Social Media als Marketing-Werkzeug - wer denkt da nicht erst einmal an Facebook- und Youtube-Kampagnen mit den Stars der Unterhaltungsindustrie? Oder an ein modernes Vehikel für die immer selben, alten Werbebotschaften? Der Elektrowerkzeug-Hersteller Fein hingegen nutzt die Social-Media-Kanäle vorwiegend, um mit den Endkunden zu kommunizieren. Zu denen nämlich hat das Traditionsunternehmen wegen seines indirekten Vertriebsmodells wenig Kontakt: Die Fein-Werkzeuge werden ausschließlich über den Fachhandel an den Profi gebracht.
Das Marketing unter der Leitung von Nadine Lillich beschloss vor etwa drei Jahren, lokale Social-Media-Plattformen aufzubauen, über die sich Kunden direkt an den Anbieter wenden können. Für den Fall, dass sie einmal Probleme haben oder Feedback zum Einsatz der oft erklärungsbedürftigen Fein-Werkzeuge geben wollen. Der Unterhaltungsaspekt trat dabei erst einmal in den Hintergrund - getreu dem Motto: "Seid nützlich!"
Mit Sven Golob wurde 2012 ein Social-Media-Experte an Bord geholt, der sich mit den technischen Aspekten des Thema auseinandersetzte. Ziemlich schnell wurde klar, dass die steigende Anzahl von Kanälen und Nutzern nicht mehr mit der Hand am Arm zu managen war. Derzeit betreibt Fein mehr als 30 Social-Media-Kanäle in 13 Ländern mit mehr als einer Viertelmillion Transaktionen pro Woche.
Fein(e) Werkzeuge: Das Unternehmen in Daten und Fakten
Wilhelm Emil Fein gründete 1867 das Unternehmen, das heute C. & E. Fein GmbH heißt.
Mit der elektrischen Handbohrmaschine wurde bei Fein im Jahr 1895 das erste Elektrowerkzeug erfunden.
Nach eigenen Angaben verfügt das Unternehmen über mehr als 800 aktive Schutzrechte.
Das schwäbische Traditionsunternehmen bezeichnet sich selbst als "Elektrowerkzeugmanufaktur".
Stolz ist es auf seine "extrem zuverlässigen" Werkzeuge, die von Industrie und Handwerk, aber auch von ambitionierten Heimwerkern genutzt werden.
Hauptsächlich im Inland produziert das Unternehmen "Anwendungslösungen" für die Marktsegmente Metall, Ausbau und Automobil.
Fein ist jedoch in 20 Ländern mit Niederlassungen präsent, darunter USA und China.
Das Unternehmen beschäftigt insgesamt 900 Mitarbeiter, davon 530 in Deutschland.
Die richtige Flughöhe
Bei der Auswahl des Tools kam Golob der Zufall zu Hilfe. Er hatte bereits die einschlägigen Social-Marketing-Werkzeuge unter die Lupe genommen - und festgestellt, dass die designierten Nutzer damit möglicherweise überfordert wären. Denn neben den Social-Media-Aktivitäten erledigen sie durchweg noch andere Aufgaben. "Ich kann nicht darauf setzen, dass jemand davon befreit wird, um sich in ein Tool einzuarbeiten", sagt der Social-Media-Experte.
In die Entscheidungsphase hinein platzte ein Vertriebsmitarbeiter des dänischen Anbieters Falcon Social. Der warb nicht nur mit dem Funktionsumfang der "Falcon"-Suite, die Werkzeuge für das Kunden-Engagement, das soziale Marketing und das Reporting anbietet. Vielmehr machte er Golob mit dem Versprechen "intuitiver Bedienbarkeit" den Mund wässrig.
Offenbar hielt das Tool im einmonatigen Praxistest, was der Verkaufsprofi in der Kaltakquise versprochen hatte. "Da stimmt einfach die Flughöhe", so Golob zur Bedienerfreundlichkeit und Überschaubarkeit der Tools.
Dem Social-Media-Experten bei Fein gefällt auch die schnelle Reaktion des Anbieters auf Anfragen von Kundenseite. Das gebe ihm das Gefühl, direkten Einfluss auf die Weiterentwicklung nehmen zu können. Trotz der schnell getakteten Umsetzungsphasen habe er aber nie den Eindruck einer "Permanent Beta".
Anwenderkompetenz gepaart mit Humor
Wie ein Blick auf den deutschen Facebook-Auftritt bestätigt, steht immer noch die "Nützlichkeit" im Vordergrund des Social-Media-Engagements. Aber inzwischen kommt auch die Unterhaltung nicht mehr zu kurz. Wie Golob erläutert, geht es darum, Anwenderkompetenz rüberzubringen - jedoch mit dem nötigen Humor.
Um die Fragen der Endkunden zu beantworten, ist schon solides Fachwissen nötig. Deshalb vertraut Fein die Inhalte auch lieber den eigenen Mitarbeitern an als einer Agentur. Die mag sich mit der Web-Technik auskennen, doch sie verfügt nicht über so viel Werkzeug-Know-how wie das Produkt-Marketing-Team, das die meisten "Sozialarbeiter" stellt.
Mit den Falcon-Werkzeugen verschaffen sich Golob und sein Team einen Überblick über alle Social-Kanäle - hinsichtlich externer Posts und eigener Beiträge. Das "Unified Dashboard" der Lösung hilft bei Planung und Publishing der Inhalte, die Fein seinen Endkunden vermitteln will. Ein feingranulares Berechtigungssystem stellt sicher, dass nur autorisierte Mitarbeiter Inhalte veröffentlichen und verändern können.
