Strategien


Theorie und Praxis

Die richtige Bewertung von IT-Systemen

Daniel Liebhart ist Dozent für Informatik an der ZHAW (Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) und Solution Manager der Trivadis AG. Er ist Autor verschiedener Fachbücher.
Informationssysteme werden im Rahmen eines Business Case berechnet. Anschließend sind die neu geschaffenen Unternehmenswerte direkt in den Büchern zu finden – in der Praxis sieht das jedoch oft anders aus.

Die Leistung des CIO und damit der gesamten IT-Abteilung wird in naher Zukunft am konkreten Wertbeitrag der IT zum Unternehmenserfolg gemessen - und dieser wird immer größer. Analysten sowie verschiedene Erhebungen und Umfragen, wie beispielsweise "IT as a Service" von Gartner, prognostizieren Produktivitätssteigerungen bis zu 20 Prozent. Die Umfrage der Aberdeen Group ergab sogar mögliche Produktivitätssteigerungen von bis zu 45 Prozent, wenn Angestellte zur Erledigung ihrer Arbeit mobile Anwendungen verwenden durften.

Daher ist es nicht verwunderlich, wenn Unternehmen künftig mehr für die IT ausgegeben - dafür aber auch mehr erwarten. Es liegt folglich nahe, dass der Leistungsbeitrag von Investitionen in neue Technologien in Zukunft noch exakter berechnet wird. Ein Mittel zur Leistungsberechnung einer IT-Abteilung ist die Bewertung der eingesetzten Informationssysteme. In der Theorie ist die Rechnung sehr einfach: Eine klare Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen (Bild 1).

Die Kosten/Nutzen eines Informationssystems.
Die Kosten/Nutzen eines Informationssystems.
Foto: Trivadis AG

Grundsätzlich unterscheidet man Entwicklungs- oder auch Beschaffungskosten sowie die Betriebskosten. Letztere bilden innerhalb der Lebenszeit eines Informationssystems den Hauptkostenfaktor und machen oft bis zu 80 Prozent der Total Cost of Ownership (TCOTCO) aus. Der Nutzen teilt sich in Entwicklungs- und Betriebsnutzen. Obwohl oftmals indirekte Effekte durch Business Process (Re-)Engineering entstehen, wird der direkte Entwicklungsnutzen sehr selten exakt kalkuliert. Der Betriebsnutzen wird hingegen durch die erhöhte Produktivität, Rentabilität oder Flexibilität der unternehmerischen Tätigkeit buchhalterisch ausgewiesen - die IT-Abteilung verbucht hingegen keinen direkten Gewinn. Alles zu TCO auf CIO.de

Theorie - Damit die Buchhaltung stimmt

Ein Unternehmen gibt im Schnitt vier Prozent des Umsatzes für die IT aus - Tendenz steigend. Branchen wie BankenBanken, Pharmaindustrie, MedienMedien, Transportwesen, die Telekommunikation und die Verwaltung sogar noch mehr. Die Kosten der Informationssysteme werden als Aufwand in der Erfolgsrechnung verbucht und schlagen damit in der Bilanz unter anderem als Verminderung des Umlaufvermögens nieder. Sie gehörten jedoch zusätzlich zu einem guten Teil als Anlagevermögen aktiviert, was jedoch unmittelbare Auswirkung auf den Unternehmenswert hätte (Bild 2). Top-Firmen der Branche Banken Top-Firmen der Branche Medien

Ein Informationssystem würde in diesem Fall den Unternehmenswert steigern - und ein konkreter Wertbeitrag ausgewiesen. Besonders interessant ist die Tatsache, dass in der Bilanz die Innovationskraft eines Unternehmens sicht- und nachweisbar wird. Ein Unternehmen wird also transparenter und die IT kann einen direkten und sichtbaren Beitrag zum Unternehmenswert leisten.

Bild 2: Korrekte Bilanzierung gemäss IAS und BilMoG. (Quelle: V. Dehos: Bewertungsmethoden für Strukturkapital im Rahmen einer Wissensbilanz, FH Köln)
Bild 2: Korrekte Bilanzierung gemäss IAS und BilMoG. (Quelle: V. Dehos: Bewertungsmethoden für Strukturkapital im Rahmen einer Wissensbilanz, FH Köln)
Foto: Trivadis AG

Für einen Dienstleister ist diese Art der Bilanzierung besonders interessant, da diese in vielen Fällen über nicht viel mehr als reines Strukturkapital verfügen. Es handelt sich dabei um den Teil der immateriellen Vermögenswerte einer Unternehmung, die zu einem effizienten Arbeitsprozess beitragen. Dazu gehören beispielsweise Strukturen, Prozesse und Regelsysteme über die eine Organisation verfügt, wenn die Mitarbeiter nach Feierabend das Unternehmen verlassen. Informationssysteme, die nichts anderes als eine automatisierte Umsetzung der Strukturen, Prozesse und Regelsysteme darstellen gehören ebenfalls dazu.

Praxis - Was heute üblich ist

Es ist heute üblich, jede größere IT-Investition auf der Basis einer konkreten Kosten-Nutzen-Analyse zu rechtfertigen. In den meisten Fällen kommen vergleichsweise einfache Berechnungen, bei denen Arbeitszeitersparnis und höhere Betriebseffektivität dem notwendigen Aufwand für Bereitstellung und Betrieb des Informationssystems gegenüber gestellt werden. Der Nutzen einer IT-Investition entspricht dann den Ersparnissen an Prozesskosten - wie beispielsweise Durchlaufzeiten oder Personalbedarf.

Ein weiterer Fall einfacherer Kosten- Nutzen-Rechnung ist die Verringerung von Unterhaltskosten durch Neubau oder Ersatz eines bestehenden IT-Systems. Aus diesem Grunde sind Konsolidierungen von Serverlandschaften und anderen Infrastrukturkomponenten extrem beliebt, denn der Nutzen lässt sich direkt aus der erzielten Senkung der Betriebskosten errechnen. Selbstverständlich sind weitere Varianten im Rahmen der normalen Investitionsrechnungen für die Informationstechnologie üblich.

Für jedes Unternehmen ist es in jedem Fall extrem wichtig, Erfahrungen in der Kalkulation von IT-Systemen zu sammeln. Dies bedeutet im Klartext, dass einmal durchgeführte Berechnungen im Nachhinein auch geprüft werden - also auch Nachkalkulationen, wie beispielsweise in der Baubranche üblich, durchgeführt wird.

Fazit

Auch wenn heute in vielen Fällen ein seriös gerechneter Business Case die Voraussetzung für die Freigabe von IT-Budget ist, sind Theorie und Praxis der Bewertung von IT Systemen noch weit voneinander entfernt. Mögliche Lösungsansätze sind jedoch vorhanden - von der einfachen Nachkalkulation und Prüfung getätigter Investition über indirekte Nutzenrechnungen bis hin zur systematischen Erfassung als Strukturkapital. Ergo: Das dazu notwendige Wissen existiert und braucht "nur" noch in die Praxis umgesetzt werden.

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