Checkliste nachhaltiges Outsourcing

Zielkonflikte beim Outsourcing

02.05.2012 von Alexander Müller-Herbst
Nur Leistung und Preise zählen beim Outsourcing, dagegen spielt Nachhaltigkeit noch kaum eine Rolle. Wie CIOs das ändern können, erklärt Alexander Müller-Herbst von Compass in seiner Kolumne.
Alexander Müller-Herbst ist Partner und Managing Director bei der Compass Deutschland GmbH.
Foto: Information Services Group Germany GmbH

Einerseits erfreut sich Corporate Social Responsibility (CSR) zunehmender Aufmerksamkeit. Einige aktuelle Beispiele: Im April fand das achte Deutsche CSR-Forum statt, das auch den Deutschen CSR-Preis verliehen hat. Gerade ist die "Woche der Nachhaltigkeit" in Stuttgart zu Ende gegangen, an der sich mehr als 200 Firmen beteiligen. Auf der jüngsten Hannover Messe wurde erstmals mit der Leitmesse "IndustrialGreenTec" eine Plattform für sämtliche Umwelttechnologien entlang der industriellen Wertschöpfungskette geschaffen.

Die vier Spitzenorganisationen der deutschen Wirtschaft - BDA, BDI, DIHK und ZDH - betreiben gemeinsam das Inter-netportal "CSR Germany", wo sie CSR als ein prioritäres Thema einordnen, definiert als "ein Konzept gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen, das sich am Prinzip der Nachhaltigkeit orientiert und sich auf die Bereiche Ökonomie, Ökologie und Soziales erstreckt".

Fast 140 Best-Practice-Initiativen werden hier bereits vorgestellt - sowohl bei Mittelständlern als auch internationalen Konzernen. Neben solchen freiwilligen Initiativen zeichnen sich zudem neue gesetzliche Regeln ab, wie etwa die geplante "EU-Strategie (2011-2014) für die soziale Verantwortung der Unternehmen".

Kein Green-Projekt, weil Gesamtstrategie fehlt

Andererseits treten in konkreten Entscheidungen immer wieder Zielkonflikte mit klassischen Kenngrößen wie Kostensenkung, Effizienzsteigerung, Prozessoptimierung auf, die häufig zu Lasten des Themas CSR ausgehen. So haben laut einer Studie des Branchenverbands Bitkom vom März dieses Jahres 40 Prozent der befragten Unternehmen Schwierigkeiten, Green Business-Vorhaben umzusetzen, insbesondere weil ihnen eine Gesamtstrategie fehlt.

Warum Corporate Social Responsibility (CSR)?

Für CSR sprechen sicherlich viele ethische und umweltpolitische Gründe, aber ebenso handfeste wirtschaftliche Argumente. Wenn man sich dies bewusst macht, sind Zielkonflikte leichter zu lösen. Vor allem zwei Aspekte sind auf der Business-Seite zu betrachten: Der Beitrag zur Wertsteigerung des Unternehmens und das Vorbeugen von Risiken.

1. CSR kann zur Wertsteigerung des Unternehmens beitragen

Das Portal CSR Germany schätzt, dass sich allein in Deutschland mittlerweile 30 Prozent der Konsumenten mit nachhaltigem Lebensstil identifizieren. In dem Maße, in dem dieses Thema an gesellschaftlicher Bedeutung gewinnt, beeinflusst es auch direkt den Markterfolg von Produkten - zuerst im B2C-, dann auch im B2B-Bereich. In beiden Sektoren sind denn auch zahlreiche Nachhaltigkeitsstandards und Labels entstanden. Der zitierten Bitkom-Studie zufolge messen heute drei Viertel der deutschen Unternehmen "Green Business" eine hohe Bedeutung für ihren zukünftigen Erfolg und ihre Wettbewerbsfähigkeit bei. Hinzu kommen direkte Kosteneinsenkungen durch den sparsameren Einsatz von Ressourcen.

