IT-Modernisierung
Wie Digital Leadership möglich wird
Ingolf Zies leitet als verantwortlicher Partner die IT-Praxisgruppe von Bain & Company im deutschsprachigen Raum und ist Teil des Banken-Teams.
IT-Abteilungen, die sich als digitale Vorreiter positionieren, sind innovativ. Flache Hierarchien und agiles Arbeiten zeichnen sie aus. Die Grenzen zwischen IT und Fachbereichen sind fließend. Cloud-Nutzung sowie eine flexible und moderne Applikationsarchitektur mit digitaler Funktionalität gehören zum Standard. Legacy-Systeme existieren quasi nicht.
Um ihre IT auf den neuesten Stand zu bringen, müssen traditionelle Unternehmen verstehen, welche Hürden es zu nehmen gilt. Sie können aufholen, indem sie Technik und operatives Geschäft besser verzahnen und der IT mehr Bedeutung beimessen. Aus Kostengründen haben viele die Modernisierung ihrer Kernsysteme jedoch seit zehn Jahren und mehr aufgeschoben. Sie haben zu lange an einer hohen Fertigungstiefe und dezentralen IT-Services festgehalten. Nach Übernahmen unterblieb zu häufig die notwendige IT-Integration. Die Folge: Die Applikationslandschaft großer Unternehmen ist ein Flickenteppich.
Auch belasten tradierte Formen der ZusammenarbeitZusammenarbeit die Effizienz der IT-Abteilung. Fachabteilungen formulieren in vielen Unternehmen ihre Anforderungen noch immer im Wasserfallmodus und erwarten, dass die IT diese zügig abarbeitet. Werden die Spezifikationen dann wie üblich mehrfach angepasst, steigt die Prozesskomplexität von IT-Projekten immer weiter. Fachabteilung und IT arbeiten nebeneinanderher - nicht zuletzt deshalb, weil Gesamtprojektverantwortliche fehlen. Alles zu Collaboration auf CIO.de
Da die Modernisierung der Legacy-Architektur oft nur schleppend vorankommt, bleibt kaum Kapazität für schnelle, flexible und marktorientierte Digitalisierungsinitiativen. So erwies sich zum Beispiel ein mit großen Ambitionen gestartetes digitales Forum bei einem deutschen Traditionskonzern der Fertigungsindustrie schnell als wirkungslos. Zwar entstanden zahlreiche Ideen für Use Cases, doch die zur Umsetzung erforderlichen Ressourcen und Mitarbeiter waren in den Teilkonzernen gebunden und dort mit der Ausbesserung der lokalen Legacy-Lösungen beschäftigt.
- Acht Tipps für die digitale Revolution
Wollen Unternehmen nicht nur die Digitalisierung, sondern auch die digitale Revolution gezielt vorantreiben, müssen sie folgende Erfolgsfaktoren sicherstellen. Coach und Unternehmensberater Jan Brecke verrät, welche Maßnahmen den digitalen Wandel forcieren und warum der Faktor Menschlichkeit bei Führungskräften besonders wichtig wird. - Topmanagement einbeziehen
Das Topmanagement muss in die Gestaltung des Veränderungsprozesses involviert sein. - Erfahrene Mitarbeiter auswählen
Ohne Mitarbeiter, die bereits Erfahrung in der Einführung von Veränderungen haben, geht es nicht. - Innovativ denken und arbeiten
Der Innovationsbereich nimmt das Arbeiten der Zukunft vorweg. Hier gilt es, auf eine schnelle Umsetzung mit Fehlertolerierung hinzuwirken. - Standardbereiche nicht vernachlässigen
In den produzierenden Standardbereichen indes muss weiterhin auf eine möglichst geringe Fehlerquote geachtet werden. - Agile Taskforce einrichten
Eine Taskforce aus kreativen und agilen Talenten dient in einer drei- bis sechsmonatigen Analysephase als Sparringpartner für den Vorstand/der Geschäftsleitung und verweist regelmäßig auf die Game Changer. - Agiles Arbeiten propagieren
Die Mitglieder der Taskforce sind gleichzeitig Botschafter für agiles Arbeiten im Unternehmen. - Selbstbewusst und bescheiden führen
Führungskräfte müssen ihre Haltung ändern: Neben Selbstbewusstsein brauchen sie mehr Bescheidenheit. - Auf Soft Skills achten
In Sachen Leadership sind künftig eher weiche Skills gefragt. Insbesondere Introspektion, eine nach innen gerichtete Selbstbeobachtung, ist für Führungskräfte wichtig.