Das Monitoring der sozialen Kanäle lässt sich mit den Tools ebenfalls vereinfachen. Allerdings traut Golob nicht allen Funktionen über den Weg. Auf eine automatische Sentiment-Analyse, wie das Falcon-Toolset sie ebenfalls biete, wolle er sich beispielsweise nicht verlassen. Die sei zu ungenau. "Hier hilft letztlich nur Zuhören", bekennt der Social-Media-Experte. So verbringe er vier Fünftel seiner Arbeitszeit damit, die Kanäle zu beobachten.
Zudem kümmert sich Golob um die meisten Anfragen, die am Wochenende oder abends hereinkommen. Mit den gefürchteten Shitstorms hat Fein noch keine Erfahrung machen müssen. "Handwerker sind sehr genau, aber nicht unbedingt auf Konflikte aus", erläutert Golob.
Von der Begeisterung zur Strategie
Die Tools sind inzwischen in einem Dutzend Länder ausgerollt und wurden dort nach kurzem Training rasch genutzt - von mittlerweile 22 Mitarbeitern. So positiv dieses starke Interesse an Social Media zu bewerten ist, so schwierig gestaltet sich das Management der vielen Präsenzen. Laut Golob bespielt Fein allein 20 verschiedene Youtube-Kanäle. Deshalb stehen die Zeichen derzeit auf Konsolidierung und Zentralisierung.
Wie bei neuen, aufregenden Techniken üblich, hatte sich offenbar auch das Fein-Marketing von der ersten Begeisterungswelle hinwegtragen lassen. Es gab einen "groben Plan", so Golob, doch auf den anrollenden Social-Media-Zug seien damals auch einige Niederlassungen aufgesprungen, die in Sachen Organisation, Prozesse und Skills noch nicht so weit waren wie andere.
Wenn Lillich und Golob neu anfangen könnten, würden sie systematischer vorgehen, sagen sie. Sie würden "A-Länder" wie Großbritannien, Frankreich und die USA vor den anderen ins Boot holen. Stattdessen sei "das Pferd ein wenig vom Schwanz aufgezäumt" worden, wie die Marketing-Chefin einräumt. Nun gilt es, die Social-Media-Strategie diesem Status quo überzustreifen.
Die Sinnfrage muss gestellt werden
Wozu aber überhaupt eine Strategie? - In dem Maße, wie Social Media wichtiger für den Unternehmenserfolg werden, stellt sich laut Golob die "Sinnfrage": Welche Ziele verfolgen wir als Unternehmen, als Marketing-Bereich, als Social-Media-Experten? Wie gestalten wir unser Engagement für den Kunden? In welchen Ländern müssen wir uns auf welchen Plattformen positionieren? Welche Medien nutzen unsere Kunden dort? Welche Reichweite peilen wir an? Welche Services müssen wir anbieten? Und wo setzen wir die Prioritäten?
Die Social-Media-Strategie solle sich in direkter Linie aus der Markenstrategie und damit letztlich aus der Unternehmensstrategie ableiten, sagt Lillich: "Wir müssen quasi unseren Markenkern auf die Social-Media-Ebene herunterbrechen." Damit bezieht sie sich auf die neun festgeschriebenen Unternehmenswerte. Die sind in der Eingangshalle der Firma sowie auf der Website ausgestellt und reichen von "anwendernah" bis "unverwüstlich".
Bei der Strategiefindung war Falcon Social behilflich. Der Tool-Anbieter hatte im Lauf des vergangenen Jahres eine eigene Strategieberatung auf die Beine gestellt - noch eine dieser Koinzidenzen, die offenbar das Verhältnis zwischen Fein und Falcon Social begleiten.
Zusammen mit der Fein-Geschäftsführung hat das Marketing nachprüfbare Kennzahlen entwickelt, die sich mit Hilfe der Falcon-Werkzeuge ermitteln und analysieren lassen. So ist die Übereinstimmung zwischen Social-Media- und Unternehmensstrategie konkret belegbar.
Dänische Cloud ist für den CIO in Ordnung
Diese KPIs und das auflaufende Datenmaterial interessieren auch den CIO des Unternehmens, Otto-Max Herbstritt. "Wir überlegen uns schon, was wir künftig mit den Daten machen können, wie wir sie beispielsweise ins CRM rüberbringen", sagt er. Der IT-Bereich mache sich ja ebenfalls Gedanken, wie man näher an den Endkunden herankomme.
In das eigentliche Projekt war die IT allerdings nur mittelbar involviert. Die Software läuft zwar auf der internen IT-Infrastruktur, aber die Projektmitarbeiter kommen alle aus dem Marketing- und Vertriebsumfeld. Allerdings seien die Entscheidungen zwischen Marketing und IT abgesprochen worden, versichern beide Seiten. Das gilt vor allem für den Beschluss, auf eine Cloud-Lösung zu setzen. Wäre der Anbieter in den USA ansässig, hätte Herbstritt wohl sein Veto eingelegt. "Aber Europa ist in Ordnung", so der CIO.
Zentral, aber keine Einbahnstraße
Parallel zur Konsolidierung der Kanäle treiben Lillich und Golob die Zentralisierung bestimmter Aktivitäten voran. So werden "Templates" für die zu veröffentlichenden Inhalte von Bargau aus bereitgestellt, also vor Ort nur noch angepasst. Auf diese Weise spart man sich doppelte Arbeit und sorgt gleichzeitig für einheitliche Außenwirkung hinsichtlich Information und Tonalität. Eine Einbahnstraße soll das allerdings nicht sein, beteuert Golob: "Die anderen Länder können auch etwas in den Content-Pool einspeisen." Allerdings würden die Inhalte vor der Veröffentlichung "gefiltert". Und wie? - Der Filter sei meistens er selbst, sagt der Social-Media-Experte.