Stress-Abbau

Work-Life Balance ist nicht die Lösung

23.04.2024 von Oliver Erbe
Mitarbeiter müssen lernen, die beiden Lebensbereiche "Work" und "Life" nicht als Gegensätze zu sehen. Ziel sollte sein, diese Elemente zu balancieren und optimal damit haushalten. Wie das geht, zeigt dieser Beitrag.
Aufgrund ihrer jahrelangen Erfahrung beobachten Coaches immer wieder, dass Mitarbeiter unnötigerweise ihr Leben in einen dunklen Teil "Work" und einen hellen Teil "Life" einteilen, was auf Dauer nicht zufrieden machen kann.
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Man hört und liest viel über die Themen wie "Selbstführung", "Mental Health", "Resilienz", "Inner World". Wir sind auf der Suche nach Hilfestellungen, um mit den heutigen Anforderungen besser umgehen zu können. Eine aktuelle Studie der Techniker Krankenkasse zeigt auf, dass ein Drittel der Deutschen sich manchmal gestresst fühlen und ein Viertel haben dieses Gefühl sogar häufig.

Die AOK zeigt in ihrer Gesundheitsstudie von 2023, dass Stress als Ursache psychischer Erkrankungen von Jahr zu Jahr stark steigt. Um nicht selbst Teil dieser Statistiken zu werden (oder wieder rauszukommen) sowie gesund und ausgeglichen zu sein, sollte man also etwas tun - die mentale Gesundheit muss priorisiert werden.

Schwarz-Weiß oder Work-Life?

Als Coach für Führungskräfte habe ich in den letzten Jahren unterschiedlichste Menschen in verschiedensten Positionen und Verantwortungsbereichen kennengelernt. Für nahezu alle ist Stress ein Thema, dass sie besser managen wollen. Sie fühlen sich oftmals erschöpft, unkonzentriert, reizbar, energielos und unzufrieden. Meistens haben die Betroffenen auch schon eine Lösung, die sie umsetzen wollen: "Ich muss meine Work-Life-Balance verbessern."

In den vielen Gesprächen gewann ich zunehmend den Eindruck, dass "Work" als die dunkle Seite der Macht und "Life" als das "Paradies" verstanden wird. Eine Haltung, die in der Regel nicht der Realität entspricht und für das Stress-Management nicht hilfreich ist. Nicht selten wird vom Privatleben erzählt, von dem Haus, das gerade gebaut wird, den schlaflosen Nächten als junge Mutter oder Vater, dem Krankheitsfall in der Familie, Probleme in der Partnerschaft u.v.m.

Work ist nicht die dunkle Seite des Lebens

Auf der "anderen Seite" arbeitet man für eine anerkannte Marke, die viele begeistert. Man hat gerade eine komplizierte Aufgabenstellung lösen und die Software an den Kunden verkaufen können. Man ist vielleicht in ein neues Team versetzt worden und konnte sich gut einbringen und integrieren.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob wirklich "Life" ausschließlich Erholung und Energie bringt und "Work" ausschließlich unsere Ressourcen verbraucht. Vielen meiner Klienten hat es geholfen, diese Haltung zu reflektieren und zu klären, was wirklich in der "Balance" sein muss beziehungsweise in einem gesunden Verhältnis.

Welche Balance hilft wirklich?

Unsere Widerstandsfähigkeit gegenüber Stress ist sehr individuell. Sie hängt von Persönlichkeitseigenschaften (Traits), von erlernten Verhaltensweisen mit Stress umzugehen (Habits) und von unserer aktuellen mentalen Verfassung (State) ab.

Unsere Persönlichkeit ist uns mitgegeben und letztendlich eingeschränkt veränderbar. Aber wir haben viele Möglichkeiten, Verhaltensweisen zu erlernen und Verantwortung für unsere eigene Verfassung zu übernehmen.

