Strategien


Tourismus im Oberallgäu

Alles auf eine Karte

Horst Ellermann ist Herausgeber des CIO-Magazins und Ambassador für CIOmove in Deutschland.
Direkter Zugang zum Skilift, freie Parkplätze, Schnäppchenangebote: Mit der Allgäu-Walser-Card wird das Skilaufen für Touristen einfacher. Die Wirte kleinerer Pensionen hoffen trotzdem, dass das Projekt abrutscht. Für die Anbieter aus dem Landratsamt indes könnte ein zweiter Fehlstart der Chipkarte das Aus bedeuten.

Hubert Geissler schneidet fingerdicke Scheiben vom großen Rundkäse. Dann zündet er den Gaskocher für die Bockwürste an und reicht einem Gast den Schlüssel zum Plumpsklo. Viel ist heute nicht los in seiner Holzhütte am Oberjochpass an der Deutschen Alpenstraße. Da hat Geißler Zeit, über die 120000 Chipkarten zu reden, die das Landratsamt gerade in alle Dörfer geschickt hat. Der Wirt der Ökohütte überlegt nicht lange: "Gute Sache. Früher haben wir für jeden Gast eine Anmeldung mit drei Durchschlägen ausgefüllt, um Gäste- und Parkkarten zu bekommen. Durch die Karte ist die Anmeldung einfacher geworden." Für Geißler lohnt sich die Allgäu-Walser-Card, weil er neben seiner Hütte am Pass ein 40-Betten-Haus im Tal bewirtschaftet, für das sich die Investition in Chipkarten und Lesegerät schnell bezahlt macht. Letzteres kostet für einen Wirt wie Geißler, der schon einen Modemanschluss an seinem PC besitzt, 404 Euro ohne Mehrwertsteuer. 5 Euro muss er für jede Karte dazulegen, die das Landratsamt für 3,50 Euro eingekauft hat. Trotzdem kommt keine Klage auf: "Ich hätte das auch schon für zwölf Betten gemacht", sagt Geißler.

Nicht nur die Gästeanmeldung im Oberallgäu und im österreichischen Kleinwalsertal versucht das Team rund um Eduard Waibel, Leiter des Kreis-Wirtschaftsamts, mit der Smart-Card zu vereinfachen. Schon seit Jahresmitte können die Allgäuer und ihre Touristen die Busse im Landkreis mit der Karte bezahlen; und seit dem 1. Dezember lassen auch Heimatmuseen, Hallenbäder und die meisten Skilifte ihre Eintrittsgelder zentral abrechnen. Was nach einem großen Erfolg für den Service am Kunden klingt, will Waibel jedoch nicht als solchen feiern - jedenfalls noch nicht. "Wir wollen kein großes Tamtam", sagt der Amtsleiter, weil er Rückschläge befürchtet wie die, die das Projekt schon einmal um ein Jahr verzögert haben. Ende 2001 hat Waibel dem Münchener Unternehmen Giesecke und Devrient den Generalauftrag entzogen, nachdem nur ein Teil des europaweit ausgeschriebenen Auftrags termingerecht fertig zu werden schien. "Die mussten sich offensichtlich zu viel Know-how dazukaufen", meint Waibel heute.

Schnittstellen zu 15 Hotelsystemen

Während in der Adventszeit 2001 die Anwälte beider Parteien miteinander stritten, etablierte sich eine Firma, die bis dahin nur als Subunternehmer an der Card mitgewirkt hatte: Wilken spielt seither die entscheidende Rolle im größten IT-Projekt des Landkreises Oberallgäu. Schnittstellen zu 15 verschiedenen Anbietern von Hotel-Software, zu den Skiliftsystemen von Skidata und Systems sowie zu vier Gemeindeprogrammen hat das Ulmer IT-Unternehmen gebaut. "Von den Herstellern der Hotel-Software hätten wir uns dabei etwas mehr Feedback gewünscht", sagt Geschäftsführer Andreas Lied über das harte Stück Arbeit.

Für den Sonthofener Amtsleiter Waibel hängt viel davon ab, dass diese Schnittstellen funktionieren. Drei Millionen Euro hat er in die Kassensysteme der Busse gesteckt, noch einmal drei Millionen für die elektronische Gästeanmeldung investiert und außerdem eine Million für die Projektberatung ausgegeben. Damit liegt er trotz der Streitereien mit Giesecke und Devrient im Rahmen seines Budgets. Der Kreistag mit absoluter CSU-Mehrheit spricht ihm nach wie vor das Vertrauen aus. Aber in den umliegenden Tälern verstecken sich noch Kritiker, die Waibel gern scheitern sähen. Vor allem bei den Kleinvermietern ist die Akzeptanz der Chipkarte gering. Wer noch nie freiwillig Kurtaxe abgeführt hat, fragt sich natürlich: Wo liegt der Mehrwert einer automatisierten Gästeanmeldung, wenn man seine Gäste sowieso nicht anmeldet?

Für die Macher im Landratsamt ist die schlechte Meldemoral der Kleinvermieter im Augenblick eine der größten Schwierigkeiten bei der Einführung der Smart-Card. "Wir müssen dahin kommen, dass die Kunden von selbst die Karte anfragen", so Ulrich Hüttenrauch vom kreiseigenen Unternehmen Oberallgäu Tourismus Service (OATS). Erst dann werde es für ihn interessant, das Konsumverhalten der Touristen zu analysieren. 80000 Gäste pro Tag sind es bei voller Belegung aller Betten, wenn jeder Wirt ordnungsgemäß meldet. Wie diese Masse sich zwischen den Tälern hin und her bewegt und wie man sie an schlechten Schneetagen im Allgäu hält, das sind die spannendsten Fragen für Hüttenrauch, der gern Angebote nach Maß für die Touristen schneidern möchte. Personenbezogen wird er sein Datenmaterial jedoch nie auswerten dürfen - "so schön dies für einen Marketing-Mann auch wäre", wie Hüttenrauch zugibt. Wilken hält zwar eine kleine Lösung für solche Zwecke bereit. Die Meldedaten der Gäste dürfen jedoch aufgrund des Datenschutzes nicht analysiert werden. "Wir wollen ja nicht den gläsernen Gast", sagt Amtsleiter Waibel.

Die Allgäu-Walser-Card

Ziele: Höhere Kundenbindung, bargeldloser Zahlungsverkehr, elektronische Gästeanmeldung, besseres Touristen-Targeting; zukünftig: Einbindung des Einzelhandels
Teilnehmer: öffentlicher Nahverkehr, Museen und Schwimmbäder, Skilifte, derzeit 600 Hotels
Technik: Clearing im Ulmer Rechenzentrum der Firma Wilken auf Sun-Server mit vier Prozessoren und 32 Gigabyte Arbeitsspeicher; Teilnehmer schicken die Abrechnungsdaten über ein Virtual Private Network mit einer Zwei-Megabit-Standleitung
Kosten: bislang sieben Millionen Euro

CityCard Eichstätt:
www.bankimherzenbayerns.de/index2.html?F1O1RrsIj5

RuhrpottCard:
www.ruhrpottcard.com/ruhrpottcard/frameset.asp

Norderney-Card:
www.norderney.de/die_insel/ncard.html

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