Ein aktuelles Beispiel liefert Facebook: Das Unternehmen hat angekündigt, dass es für Europa eine Serverfarm in hohen Norden - in Schwenden, knapp unter Polarkreis - aufbauen will, um die Energieaufwendungen zu reduzieren. Das bringt neben direkten Kosteneinsparungen auch Imagegewinne, gerade bei der für Facebook wichtigen Zielgruppe der jungen Generation.

2. CSR trägt zur Risikovermeidung bei

Die wachsende Akzeptanz von CSR im Markt verstärkt umgekehrt bei Verstößen die Risiken. Unternehmen sollten deshalb Umwelt- und Sozialstandards vermehrt in Rechnung stellen. Entsprechende Diskussionen können sehr plötzlich hochkochen. So sahen sich vor kurzem Hersteller von elektronischen Endgeräten wegen unakzeptabler Arbeitsbedingungen einiger Zuliefererfirmen in Fernost unvermittelt starker Kritik ausgesetzt.

Der drohende Imageschaden beeinträchtigt nicht nur Marktanteile, sondern auch das Employee Branding, das gerade für Unternehmen der High-Tech-Branche - vor dem Hintergrund des zunehmenden Wettbewerbs um hochqualifizierte Fachkräfte - immer wichtiger wird. Eine CSR-Strategie ist deshalb auch ein essentieller Teil des Risikomanagements.

Zielkonflikte im IT-Outsourcing

Betrachten wir nun näher das Thema Nachhaltigkeit in der IT. Diese hat hier eine Doppelrolle inne: Zum einen ist sie eine Querschnittstechnologie, um ressourcenschonende Verfahren in der Wertschöpfungskette umzusetzen - Stichwort "Green Business". Zum anderen ist sie selbst Gegenstand von Initiativen zur Ressourcenschonung, insbesondere im Rechenzentrum - Stichwort "Green IT". Schätzungen zufolge ist sie international für etwa zwei Prozent des Stromverbrauchs der industrialisierten Länder verantwortlich.

Vor einigen Wochen führte CIO.de ein interessantes Interview mit Hans-Joachim Popp, CIO des Zentrums für Luft- und Raum-fahrt (DLR), der die Jury des in diesem Jahr zum dritten Mal ausgeschriebenen "Green IT Best Award" leitet. Als Gründe für den zurückhaltenden Einsatz energie- und ressourcensparen-der IT-Techniken nannte er unter anderem Zielkonflikte und mangelnde Zeit des CIOs, sich im Alltag solchen Aufgaben mit der nötigen Aufmerksamkeit zu widmen.

Zudem bildeten sich aussagekräftige Energie-Label derzeit erst heraus. Er äußerte die Erwartung, dass diese dann auch den Ausschreibungen zugrunde gelegt würden; schon heute enthielten die meisten Ausschreibungen für RZ-Renovierungen und Neubauten klare Energieobergrenzen.

Dieser Trend mag für die kaptive IT zutreffen, wo Energieeinsparungen auch den Unternehmen direkt zu Gute kommen. Beim Outsourcing spielt CSR allerdings noch kaum eine Rolle. Der Auftraggeber hat wenig Einfluss darauf, welche Infrastruktur der Dienstleister einsetzt, und meist legt er darauf auch wenig Wert. Dass er mit dem Outsourcing zwar die Verantwortung für das Thema delegiert, aber trotzdem in den Augen der Öffentlichkeit dafür in Haftung genommen werden kann, ist in den meisten Projekten noch kein Thema.

Beim Outsourcing geht es primär um Leistungen und Preise

Die Ziele von Outsourcing-Vorhaben betreffen heute primär die Leistungen und Preise - wobei es gerade bei Infrastruktur-Services darum geht, entweder weniger für den gleichen Service zahlen oder besseren Service für das gleiche Geld zu erhalten -, ebenso die Verbesserung von Prozessen, mehr Transparenz (was ist tatsächlich an Leistung erbracht worden?), die Modularisierung des Einkaufs und den Übergang vom Single- zum Dual- oder Multi-Vendor-Modell. Das Thema CSR/Nachhaltigkeit liegt noch weit unter fünf Prozent.