So lernt man seinen Energiehaushalt kennen

Ich nutze im Coaching gerne das FiRE-Modell (Factors improving Resilience Effectiveness®), um meine Klienten dabei zu unterstützen, ihre Krisenstabilität zu stärken. Basierend auf einer Vielzahl unterschiedlicher Studien, schlägt dieses Modell verschiedene Handlungsfelder vor, die Einfluss auf unsere Widerstandsfähigkeit haben.

Ein Handlungsfeld ist beispielsweise das persönliche Energiemanagement. Wie "haushalte" ich meine Energie? Wie genau weiß ich, was meine "Batterie" belastet und was sie füllt, und wie berücksichtige ich dies in meinem Alltag? Beim Energiemanagement eine Balance zu finden ist wesentlich, da man sonst dauerhaft auf "Reserve" läuft und in dieser Verfassung keinen Ausweg findet.

Energieverbraucher reduzieren

Es gibt viele Auslöser, die uns Energie rauben, wie zum Beispiel Informationsüberflutung, Sinn-Vakuum der Tätigkeiten, Arbeitsverdichtung, fehlende soziale Beziehungen und ständige Erreichbarkeit. In meiner Coaching-Praxis höre ich oft folgende Aussagen:

Natürlich ist es wichtig genug "Life"-Zeit zu haben, um Ausgleich für die Arbeit zu schaffen, anderes zu erleben, sich zu erholen und Energie zu tanken. Aber würde das bei diesen drei Punkten wirklich helfen? Was meine Coachees sich nach unseren Gesprächen oftmals vornehmen, ist:

Eigene Wirksamkeit bewusst machen

Wenn ich morgens mit einer Liste von To-Dos den Arbeitstag starte und abends davon kaum etwas geschafft habe, fühle ich mich unwirksam und dadurch unzufrieden, meine Batterie wird belastet. Das ist auch der Grund, warum viele in ihrer Freizeit im Garten arbeiten oder handwerklich aktiv sind. Man sieht, was man geschafft hat, und kann es anfassen.

Aber woran liegt es, dass die Liste abends fast unverändert ist? Viele Themen kommen im Laufe des Arbeitstages ungeplant hinzu, haben hohe Priorität und stören den gedachten Ablauf - man muss den ursprünglichen Tagesplan verlassen. Wenn diese Themen objektiv wichtig sind, so dass man sie weder negieren, terminieren oder delegieren kann (dies ist allerdings sehr kritisch zu reflektieren), dann hilft häufig:

Im "Driver- Seat" bleiben

Nun sind nicht alle unplanbaren Themen so wichtig, dass man alles stehen und liegen lassen muss und sie zur Tagesaufgabe gehören. Um am Ende einer Arbeitswoche nicht das energieraubende Gefühl zu haben, fremdgesteuert durch die Projekte "navigiert" und seinen Fokus verloren zu haben, nehmen sich meine Kunden nach den Gesprächen oftmals folgendes vor:

Sinn finden

Oft sprechen wir im Coaching über Aufgaben und Prozesse, die uns ärgern, weil der Sinn und Zweck dahinter unklar ist. Sinnhaftigkeit ist ein wichtiger Faktor für unsere Zufriedenheit und damit unsere Stabilität. Aber was mache ich mit der Excel-Tabelle, die ich regelmäßig aktualisieren muss, ohne zu wissen warum. Was man sich in diesen Fällen fragen kann, ist:

Energie aufladen

Neben dem bewussten Umgang mit den Themen, die uns während der Arbeit Energie rauben, ist es ebenso wichtig, regelmäßig "aufzutanken. Was wissen Sie über sich, was Ihnen guttut? Was muss beispielsweise täglich passieren, damit Sie ausgeglichen sind? Wenn Ihnen das bekannt ist, sollten dies nichtverhandelbare Aktivitäten sein und absolute Priorität haben. Was ich von meinen Kunden als wirksame nichtverhandelbare Dinge kennengelernt habe sind:

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