Strategien


Ist die Meyer Werft auch ein IT-Sanierungsfall?



Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Wegen eines veralteten IT-Systems muss Chefsanierer Ralf Schmitz bei der Meyer Werft nahezu blind agieren: Er bekommt keine Monatsabschlüsse.
Trotz zig millionenschwerer Aufträge agiert die Meyer Werft finanziell offenbar im Blindflug.
Trotz zig millionenschwerer Aufträge agiert die Meyer Werft finanziell offenbar im Blindflug.
Foto: Meyer Werft

Auch wenn die Meyer Werft zurecht als eine der größten und modernsten Werften bezeichnet werden kann - für Teile der IT scheint dies nicht zuzutreffen. So bemängelte der Restrukturierungsexperte Ralf Schmitz unlängst auf einer Pressekonferenz des angeschlagenen Emsländer Schiffbauers, dass es wegen des veralteten IT-Systems der Meyer Werft keine monatlichen oder unterjährigen Abschlüsse gebe. Bei einem Unternehmen dieser Größe müsse man aber wissen, wo man am Monatsende finanziell steht, zitiert die Ostfriesenzeitung den Chefsanierer.

Ursache dafür ist Schmitz zufolge, dass die Meyer Werft in Papenburg noch immer mit einer AS/400 arbeitet. Was früher ein modernes IT-System war, sei heute historisch, kommentiert der Chief Restructuring Officer (CRO) den Einsatz der 1988 von IBM vorgestellten Plattform. Erschwerend kommt hinzu, dass das ERP-System ebenfalls nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist.

Dazu muss man wissen, dass die auf Kreuzfahrschiffe und andere Ozeanriesen spezialisierte Meyer Werft zwar gefüllte Auftragsbücher hat. Gezahlt wird aber in der Regel erst dann, wenn die Schiffe fertig sind. Bis dahin muss die Werft die Kosten mit den Erlösen aus vorangegangenen Aufträgen decken,oder - wie nach der auftragsarmen Corona-Zeit - mit Krediten in Vorleistung gehen.

Zu allem Übel hängen an der Meyer Werft in Papenburg noch zahlreiche Tochterfirmen. Deren wirtschaftliche Entwicklung muss natürlich auch noch miteinbezogen werden. Unter solchen Bedingungen kann man sich einen "finanziellen Blindflug" nur schwer vorstellen.

In anderen IT-Bereichen "state of art"

Umso weniger, wenn man bedenkt, dass die IT der Meyer Werft in anderen Bereichen "state of the art" ist. So nutzt die Werft beim Bau von Ozeanriesen unter anderem einen digitalen Zwilling im PLM-System. Dieser ist mit Millionen von Datenpunkten angereichert und mehrere Terabyte groß. 2021 sicherte sich CIO Paul Meyer, promovierter Wirtschaftsinformatiker und ein Vertreter des Familienunternehmens, mit dem Projekt MeyPLM beim CIO des Jahres Platz 2 im BerEich Großunternehmen.

Allerdings ist der Abschied von der AS/400 nur eine Frage der Zeit. Wie ein Sprecher des Unternehmens gegenüber der Computerwoche erklärte, steht die Meyer Werft "kurz" vor dem Wechsel auf S/4HANA. Einzelne Bereiche wie die Logistik oder die Neptun Werft in Rostock seien bereits umgestellt. Konzernweit soll das Cloud-basierte ERP-System Presseberichten zufolge bis 2026 in Betrieb gehen.

Spätestens ab diesem Zeitpunkt lassen sich dann auch monatliche Gewinn-und Verlustrechnungen erstellen. Wobei dies vor allem Chefsanierer Schmitz und die Berater von Deloitte und Roland Berger gestört haben dürfte. Von der Werft hieß es Pressemeldungen zufolge vielmehr "Familienunternehmen denken nicht in Monats- oder Quartalszahlen".

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