Der IT-Dienstleister wiederum steht meist in einem Zielkonflikt. Zwar könnte er durch Energieeinsparungen oftmals seine Kosten senken und damit auch Services günstiger anbieten. Andererseits ist er angesichts der Bedeutung der IT für kritische Geschäftsprozesse bei Verfügbarkeit, Performance und Sicherheit strengen SLA-Vorgaben mit Pönalien unterworfen. Deshalb verlässt er sich doch eher auf bewährte Technologien.

Schon allein subjektives Gefühl führt zu Kundenbeschwerden

Ein Beispiel: Durch Anpassung der Taktraten und der Last auf dem Server an den jeweiligen tatsächlichen Bedarf könnte der Provider Strom sparen. Da aber bereits das subjektive Gefühl fehlender Performance oft zu Kundenbeschwerden führt, will er eventuelle Diskussionen über Einschränkungen durch solche neuen Maßnahmen meist erst gar nicht aufkommen lassen und fährt die Maschine lieber weiterhin unter voller Last.

Hans-Joachim Popp zog in dem genannten Interview angesichts solch eher konservativen Verhaltens von IT-Verantwortlichen den Schluss, "die größte Bremse ist der fehlende Mut". Das ist sicher ein nicht zu vernachlässigender Aspekt. Aber zugleich ist Nachhaltigkeit eine Frage der richtigen Strategie.

In der Bitkom-Studie nannten die Unternehmen, die bei der Umsetzung von Green-Business-Projekten scheitern, als Komponenten einer fehlenden Gesamtstrategie vor allem mangelnde Koordination, unklare Zuständigkeiten, zu wenig Management-Unterstützung sowie das Fehlen eines Verantwortlichen für CSR-Projekte. Dies alles sind klassische Themen des Innovationsmanagements.

CSR ist nichts anderes als eine tiefgreifende Innovation. Die grundsätzliche Entscheidung, ob es dieses Thema angehen will, muss ein Unternehmen treffen. Der Erfolg bei der Umsetzung wird aber deutlich größer, wenn auf beiden Seiten der Outsourcing-Beziehung Leading Practices des Innovationsmanagements genutzt werden.

Innovationsmanagement beim Outsourcing

CSR als Business-Innovation managen. Innovationen sind Inventionen (Erfindungen), die sich in den realen Unternehmensprozessen durchsetzen. Technische Entwicklungen, die Nachhaltigkeit fördern, gibt es mittlerweile viele, vor allem für Green IT. Die wesentliche Herausforderung besteht, wie oben ausgeführt, nun darin, sie in der Praxis anzuwenden. CSR ist also vor allem eine Business-Innovation. Als solche benötigt sie ein konsequentes Change Management.

Zunächst sollte die IT-Strategie unter Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten definiert werden. Zur Vorbereitung der Entscheidung sollten Business-Treiber identifiziert werden, etwa Imagegewinne, Sicherung oder Steigerung von Marktanteilen, Compliance mit Kundenanforderungen, Employee Branding, Risikomanagement etc. Diese Treiber sollten quantifiziert und gewichtet werden, um bei eventuellen Zielkonflikten klarer abwägen zu können. Auf dieser Basis lassen sich Chancen und Risiken herausarbeiten.

Lernen könnte die IT hier von anderen Branchen, etwa der Ökoeffizienzanalyse in der Chemieindustrie, wie sie die BASF entwickelt hat. "Dieses Instrument erlaubt es, bei der Entwicklung und Optimierung von Produkten und Herstellungsverfahren die Ökonomie und die Ökologie gemeinsam zu betrachten", so das Unternehmen. Dabei wird der komplette Lebensweg eines Produkts oder Herstellungsverfahrens analysiert. Ziel ist es, eigene Produkte ressourcenschonend produzieren, aber auch den Kunden zu helfen, bei der Verwendung ebenfalls Ressourcen zu sparen.

