Wie alle Global Player steht der Volkswagen Konzern mit seinen mehr als 340.000 Mitarbeitern vor großen Herausforderungen. Neben dem Automobilgeschäft gewinnen komplementäre Dienstleistungen wie Finanzierung, Flottenmanagement und Vermietgeschäft immer mehr an Bedeutung. Die Folge sind umfassende Veränderungsprozesse in der gesamten Konzern-Organisation. Um das erfolgreiche Zusammenwirken von Funktionsbereichen, Marken, Regionen, Einzelgesellschaften und deren Beziehungen zu Geschäftspartnern zu gewährleisten, ist die konsequente Integration der Geschäftsprozesse notwendig. Die IT gestaltet diesen Wandel mit und ist dabei gleichzeitig selbst Gegenstand des Wandels, indem sie von der Informations- zur Integrationstechnologie transformiert wird.
Selbstverständlich ist dieses neue Rollenverständnis aber keineswegs. Die IT spielt bis heute in den meisten Unternehmen noch immer die Rolle eines Cost Centers. Im besten Falle können so die bestehenden Prozesse der Fachabteilungen optimiert werden, eine gestaltende Rolle wird der IT jedoch nicht zugestanden. Die IT-Leiter haben sich in der Vergangenheit auch selten in diese Rolle hineingedrängt, sondern eher im Verborgenen als reine Erfüller gearbeitet. In Zukunft muss sich die IT jedoch zum Business Enabler entwickeln, um als wichtige Unternehmensfunktion wahrgenommen zu werden. Nur mit strategischen Themen und Projekten wird sie sich als Gestalter unternehmensweiter Geschäftsprozesse etablieren können.
Die beiden automobilen Markengruppen unter der Führung von Audi und Volkswagen, der Geschäftsbereich Nutzfahrzeuge sowie der Finanzdienstleistungsbereich bilden die Geschäftsfelder des Volkswagen-Konzerns. Gleichzeitig betreibt der Konzern sein Geschäft global. In diesem Anforderungsgeflecht ist die Steigerung des Unternehmenswerts und die reibungslose Integration der Geschäftspartner eine Kernaufgabe der IT. Dies kann nur gelingen, wenn die Marken, Regionen und Gesellschaften des Konzerns intensiv zusammenarbeiten und stark miteinander vernetzt sind. Eine Antwort auf diese Herausforderungen ist eine konsequente Prozessorientierung. Im Zentrum des Geschäftsprozessmodells, an dem sich die automobilen Konzern-Marken orientieren, stehen Produktprozess, Kundenauftragsprozeß und der Serviceprozess vor Kunde. Steuerungs- und unterstützende Aktivitäten flankieren diese Kernprozesse. Innerhalb dieser Kernprozesse geht es um die Bündelung der wertschöpfenden Prozesse von der Fahrzeugentwicklung, über die Beschaffung, den Produktionsprozessen und der Logistik bis hin zur Vermarktung der Produkte.
Die IT als Treiber und Moderator
Um in dieser Situation den sich ständig wandelnden Anforderungen des Marktes gerecht zu werden, ist die konsequente Weiterentwicklung der Geschäftsprozesse und Systeme erforderlich. IT stellt in diesem Zusammenhang nicht nur Systeme und Technologien zur Verfügung, sondern nimmt bewusst eine gestaltende Rolle wahr, bei der sie zugleich Treiber, Moderator oder Integrator ist.
Eine besondere Herausforderung ist die Optimierung der Geschäftsprozesse über die Unternehmensgrenzen hinweg. Wichtige Partner wie Händler, Importeure und Zulieferer müssen in die Gesamtprozesskette des "Extended Enterprise" eingebunden werden. Für diese Art von Kollaboration sucht Volkswagen strategische Partner aus, die weltumspannende Aufgaben für unseren Konzern umsetzen können. Gedas als Tochtergesellschaft kommt in diesem Zusammenhang durch die weltweite Übernahme von IT-Dienstleistungen und der Übernahme von IT-Infrastrukturaufgaben eine wichtige Rolle zu.