Etliche Führungskräfte verlieren angesichts dieser Probleme die Geduld und erwägen einen Neustart ihrer IT - quasi auf der grünen Wiese. Sie setzen auf Inkubatoren, die digitale Piloten entwickeln und vorantreiben. Doch solche Initiativen stoßen in der Praxis schnell an Grenzen. Denn ohne einen reibungslosen Datenfluss zwischen Legacy- und Inkubator-Architektur verdoppelt sich bei den Piloten schnell der Aufwand.
Genau diese Erfahrung machte ein großer europäischer Einzelhändler, als er sein lange vernachlässigtes Onlinegeschäft auslagerte und von einem neuen Standort aus betrieb. Zwar funktionierte der Webshop wie erhofft binnen kurzer Zeit, doch mit den ersten Bestellungen begannen die Probleme. Die separate Einheit benötigte eine eigene, zusätzliche Warenversorgung und Logistik. Die Zweiteilung verhinderte zudem, dass Kunden bestellte Waren in einer Filiale abholen konnten. Der ganzheitliche Blick des Unternehmens auf den Kunden war unmöglich.
Fachbereiche und IT vernetzen
Wie können Unternehmen die vielerorts klaffenden Lücken zwischen der IT und dem operativem Geschäft schließen? Bei einem Blick auf die Vorbilder in den USA und in Deutschland fallen drei Gemeinsamkeiten auf:
IT und Fachabteilungen arbeiten Hand in Hand
IT und Fachabteilungen denken kundenorientiert
IT und Fachabteilungen verzichten auf Schuldzuweisungen
Dieser neue Geist der Zusammenarbeit manifestiert sich darin, dass Vorreiter-Unternehmen das klassische Abteilungs- und damit Silodenken aufgeben. Stattdessen suchen innovative CIOs und ihre Mitarbeiter den Kontakt zu ihren internen und externen Kunden. Teams, in denen Experten aus verschiedenen Bereichen zusammenarbeiten, treiben digitale Projekte gemeinsam voran. Immer im Mittelpunkt steht das zu lösende Kundenproblem. Die IT-Abteilung weiß sehr genau, wann sich Investitionen amortisieren und wie sich der Erfolg von Projekten messen lässt. Die stärkere Zusammenarbeit verhindert auch das bislang übliche gegenseitige Zuschieben des schwarzen Peters. In einer agilen Arbeitsumgebung sind alle Beteiligten daran interessiert, aus ihren Fehlern zu lernen und so Produkte und Prozesse zu optimieren.
Vorreiterunternehmen räumen der IT mehr Platz auf der Vorstandsagenda ein und werten die Position des CIO deutlich auf. Es ist dann an diesem selbst, die Chance zu nutzen und als CIO und CDO in einer Person die DigitalisierungDigitalisierung voranzubringen. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de
Es wird Zeit, dass sich IT-Abteilungen dann auch endgültig von Aufgaben verabschieden, die keinen Mehrwert haben. Hyperscaler und Outsourcing-Anbieter können viele Dienstleistungen effizienter erbringen, sodass auch die Ära lokaler IT-Services zu Ende gehen wird. Für die Anforderungen des digitalen Zeitalters braucht die IT zusätzliche Spezialisten. Entsprechend müssen langjährige Mitarbeiter unter anderem fit für agileagile Arbeitsweisen gemacht und die besten Digital Natives gewonnen werden. Denn bei der Digitalisierung machen wenige Vorreiter oft den Unterschied. Alles zu Agile auf CIO.de
Dieser Umbruch kann der IT neuen Glanz verleihen. IT wird zur Marke. Meistert der CIO den Wandel erfolgreich, kann er oder sie in die Rolle des Innovationstreibers hineinwachsen.