6 Kategorien der Umweltwirkung

Die Umweltwirkung wird anhand von sechs Kategorien beschrieben. Derzeit werden außerdem Indikatoren entwickelt, um die soziale Dimension einbeziehen zu können.

CSR-Kodex, Implementierung und Governance

Skill Framework for the Information Age (SFIA) entwickelt

Dem wachsenden Bedarf an CSR-Wissen hat mittlerweile auch die SFIO-Organisation Rechnung getragen, die das standardisierte, auf die IT zugeschnittene Skill Framework for the Information Age (SFIA) entwickelt. Dieses Modell beschreibt in einer Matrix detailliert Skills in unterschiedlichen Erfahrungs-Leveln, aus denen nach dem Baukastenprinzip Rollen zusammengesetzt werden können.

Aufgrund von Anforderungen der Unternehmen, die SFIA nutzen, wurden seit der Version 4G (Mitte 2011) auch Skills für die Bearbeitung der Themen Nachhaltigkeit, Nachhaltigkeitsstrategie und Nachhaltigkeitstechnik auf den Ebenen der Geschäftsführung, des mittleren Managements und der Mitarbeiter aufgenommen. In der aktuellen Version 5 wurden sie beibehalten.

Unternehmen, die mit Hilfe dieser Best Practices die Einführung und Governance von Innovationen systematisch managen, können die Herausforderung Nachhaltigkeit besser bewältigen. Und sie werden sich auch leichter tun, weitere CSR-Themen einzubinden, die von der Gesellschaft und damit vom Markt immer wieder an sie herangetragen werden - wie beispielsweise Frauenquote oder Integration älterer Mitarbeiter vor dem Hintergrund des demografischen Wandels.

Nachhaltigkeit im Outsourcing

Herausforderungen der Designphase

• Besitzt der Auftraggeber eine Nachhaltigkeitskultur?

• Existiert ein allgemein akzeptierter und verstandener Nachhaltigkeitsprozess?

• Werden Nachhaltigkeitsprojekte mit der Geschäftsstrategie verknüpft?

• Wird genügend Zeit und Anstrengung investiert, um die Projektanforderungen genau zu erfassen?

• Existieren vorab schon Kriterien und Kennzahlen?

Herausforderungen der Implementierungsphase

• Erfüllen die in die engere Wahl gefassten Dienstleister die Nachhaltigkeitskriterien?

• Profitieren Auftraggeber und Dienstleister von einer Nachhaltigkeit?

• Sind im RfP alle kritischen Servicemerkmale definiert?

• Besteht Übereinkunft, wer wie zur Zielerreichung beiträgt und von den Vorteilen profitiert?

• Hat der Auftraggeber aufgrund der Angebote der Service Provider realistische Erwartungen?

Herausforderungen für das Nachhaltigkeitsteam

• Die Nachhaltigkeit in den Unternehmensbereichen schrittweise von oben nach unten einführen - und so eine Nachhaltigkeitskultur implementieren

• Wichtige "Nachhaltigkeit Change Agents" ausfindig machen - dazu gehören Stakeholder, Meinungsbilder, Fürsprecher und Entscheidungsträger

• Ein Nachhaltigkeitsforum schaffen, in dem Ideen nach oben, nach unten und auch bereichsübergreifend ausgetauscht werden können

• Ein Nachhaltigkeitssystem aufbauen, das Mitarbeiter ermutigt, neue Möglichkeiten zu entwickeln und auszuprobieren

• Nachhaltigkeitscoach und Ratgeber für das Unternehmen und die Lieferanten sein

Weiterführende Links:

www.csrgermany.de
www.csrforum.eu
www.nachhaltigkeitswoche.de
www.green-it-beratungsbuero.de

Alexander Müller-Herbst ist Partner und Managing Director bei der Compass Deutschland GmbH.