Leadership

CIOs brauchen neue Führungsqualitäten

24.11.2023 von Karim el Abiary  IDG ExpertenNetzwerk
Chef oder Chefin sein ist dieser Tage nicht leicht - vor allem nicht im IT-Umfeld, wo ein hoher Expertenmangel herrscht. Welche Fähigkeiten Führungskräfte heute brauchen ist keine leicht zu beantwortende Frage.

Fachkräftemangel, Expertenmangel, War for Talents – Begriffe, die die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt plakativ beschreiben, gibt es genauso viele wie Studien, die unterstreichen, dass die Situation für Unternehmen wohl auch in den kommenden Jahren nicht besser wird. Die geburtenstarken Jahrgänge verabschieden sich nach und nach in die Rente, was die nachrückenden Generationen rein zahlenmäßig nicht auffangen können. Hinzu kommt noch eine gänzlich andere Erwartungshaltung der Generationen Y und Z, auf die sich die Arbeitgebenden bislang noch nicht in Gänze eingestellt haben.

Die Piloten voran und die Flugbegleiterinnen hinterher. Ein Bild, das den Führungsanspruch symbolisiert. Moderne Führung geht heute anders.
Foto: Svitlana Hulko - shutterstock.com

Besonders gut sind die tektonischen Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt derzeit im IT-Umfeld zu beobachten. Hier tritt der Expertenmangel besonders deutlich zu Tage. Alle Welt digitalisiert, weshalb die deutsche Wirtschaft und damit auch die Gesellschaft vor einer großen Herausforderung steht.

Das belegt der Digitalverband Bitkom mit Zahlen: Trotz der Corona-Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt wurden 2021 rund zwölf Prozent mehr IT-Fachkräfte gesucht als noch 2020. Damit konkurrieren Banken plötzlich mit Behörden und Bauunternehmen um die wenigen IT-Spezialisten.

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Goodbye zum alten Führungsstil

In erster Linie bedeutet das für die IT-Verantwortlichen: umdenken! Während Lehrjahre "früher" keine Herrenjahre waren, gilt es heute, auf die neuen Prioritäten der nachwachsenden Generationen einzugehen. Fördern und fordern, Leistung muss sich lohnen – beides keine guten Ratgeber mehr. Übersetzt heißt das dieser Tage, dass die Work Life Balance deutlich ausgewogener sein muss, die Arbeitszeiten flexibel sowie die Inhalte möglichst "cool" und idealerweise auch noch sinnstiftend.

Dem gegenüber stehen oftmals die Unternehmensziele, die es zu erreichen gilt. Auch die Anforderungen von Kundschaft und Partnern werden immer individueller, was letztendlich das "Matching" der Bedürfnisse aller zur Hauptaufgabe des Senior Managements macht. So viel sei vorab verraten: Mit Druck funktioniert hier gar nichts.

Wobei Druck durchaus vorhanden ist – allen voran mit Blick auf die Zeit. Produkte und Services haben immer kürzere Halbwertszeiten, der technologische Fortschritt schreitet unbarmherzig voran, ob ein Unternehmen bereit ist oder nicht. Wer diesem Zeitdruck nicht standhält und mit den immer kürzeren Entwicklungszyklen nicht mitgehen kann, bleibt quasi auf der Strecke.

Agilität ist gefragt

IT-Verantwortliche müssen demnach vor allem Strukturen anpassen. Nur wer es schafft, seine Organisation flexibel und agil zu führen, kann sich den beschriebenen Herausforderungen stellen.

Das heißt insbesondere auch, Verantwortung abzugeben. Gerade Projekte mit einer hohen Technik- oder Digitalisierungskomponente können schon lange nicht mehr hierarchisch gesteuert werden. Der oder die CIO muss also die Sprints so gestalten, dass Projektteams eigenverantwortlich arbeiten können, und gleichzeitig aus der Vogelperspektive die langfristige Strategie im Blick haben. Das kann mitunter zu einer Gratwanderung werden, weil einerseits Orientierung von "oben" nötig ist, die andererseits dabei allerdings nie von "oben herab" aufgefasst werden darf.

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Führung in einer neuen Arbeitswelt ist also vor allem die Verantwortung für das Wie. Wie wird zusammengearbeitet, wie werden Ziele definiert, wie Prioritäten gesetzt und warum. Daraus ergibt sich automatisch ein hoher Stellenwert einer offenen, transparenten und wertschätzenden Kommunikation.

Unsicherheit ist das Damoklesschwert, dass dieser Tage über allem zu hängen scheint. Umso wichtiger wird die Transparenz, damit die Belegschaft überhaupt ein Wir-Gefühl entwickeln kann, mit dem alle im selben Boot sitzen und im Gleichschlag in dieselbe Richtung rudern.

Emotionen und Empathie

Gerade für erfahrene Managerinnen und Manager kann diese Art der transparenten Kommunikation zunächst eine große Hürde darstellen, weil es schlicht und einfach konträr zu dem ist, was sie bisher selbst erlebt haben. Umso wichtiger ist es, hier offen zu bleiben und sich auf die Ressourcen und Bedingungen einzustellen. Denn ändern können wir sie nicht, das ist Fakt.

Dazu gehört beispielsweise auch, Emotionen und Empathie stärker in die Führung einfließen zu lassen. Das heißt konkret: Führung bedeutet zunächst einmal, sich selbst zu kennen, sich über die eigenen Stärken, Schwächen und Bedürfnisse klar zu werden, daraus aber keinesfalls auf andere zu schließen.

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Nur wer weiß, wie er oder sie in einer bestimmten Situation reagiert – beispielsweise unter Stress – kann die Signale erkennen und den Automatismus bremsen, der in der Regel folgt. Selbstreflektion ist eine der großen Tugenden, die für Führungskräfte heute und morgen immer wichtiger wird.

Raum für Fachlichkeit?

Bei all diesen Führungskomponenten auf menschlicher und emotionaler Ebene darf dann natürlich die Fachlichkeit nicht fehlen. Wie schon erwähnt steigen auch die Anforderungen der Kunden und Kundinnen, während sich das Entwicklungs- und Innovationsrad immer schneller dreht.

Wettbewerbsvorteile sichern sich diejenigen IT-Verantwortlichen, die Trends antizipieren und vorausschauend agieren. Der Fachlichkeit kommt also auch in der modernen Führungskultur eine hohe Bedeutung zu – auch weil der Respekt der Belegschaft gegenüber einer Führungskraft maßgeblich von ihr abhängt. Sie erinnern sich: Das Wie und das Warum – Stichwort Sinnhaftigkeit – werden ständig hinterfragt, weshalb Führung sich dann eben doch auf die fachliche Kompetenz stützen können muss.

Um es mit anderen Worten zu sagen: Führung heute bedeutet wesentlich mehr Verantwortung als noch vor ein einigen Jahren. Vermutlich ist das auch einer der Gründe, warum immer weniger Menschen aus den jüngeren Generationen wirklich scharf auf diese Art von Karriere sind.

Umso wichtiger ist es, dass sich eine Führungskraft von heute auch der eigenen Vorbildfunktion bewusst ist. Ansonsten haben wir in Zukunft nur noch Matrosinnen und Matrosen und keine Kapitäninnen und Kapitäne mehr – und das kann weder in der IT- noch in der Geschäftswelt insgesamt ein erstrebenswertes Ziel sein. (bw)