"Die Generation Y" gibt es nicht. Die jungen Leute zeigen sich mal karriereorientiert, mal auf Freunde und Familie bezogen. Dennoch lassen sich übergreifende Empfehlungen für Unternehmen ableiten, wie die Studie "Arbeitest Du noch oder lebst Du schon" des Kienbaum Instituts zeigt. Angehörige dieser Generation sind zwischen 1980 und 1995 geboren.
Kienbaum hat rund 270 Absolventen im Alter von durchschnittlich 26 Jahren befragt. Nach Auswertung ihrer Angaben teilt Kienbaum sie in vier Kategorien ein. Die stärkste Gruppe stellen mit 33 Prozent die "Ambitionierten", gefolgt von den "Karriereorientierten" mit 29 Prozent und den "Erlebnisorientierten" mit 24 Prozent. 13 Prozent zeigen sich "orientierungssuchend".
Dazu eine Kurz-Charakteristik: Das Motto des Ambitionierten lautet: "Ich kann alles schaffen". Dieser Typ sucht die "totale Herausforderung" und ist bereit, sehr hart zu arbeiten. Im Unterschied dazu zielt der Karriereorientierte stärker auf eine Führungsrolle und gute Bezahlung ab. Für Erlebnisorientierte haben Freunde und Familie Vorrang. Orientierungssuchenden fällt es schwer, Prioritäten zu setzen. Auch können sie sich schwer motivieren.
Die Studienautoren wollten von den jungen Leuten wissen, welche Werte und Ziele sie hochhalten. Das Ergebnis ist deutlich: 81 Prozent setzen Familie und Freunde an die erste Stelle. Mit großem Abstand nennen sie Erfolg und Karriere (54 Prozent). Alle weiteren Punkte bleiben unter der 50-Prozent-Marke, etwa Gesundheit (47 Prozent) und Selbstverwirklichung (19 Prozent). Ökologische Nachhaltigkeit und soziales Engagement kreisen um fünf Prozent.
Kienbaum betont insbesondere, dass der Punkt Verantwortung lediglich 13 Prozent der Stimmen erhält, Mut noch nicht einmal drei Prozent.
Jeder zweite Befragte möchte am liebsten in einer Firma nah am Wohnort arbeiten. Ansonsten widerlegt die Studie das Klischee vom beliebten Startup: 33 Prozent der Absolventen reizt eine Tätigkeit in einem Konzern, 22 Prozent bei einem Mittelständler. Nur sechs Prozent wollen in ein Startup, zwei Prozent in ein kleines Unternehmen.
Gen Y und der Sehnsuchtsort Berlin
Für die junge Speakerin Hannah Bahl, selbst aus dieser Generation stammend, hängen diese Ergebnisse allerdings davon ab, wo die Befragten leben. Sie sagt: "Würde man hypothetisch eine Studie in Berlin durchführen, wäre die Antwort auf die Frage, wer in einem Startup arbeiten möchte, sicherlich anders."
Die geringe Mobilität, die Kienbaum erhoben hat, kommentiert Bahl so: "Insgesamt kann ich diese Beobachtung nicht bestätigen. Um mich herum ziehen sehr viele Leute aus beruflichen Gründen um, allerdings ist auch gleichzeitig zu beobachten, dass es viel darum geht, sich einen festen Freundeskreis als Ersatzfamilie aufzubauen. Diese Frage mag vielleicht aber auch noch mal ganz anders beantwortet werden, von jemandem der nicht in Berlin ist, da wir hier ja eh fast alle zugezogen sind." Generell attestiert sie ihrer Generation, dass sie sehr früh gelernt hat, was räumliche Flexibilität bedeutet. Das zeige sich in zahlreichen Auslandsaufenthalten, sei es als Schüler oder Student.
