durchschnittlich 20 Prozent höheren Profit."
Foto: Kienbaum

Im Durchschnitt halten alle Teilnehmer der Kienbaum-Studie die Ableitung einer IT-Strategie aus der Geschäftsstrategie für den besten Weg zur Ausrichtung der IT (4,5 von 6 Punkten). Anders ist das bei Teilnehmern mit hohem IT-Savvy-Index: "Aus Sicht der Outperformer ist der wirkungsvollste Mechanismus die integrierte Investitionsplanung, dicht gefolgt von der integrierten Entwicklung von Business- und IT-Strategie", sagt Sven Schatteburg von Kienbaum. Auch Airplus-CIO Heinz Plaga findet diese beiden Mechanismen besonders wirkungsvoll und bewertet sie mit sechs von sechs möglichen Punkten.

Ebenso viele Punkte vergibt er allerdings auch an integrierte Innovationsteams, die Expertise aus verschiedenen Bereichen bündeln. Und an die Entwicklung einer autarken IT-Service-Strategie: "Die IT kann viel allein machen. Hier verlangsamt eine unnötige Abstimmung mit dem Business nur die Einführungs- und Umsetzungsgeschwindigkeit."

Wenig hält Plaga von geschäftsorientierten IT-Berichten, die Leistungen der IT zielgruppenspezifisch beschreiben: "So etwas ist schwer zu erstellen und kostet viel Geld. Besser fände ich einen Bericht, in dem der Business-Verantwortliche über den Nutzen seiner IT-Investitionen berichtet." Für komplett wirkungslos hält Plaga Top-down-Ansätze sowie von Beratern vorgegebene Maßnahmen. "Das funktioniert beides nicht, weil es dafür keine Akzeptanz im Unternehmen gibt", sagt Plaga. Besser sei es, wenn die Verantwortung im Unternehmen getragen wird und der Berater mit seinem Methodenwissen zuarbeitet.

"Unter den Studienteilnehmern herrscht Einigkeit darüber, dass strategische Geschäftsanforderungen, Vision, Mission, ein Serviceportfolio sowie ein Masterplan strategischer Initiativen wichtige Bestandteile einer IT-Strategie sind", sagt Johannes Schlosser. Doch alle Theorie ist grau. Plagas Erfahrung nach werden die meisten Strategien gar nicht umgesetzt. Damit genau das bei Airplus nicht passiert, treffen sich einmal im Monat alle IT-Führungskräfte im Strategie-Board. Wer sich nicht die Zeit nehme, an der IT-Strategie zu arbeiten, lasse sie verkommen, findet Plaga. Dagegen steuert auch das von ihm ins Leben gerufene IT-Business-Komitee. Alle zwei Monate tauschen sich dort Geschäftsführung, Fachbereiche und IT drei Stunden lang zu IT-Themen aus.

So treiben IT-Schlaue Innovationen

Heinz Plaga, CIO bei Lufthansa Airplus.
Foto: Lufthansa Airplus

Mehr als 70 Prozent der von Kienbaum befragten CIOs suchen nach neuen Ideen: "Produkt- und Serviceinnovationen erleichtern Kunden das Leben", bestätigt der Airplus-CIO. "Unser Geschäft lebt von Schnelligkeit und der Aufgabe, das Bezahlen so angenehm wie möglich zu machen." Der Consumer-Markt treibe die Finanzdienstleister stark an, und das sei gut so, findet Plaga. Das Airplus-Management bewertet Innovationen hoch, eine der sechs in der Unternehmensstrategie festgehaltenen Kennzahlen ist die Anzahl neuer Ideen. "Airplus hat Innovation in den Genen", meint Heinz Plaga. Doch sie sei die Aufgabe von allen: Die IT sei nicht "der" Innovationstreiber, sondern der Unternehmensbereich, der Innovationen ermögliche.

Ein wenig zieht er sich dann in die Rolle eines Security-Verantwortlichen zurück: "Wenn in der IT etwas nicht funktioniert, betrifft das alle." Das sei bei einem Finanzdienstleister besonders weittragend: "Das durch und durch digitale Geschäft von Airplus ist auch noch hochkomplex mit Flugbuchungs-, Reisebürosystemen und Systemen von Autovermietungen vernetzt." Themen wie Mobility und Collaboration werden trotzdem noch mehr Raum auf der Agenda von Plaga einnehmen. "Ich hoffe, dass das Thema Innovation bei weiterem Wachstum nicht verloren geht. Es beflügelt unsere Unternehmenskultur, die Mitarbeiter haben Spaß und fühlen sich ernst genommen", sagt Heinz Plaga.

Der Savvy-Faktor nach Branchen

Professor Peter Weill vom Massachusetts Institute of Technology.
Foto: Massachusetts Institute of Technology

Zurück zu Peter Weill und seinem IT-Savvy-Faktor: Schlosser und sein Team haben sich die Mühe gemacht, ihre Zahlen auf die Skala des MIT-Professors umzurechnen. Im Durchschnitt erreichen deutsche Unternehmen demnach einen IT-Savvy-Faktor von 2,4. Besonders schwach schneiden Organisationen aus dem öffentlichen Sektor ab, ihr Wert liegt bei minus zwölf: "Das könnte unter anderem darin begründet sein, dass eine intelligente IT-Steuerung nur im Wettbewerb wächst und dem öffentlichen Sektor genau dieser Wettbewerb abgeht", vermutet Johannes Schlosser.

Besser schneiden Unternehmen der produzierenden Industrie ab, sie erreichen im Mittel einen Indikator von 6,6: "Offenbar haben sie im Wettbewerb gelernt, IT intelligent zu nutzen", glaubt der Kienbaum-Experte. Einen auffallend hohen IT-Savvy-Wert von zehn Punkten haben Banken und Versicherungen, zu denen auch Finanzdienstleister wie Airplus zählen. "Das ist aufgrund des seit Jahrzehnten sehr IT-gestützten Geschäftsmodells nicht verwunderlich", sagt Schlosser.

Unternehmenszahlen der Lufthansa Airplus

Airplus bietet Firmenkarten, -konten und Informationssysteme an, mit denen Unternehmen eine bessere Kontrolle über Reisebudgets bekommen.

Unternehmen

Lufthansa Airplus

Hauptsitz

Neu-Isenburg

Umsatz

10,4 Milliarden Euro (2011)

Mitarbeiter

1024

IT-Kennzahlen

CIO

Heinz Plaga

IT-Mitarbeiter

ca. 200