Umgestaltung der IT-Organisation
Dreh- und Angelpunkt für die Umgestaltung der Volkswagen IT-Organisation ist ein Drei-Schichten-Modell, auf dessen Grundlage die Organisation von einer technik- und betriebsorientierten Struktur in Richtung einer vernetzten Organisation weiter entwickelt wird (siehe Grafik rechts).
Auf der Ebene des Informationsmanagements wird die Unternehmensentwicklung durch eine enge Verzahnung der Unternehmens- und IT-Strategie, die Festlegung von IT-Architektur-Richtlinien und die Wahl strategischer Partnerschaften unterstützt. Nachgelagert gibt es die Ebene der Informationssysteme, hier werden Konzepte für Prozess- und IT-Architekturen entwickelt und deren Umsetzung beschrieben. Konkrete Roadmaps und Bebauungspläne sind das Ergebnis dieses Prozesses. Die Basis des 3-Schichten-Modells bildet die eigentliche Informationstechnologie. Sämtliche IT-Services - von Anwendungsentwicklung über Anwendungsbetreuung bis hin zu System-Betrieb und Benutzer-Service - fallen in dieses Themen-Cluster.
Um der Komplexität des Geschäfts gerecht zu werden, ist das integrative Informationsmanagement in einer Matrix-Organisation abgebildet. Den Kern bilden die Marken und Regionen des Volkswagen-Konzerns. Diese werden durch eine Reihe von Kompetenzfeldern ergänzt, mit denen die strategischen Themen der IT-Organisation abgedeckt werden. Verantwortungsbereiche werden um die Kern-Geschäftsprozesse und IT-Kernkompetenzen Architekturmanagement, Anwendungsentwicklung, Anwendungsmanagement und Operations gebildet.
Gemeinsam mit den Fachbereichen wird so eine schlagkräftige IT-Governance auf den Weg gebracht. Dazu sind entsprechende Entscheidungsstrukturen und Gremien (beispielsweise ein Vorstandsausschuss Prozesse und IT sowie diverse Prozess-Councils) innerhalb des Volkswagen Konzerns notwendig. Innerhalb der CIO-Organisation gibt es für die verschiedenen Disziplinen weltweit Prozess-, IT- und Organisationskreise für Standardisierung, Integration und Vernetzung. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der globale Change-Prozess im Konzern auf stimmigen Prozess- und IT-Bebauungsplänen beruht. Die Schnittstelle zwischen der IT und den internen Kunden wird durch effektive Planungs- und Managementprozesse unterstützt. Eine regelmäßige und umfassende Planung und Priorisierung der Projektportfolios stellt zudem sicher, dass die IT und die Fachbereiche eine gemeinsame Sicht auf die wesentlichen Prioritäten haben. Weitere wichtige Governance-Prozesse umfassen die Erarbeitung einer IT-Strategie abgeleitet aus der Unternehmensstrategie, ein IT-Controlling, das die Leistungsfähigkeit der IT im Business-Kontext transparent macht sowie ein funktionierendes Service-Level-Management, das die Leistungsbeziehungen zwischen IT und Business auf eine messbare Grundlage stellt.
Vom IT-Spezialisten zum Generalisten
Mit dem beschriebenen Wandel verändern sich auch die Anforderungen an die IT-Mitarbeiter. Nicht mehr allein das Abarbeiten fertiger Lastenhefte ist gefordert. Vielmehr gilt es, Lösungskompetenzen bereits in die Anforderungsdefinitionen mit einfließen zu lassen. Zur effektiven Mitgestaltung des unternehmensweiten Wandels ist der Aufbau von Kompetenzen, Verfahren und Methoden in der Prozessgestaltung und dem Management von Transformationsprozessen erforderlich. Dies ist vielleicht der entscheidende, aber zugleich auch herausfordernste Faktor beim Umbau der IT vom Cost-Center zum Business Enabler. Hier ist eine Reihe wichtiger Hebel anzusetzen - beispielsweise an der Weiterbildung der Mitarbeiter oder der Entwicklung neuer Aufgabenprofile bis hin zu innovativen Karrieremodellen. Aus diesem Grund wird damit begonnen, die Mitarbeiter in ganzheitlicher Prozess- und IT-Beratung zu schulen. Diese intensive Qualifizierung ist ein wichtiger Baustein für die erfolgreiche Wandlung vom IT-Tüftler hin zum Organisator, Berater und Prozessgestalter.