Zurück zu Kienbaums Befragung: Ein idealer Arbeitgeber bietet aus Sicht der Befragten eine kollegiale Atmosphäre (62 Prozent), eine gute Work-Life-Balance (59 Prozent) und gute Karrierechancen (57 Prozent). Dahinter rangieren Weiterbildungsangebote (45 Prozent) und die Bezahlung (39 Prozent). Auch in dieser Frage bestätigt sich das Klischee von der sinnsuchenden Generation Y - der Buchstabe wird gern als "Why?" interpretiert - nicht. So sind flache Hierarchien nur 18 Prozent der Befragten wichtig, ethische Prinzipien 16 Prozent. Den Punkt "soziales Engagement des Unternehmens" kreuzen sechs Prozent der Befragten an.
Hannah Bahl: "Die Generation Y stellt sich immer in Frage"
Hannah Bahl wiederum sieht im "Y" zwei für die Generation sehr wichtigen Komponenten. "Die Generation Y stellt sich und die Situationen oder Beziehungen, in denen sie sich befindet, immer in Frage, weil sie weiß, dass sie nicht bleiben muss und gelernt hat, im Netzwerk, in dem sie lebt, flexibel zu sein", sagt sie. Und weiter: "Dies führt mit der Sehnsucht nach Sinnhaftigkeit der eigenen Tätigkeit, die auch in diesem Why mit schwingt, dazu, dass sie - anders als vorherige Generationen - eher einen Job, der von objektiven Kriterien ausgehend sehr erfolgreich aussieht, verlässt, um nach mehr Selbstverwirklichung zu streben."
Soviel zur Denk- und Lebenswelt der Absolventen. Kienbaum hat außerdem erfragt, wie sie sich über potenzielle Arbeitgeber informieren. Mit sehr großem Abstand führt die Unternehmenswebsite (94 Prozent).
Dicht beieinander liegen Hochschul-Bewerbermessen, Netzwerke wie XING und LinkedIn und Jobbörsen wie Stepstone oder Monster, die jeweils auf 53 Prozent der Nennungen kommen. 48 Prozent wenden sich an Freunde oder Bekannte, die in dem Unternehmen arbeiten, und 42 Prozent suchen über Google.
Kienbaum leitet aus der Studie sechs Implikationen für Unternehmen ab:
Die Unternehmens-Website muss visuell und intuitiv aufgebaut sein
Junge Mitarbeiter reagieren positiv auf gemeinsame Veranstaltungen, Sportprogramme und Weiterbildungsmöglichkeiten wie zum Beispiel Training und Coaching
Die Einführung flexibler Arbeitsformen (bezüglich Arbeitszeit und -platz) zahlt sich aus
Unternehmen sollten Marketingaktivitäten wie zum Beispiel den Career Day ausbauen
Absolventen wissen Kinder-/Familienbetreuung sowie Angebote zur betrieblichen Alters- und Gesundheitsvorsorge zu schätzen
Es geht nicht nur um junge Leute: Firmen brauchen heterogene Generationenkonzepte, um die Ziele, Werte und Lebensstile aller Mitarbeiter zu adressieren
Nach Beobachtung von Gen-Y-Vertreterin Bahl hat ihre Generation sehr früh gelernt, eigenverantwortlich zu arbeiten. Sie glaubt, dass diese Fähigkeiten schwer in klassische Hierarchien passen. "Dennoch besteht innerhalb dieser Generation eine große Sehnsucht nach guter Führung, mit der sich vielleicht auch die Befürwortung von Hierarchie in der Studie erklären lässt", überlegt die Speakerin.
Sie führt aus: "Gute Führung bedeutet in diesem Sinne für die Generation Y ,gesehen' zu werden und sich in einen produktiven Austausch zu begeben, in dem man aneinander wächst. Aus diesem Grund ist auch die Sehnsucht nach Coaching und persönlichen Beziehungen und viel Feedback innerhalb dieser Generation Y so groß." Abschließend sagt Bahl, die Generation Y sei bereit, jemandem zu folgen, der eine Vision hat. "Aber sie wird nicht auf Grund einer bestimmten Hierarchiestufe folgsam sein."