Expertengespräch

"Den Wert von Innovationen im Blick behalten"

09.11.2011 von Ima Buxton
Dienstleister, Berater und Kunden sehen sich gerne als strategische Partner. Der deutsche Oracle-Chef Jürgen Kunz und Capgemini-Vice-President Dieter Harreither diskutieren die dafür nötigen Voraussetzungen und was eine wahre Innovation ausmacht.
"Die funktionale Einschätzung einer Technologie ist eine Sache, die Implementierung im Unternehmen aber eine andere." Jürgen Kunz, Oracle-Chef Deutschland.
Foto: Oracle Deutschland


Für CIOs sind Innovationen die wichtigste strategische Herausforderung im Unternehmen. Wie können IT-Anbieter das Innovationsklima in den Betrieben begünstigen?

Kunz: Innovationen dürfen nicht um der Innovation Willen getätigt werden, sondern müssen der Wertschöpfung dienen. Die Frage ob ein Projekt oder eine Investition Innovationstreiber ist, ist dabei nicht nur aus Sicht der IT zu beantworten. Als Anbieter können wir Innovationsprozesse natürlich aus technologischer Sicht beurteilen. Die Bewertung des Innovationswertes für die Geschäftsprozesse muss aber von Kundenseite anhand der Frage erfolgen, wie sich das Unternehmen am Markt differenzieren möchte. Am Schluss gilt es dann, beide Positionen übereinander zu legen.

Harreither: Um unsere Kunden bei ihrem Innovations-Prozess zu begleiten und verstärken haben wir eine besondere Methode entwickelt - wir nennen diese RAIN, was für Rapid Innovation steht.

Innovationen durch neue Wege der Kollaboration

Was versteht Capgemini unter RAIN?

Harreither: RAIN ist ein Verstärker für Innovation. Für den Innovations-Prozess haben wir zwei Center eingerichtet, in dem unsere Kunden in einem dreitägigen Workshop innovative Lösungsbausteine von kleinen Top-Pionierunternehmen zu einem bestimmten Thema wie etwa Social Media kennenlernen. Diese Bausteine werden dann in Kombination mit erprobten Lösungen unserer Kunden gebracht. Dadurch entstehen neue innovative Lösungen und Produkte mit realistischen Marktchancen.

Kunz: Dafür sind wir natürlich offen. Allerdings verfolgen einige Unternehmen dann einen Best-of-Breed-Ansatz und erhöhen statt der Wertschöpfung nur die Komplexität von Projekten. Man muss den tatsächlichen Wert der Innovation im Blick behalten.

Was muss ein Unternehmen tun, um als Kunde in eine strategische Partnerschaft zum Dienstleister treten zu können?

Kunz: Auf Kundenseite muss eine weitestgehende Transparenz geschaffen werden. Vor allem hinsichtlich der Zielsetzung des Projektes und der dahinterliegenden Governance-Strukturen, um eine Übereinkunft über das gemeinsame Vorgehen zu finden. Es muss zum Beispiel Klarheit über die zu erreichenden KPIs des Projektes herrschen und wie diese sichergestellt werden können. Generell gilt, dass die funktionale Einschätzung einer Technologie eine Sache ist, die Implementierung im Unternehmen aber eine andere - und zwar gerade dann, wenn das Projekt ein hohes Innovationspotenzial hat oder alte lang genutzte Systeme abgelöst werden. Für diese Aufgaben gibt es in der Regel verschiedenen Boards, die das sicherstellen sollen.

"Wichtig ist eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe statt der klassischen Kunden-Lieferanten-Beziehung". Dieter Harreither, Vice President, Capgemini
Foto: Capgemini Deutschland


Harreither: Wichtig ist eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe statt einer klassischen Kunden-Lieferantenbeziehung. Gegenseitiges Vertrauen ist ein zentraler Punkt. Wichtig ist, dass beide Partner die strategischen Ziele der jeweils anderen Seite kennen, gemeinsam Messkriterien vereinbart haben und zusammen an der Zielerreichung arbeiten

"Customizing bringt oft nicht viel"

Sind die gängigen Vertriebsmodelle für diese Vorgehensweise ausreichend kunden- beziehungsweise lösungsorientiert?

Kunz: Bei einem IT-Dienstleister wie Oracle ist es zwingend notwendig, die Produktpalette industriespezifisch zu bündeln, um Lösungen zu kreieren. Diese Ausrichtung haben wir schon lange vollzogen. Unser Ziel ist es, beim Kunden Komplettlösungen zu etablieren, um den Innovationswert sicherzustellen, aber auch um die Komplexität zu reduzieren. Dazu müssen die Vertriebsmitarbeiter natürlich auch etwas vom Geschäft des Unternehmens und seiner Branche verstehen.

Harreither: Wo eine Lösung für einen Kunden keine wettbewerbliche Differenzierung darstellt - wie zum Beispiel bei den administrativen Prozessen und in der Verrechnung, geht der Trend am Markt immer stärker in Richtung Standardprodukte. Auch die zugehörigen Dienstleistungservices werden vom Kunden mit hohem Standardisierungsgrad erwartet. Bei uns heißt das "productized Services". Bei IT-Lösungen für Prozesse die eine Marktdifferenzierung für das Kundenunternehmen bedeuten, entscheiden sich nach wie vor viele Kunden für individuelle Lösungen - "Custom Developed".

Kunz: Man muss vorsichtig sein, dass man das Thema Lösungsorientierung nicht falsch interpretiert, nämlich als Customized Lösungen. Das wurde in der Vergangenheit oft falsch verstanden. Customizing bringt oft nicht viel, das es sich dabei nur um angepasste Funktionalitäten handelt, die keinen Wettbewerbsvorteil erbringen. Kundennahe Lösungen zeichnen sich durch die Wahl der richtigen Systeme aus, nicht durch bestimmte Funktionalitäten.

Mitgehen, wenn sich die Ziele des Kunden ändern

Wie muss man sich eine strategische Partnerschaft in der Praxis vorstellen, können Sie ein Beispiel nennen?

Harreither: Wir sind vor mehr als zehn Jahren mit der österreichischen Raiffeisen Bank International an den Start gegangen und haben das Institut durch viele strategischen Veränderungen begleitet. Die Raiffeisen Bank wollte weg vom klassischen Bankgeschäft hin zu einer Kommerz- und Investmentbank. Eine expansive CRM Strategie, die wir gemeinsam während der boomenden Jahre entwickelt haben und darauf aufbauend technische Lösungen - übrigens basierend auf Oracle Software - implementiert haben, konnten wir zu Beginn der hereinbrechenden Krise vor zwei Jahren in kürzester Zeit an die neuen Bedürfnisse anpassen und beispielsweise um wichtige Risikomanagementfunktionalitäten erweitern. Strategische Partnerschaft heißt hohe Flexibilität und Anpassungsbereitschaft wenn sich die Bedürfnisse und Ziele des strategischen Geschäftspartners ändern.

Kunz: Beispiele dieser Art gibt es viele. Wichtig dabei ist es, die strategische Partnerschaft in vielen Facetten zu sehen, im Standardgeschäft ebenso wie im Infrastrukturgeschäft wie wir das mit unserer Exadata-Strategie verfolgen. Dieser Ansatz sorgt dafür, dass sich mithilfe gebündelter Soft- und Hardwareprodukte Innovationspotenzial zuverlässig heben und Kosten- wie auch Effektivitätsvorteile nutzen lassen.