Nur eine Minderheit von zehn Prozent der IT-Chefs hält Cloud Computing für ein wichtiges Thema. Das zeigt die Umfrage, die der CIO-Circle auf seiner Jahrestagung in Köln vorgestellt hat. Wirtschaftsinformatiker vom Institut "Fortiss" der TU München haben dafür 155 IT-Chefs anonym befragt. Gewisse Vorteile von Cloud Computing leuchten der Mehrheit der Teilnehmer zwar ein: Knapp 60 Prozent verbinden mit dem Konzept Flexibilität und eine bessere Auslastung von Systemen. Trotzdem setzen drei Viertel der IT-Chefs keine Cloud-Lösung ein und planen das auch nicht.
Am ehesten würden CIOs noch Software-as-a-Service nutzen. Auch Infrastrukturleistungen wie Server- oder Storage-Dienste aus der Wolke finden Befürworter. Die Cloud-Komponente Platform-as-a-Service lehnen die Befragten eher ab. Auf Beratungsangebote zu Cloud-Diensten ist das Echo noch schwächer.
Matthias Karlshaus, Mitglied im Initiativkreis des CIO-Circle und Leiter IT Steuerung und Prozesse der Vermögensverwaltung bei Sal. Oppenheim, überrascht dieses Ergebnis nicht. Cloud Computing hält er zu einem großen Teil für "alten Wein in neuen Schläuchen". Schon seit Jahren lagerten CIOs Teile der Infrastruktur als Shared Services aus – für Karlshaus eine Vorstufe von Cloud Computing. "Keiner hat daraus eine große Welle gemacht. Jetzt sollen plötzlich alle springen, nur weil Berater den Hype ausrufen?", fragt er.
Vorrang haben in diesem Jahr Klassiker: Prozessoptimierung und -harmonisierung steht bei den Befragten mit weitem Abstand an erster Stelle. Neun von zehn bewerten diese Aufgabe als wichtig oder sehr wichtig. Standardisierung und Konsolidierung gingen als zweitwichtigstes Thema aus der Studie hervor, gefolgt von Sicherheit. Auch unter den Top 5: ERP und Virtualisierung. Damit stellen sich die Befragten, die mehrheitlich IT-Abteilungen mit elf bis 100 Mitarbeitern führen und zu drei Vierteln IT-Budgets bis zehn Millionen Euro haben, erneut recht bodenständig dar – wie schon in der Vorgängerstudie von 2008. Damals legten die Befragten großen Wert auf Themen wie ERP und CRM.
Ob sie nun den Titel "Leiter IT" tragen, sich CIO oder Head of IT nennen – IT-Chefs sind vor allem Kommunikatoren. Ein Fünftel ihrer Arbeitszeit verbringen sie damit, sich mit Fachbereichen abzustimmen, oder in Besprechungen mit Geschäftsführung oder Vorstand. Personalführung beansprucht mit 18,1 Prozent den zweitgrößten Anteil am Arbeitspensum. Weniger Zeit bleibt da für Innovation. Je ein Zehntel ihrer Arbeitskapazität verwenden die befragten CIOs auf neue Konzepte oder die Einführung neuer Systeme.
Bei all dem geben sie sich selbstbewusst. Als reine Techniker wollen CIOs nicht mehr gesehen werden. Sechs von zehn sind überzeugt, dass sie sich der Geschäftsseite gegenüber dieses Jahr verstärkt als Gestalter von Prozessen werden aufstellen können. Immerhin gut die Hälfte glaubt, dass die Verantwortlichen sie schon heute als Prozessgestalter wahrnehmen.
BPM hat Vorrang vor IT-Projektarbeit
Nicht verwunderlich ist daher, dass die Mehrheit Geschäftsprozess-Management als sehr wichtig ansieht. Projektarbeit in der IT und Innovation bewerteten dagegen nur 37 beziehungsweise 34 Prozent als sehr wichtig. Die Studienautoren wollten mit der gezielten Frage nach diesen drei Themen das berufliche Selbstverständnis näher beleuchten. Wer vorrangig Wert auf Geschäftsprozesse legt, richtet seine Arbeit demnach an den Fachbereichen aus; dominiert hingegen Projektarbeit, stehen operative IT-Themen im Vordergrund.
Mit ihrem Engagement im Geschäftsprozess-Management zielen CIOs vor allem auf geringere Prozesskos-ten, mehr Qualität und Unterstützung von Reorganisation – für Matthias Karlshaus ein Zeichen, dass seine Kollegen "wirklich im Business angekommen sind". "Vor Jahren hätten CIOs diese Kombination von Geschäftszielen kaum genannt", meint er.
Anspruch und Wirklichkeit klaffen allerdings auseinander. Aufs Geschäftsprozess-Management, das sie als wichtigstes Thema bewerten, verwenden 40 Prozent der befragten CIOs mehr als ein Fünftel ihrer Arbeitszeit. IT-Projektarbeit verschlingt bei mehr als 47 Prozent mindestens ein Fünftel der Arbeitszeit –obwohl sie als weniger wichtig angesehen wird. Eine Situation, die sich laut Karlshaus nur langsam verändern wird. Als CIO sei man eben in erster Linie Dienstleister und werde auch so gesehen. "Wir gehen schon aktiv aufs Business zu. Das Business muss allerdings noch lernen, unsere Leistung unter diesem Aspekt nachzufragen."
Aufgabe der CIOs ist es laut Karlshaus, die Lücke zwischen IT-Sicht und Prozess-Sicht kleiner zu machen. Seine Idealvorstellung ist ein umfassender, "einheitlich verstandener Werkzeugkasten" in seiner Zunft. "Ich sehe, dass ein solcher kanonartiger Baukasten tatsächlich im Entstehen ist." Die Rolle der IT-Chefs werde sich weiterentwickeln in Richtung eines "Chief Innovation Officer", ist er überzeugt. Notwendig sei dafür ein klares Verständnis von Innovation. Nicht um technische Produktzyklen und neue Software-Tools gehe es dabei. Karlshaus: "Innovation ist nur, was das Geschäftsmodell voranbringt."