Die technische Basis für die zukünftige Entwicklung der Geschäftsprozesse stellt die Volkswagen AG durch neue Technologien und Architekturbausteine bereit. Gleichzeitig werden Projekte initiiert, die mittelfristig nachhaltige Kostenreduzierungen ermöglichen. Eine ausgewogene Balance zwischen Zukunfts- und Kostensenkungsmaßnahmen ist wichtig für den Buy-in der Fachbereiche. Zukünftig muss die IT dafür sorgen, dass durch den Aufbau der geeigneten Prozess- und IT-Architektur die Anzahl der Systeme und Technologien reduziert wird. Konzernlösungen haben dabei absoluten Vorrang vor Insellösungen. Ziel ist die Verringerung der Heterogenitätskosten und eine Homogenisierung der Technologien, um damit die IT-Kosten weiter zu optimieren.
Volkswagen wendet zum Beispiel beim Einsatz von Standardsoftware eine konsequente Template-Strategie an. In Abhängigkeit vom jeweiligen Einsatzfeld werden die Applikationen zum größten Teil standardisiert. Ein verbleibender Customizing-Anteil ermöglicht so das flexible Reagieren auf marken- oder länderspezifische Anforderungen. Darüber hinaus wird neben der Anwendungsentwicklung permanent die bestehende Hardware-Infrastruktur durchleuchtet, um durch gemeinsames Hosting der Applikationen bestehende Konsolidierungspotentiale realisieren zu können.
Am Beispiel der Entwicklung einer globalen CRM-Lösung im Volkswagen Konzern kann die beschriebene Vorgehensweise verdeutlicht werden. Volkswagen hat sich hier als Innovationsführer bei der CRM-Entwick-klung im Automobilbereich positioniert. Die CRM-Lösung basiert auf mySAP CRM, wobei eine Vielzahl der im Projekt entwickelten Features von SAP in den Standard übernommen wurden. Die Lösung bestand in einer verbindlichen Vorgabe für ein CRM-Standardsystem für die Marken Audi und VW und der Entwicklung eines Templates, das nach der erfolgreichen Einführung in Deutschland jetzt auch in anderen Märkten implementiert wird. Diese neue Lösung ermöglicht jetzt eine vollständige Integration der Prozesskette vom PreSales- über den Sales- bis zum After-Sales-Bereich und die vollständige Integration zwischen Hersteller, Händler und Kunde. Beispielhaft lässt sich dies anhand des Verkaufsprozesses illustrieren: Kaufinteressenten, die sich beim Hersteller melden, werden im CRM-System erfasst. Bei einem Probefahrtwunsch wird die Anfrage an den Händler weitergeleitet. Die Rückmeldung zentraler Ereignisse im Verkaufsprozess, wie die Probefahrt- oder die Angebotserstellung erlauben ein Erfolgsmonitoring. Im Falle eines Verkaufs werden die Daten aus der Fahrzeugbestellung mit den Kundendaten zusammen gebracht und dem Kunden nach dem Kauf ein geeignetes Service- und Betreuungsprogramm angeboten. Damit kann im After-Sales-Bereich effektiv auf Kundenbedürfnisse reagiert werden.
Ein neues Bild des CIO
Vor dem Hintergrund der beschriebenen Änderungen der Rolle der IT muss sich auch das Bild des CIO wandeln. Im Vordergrund kann nicht mehr die Fokussierung auf eine technische Lösungskompetenz stehen. Heute ist die Rolle des Prozessgestalters zum wichtigen Bestandteil der Aufgaben eines CIO geworden. Nicht allein die Technik, sondern deren Integration mit Prozessen und Strukturen prägen Denken und Handeln. Darüber hinausgehend hat er eine Beraterfunktion im Unternehmen, ist Schnittstelle zwischen Prozessen und Unternehmensbereichen und stellt die vertikale Verknüpfung zwischen funktional aufgebauten Geschäftsbereichen und vertikalen Prozess-Ebenen sicher.