Die Aufforderung "Bitte selber machen!" wird auch an Ladenkassen, Fast-Food-Theken und diversen Serviceportalen Verbraucherpflicht. Stirbt der Dienst am Kunden aus?
Man kann es als ultimativen Weg in die Servicewüste sehen - oder als Stärkung des aktiven Konsumenten. Bei manchen Handelsketten scheint der Kunde fast schon das Gefühl zu bekommen, die selbst gescannte Ware am besten gleich noch fürs Lager nachbestellen zu sollen. Und wie lange, so könnte man augenzwinkernd fragen, dauert es, bis der Burger im Fast-Food-Lokal nicht nur per Touchscreen gewählt, sondern auch eigenhändig gebraten werden muss?
"Bitte selber machen!" auf allen Kanälen: Was sich in der modernen Konsumwelt teils kurios, teils befremdlich ausnehmen mag, hat einen ernsten Hintergrund. Denn neben gezielter Ansprache von Verbrauchern, die für Niedrigpreise durchaus alle Handgriffe ohne menschliche Hilfe zu erledigen bereit sind, verschärfen der Kostendruck und Mangel an Fachkräften die Do-it-yourself-Haltung vieler Dienstleister.
"Das Thema an sich kennt man ja", sagt der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein etwa zum Siegeszug der Discounter. "Aber es hat in etlichen Bereichen einen Push erhalten."
Längst geht es nicht mehr nur um klassische Selbstbedienung am Regal, nicht mehr nur um Funktionen wie den Eigen-Check-in am Flughafen oder im Zug via Automat oder App. Besonders im Einzelhandel ist zu spüren, dass Kunden möglichst viel Arbeit übernehmen sollen. Ob Lebensmittel, Sportartikel oder Möbel: Self-Check-out-Kassen zum Selbstabrechnen und Selbsteinpacken sind in immer mehr Geschäften zu finden.
Schnell und unpersönlich oder langsam und individuell
Wer eine der meist wenigen normalen Kassen vorzieht oder spezielle Fragen hat, muss oft längere Wartezeiten hinnehmen. Es laufen bereits Tests mit komplett "autonomen" Geschäften, in denen der Kunde alles ausschließlich mit der EC- oder Kreditkarte steuern kann - inklusive Zugang rund um die Uhr. Edeka beispielsweise betont, in diesen "Smart Boxes" solle ebenso "das Einkaufserlebnis im Fokus stehen". Ob Käufer mit Beratungsbedarf oder geringer Technikneigung das auch so sehen?
Die Top-CIOs im Handel
Michael Müller-Wünsch Der Berliner Michael Müller-Wünsch (aka: MüWü) ist seit August 2015 Bereichsvorstand Technology (CIO) der Otto-Einzelgesellschaft. In dieser Funktion verantwortet Müller-Wünsch die Weiterentwicklung der IT-Landschaft und Tech-Architektur des Onlinehändlers und treibt damit den Wandel des Geschäftsmodells in Richtung Plattform. 2017 wurde die Technologie-Organisation von Otto unter seiner Führung mit dem CIO Innovation Award ausgezeichnet. Während seiner beruflichen Laufbahn arbeitete der im Bereich KI promovierte Informatiker und Diplom-Kaufmann unter anderem für Lekkerland, Ceva Logistics, MyToys und Herlitz.
Markus Mosa Seit Februar 2015 wird das Ressort IT/Logistik beim Lebensmittelkonzern Edeka direkt vom Vorstandsvorsitzenden Markus Mosa geführt. Vorgänger Michael Wulst ging aus persönlichen Gründen in Rente. Das Vorstands-Team der Edeka AG besteht nun aus nur noch drei Vorständen.
Eduard Spitz Die weltweite IT von Hugo Boss liegt seit März 2023 in den Händen von Eduard Spitz. Sein Vorgänger Jörg Walter ging in den Ruhestand.
Bastian King Mit Bastian King beruft das Modeunternehmen Takko Fashion erstmals einen Chief Information Officer. Er soll den digitalen Wandel vorantreiben. Die Position des CIO hat der Modehändler aus dem nordrhein-westfälischen Telgte neu geschaffen. Zum 1. März 2023 holte das Management dazu Bastian King an Bord.
Christian Metzner Seit Mitte April 2023 leitet Christian Metzner die IT der Drogeriemarktkette Rossmann. Seiner Vorgängerin Antje König stieg Anfang 2022 in den Vorstand auf. Metzner kommt von Volkswagen Financial Services.
Melanie Fichtner Zum 1. Februar 2024 hat Melanie Fichtner den CIO-Posten bei der Baywa übernommen. Zuvor leitete sie die operative IT des Konzerns.
Ricardo Diaz Seit August 2017 arbeitet Ricardo Diaz bei der Emil Frey AG in Zürich als CIO/CTO. Die Gruppe ist im Automobilhandel tätig. Der gelernte Diplom-Kaufmann Diaz war im April 2014 vom Energie Versorger EnBW als Vice President IT Strategy &Steering zur Unternehmensgruppe Media-Saturn gekommen. Im Juli 2014 wurde er CEO der Media-Saturn IT-Services und CIO bei Media-Saturn.
Matthias Wlaka Seit 1. Januar 2024 ist Matthias Wlaka CIO und Mitglied der Geschäftsführung von Bonprix. Die Stelle wurde neu geschaffen, um die IT-Aktivitäten des Modehändlers zentral zu bündeln.
Marc Rauscher Seit 1. April 2023 ist der ehemalige IT-Chef von Douglas, Marc Rauscher, Geschäftsführer der Hagebau IT GmbH. Er verantwortet das operative Geschäft der IT-Tochter.
Roman Melcher Roman Melcher verantwortet bei dm nicht nur die IT, sondern sitzt auch in der Geschäftsführung des Drogeriekonzerns.
Lars H. Heimann Lars H. Heimann ist seit März 2019 CIO der BAHAG AG, die zentrale Einkaufsgesellschaft der BAUHAUS Regionalgesellschaften. Seit Anfang 2021 hat er zudem den Posten des Senior Vice President Corporate IT inne. Er kam bereits 1999 in das Unternehmen.
Roland Schütz Roland Schütz, langjähriger CIO der Lufthansa, wechselt als Vorstand für IT und Digitalisierung zum Mannheimer Pharmahändler Phoenix. Schütz tritt die neu geschaffene Position des Chief Information Officer Anfang 2021 an.
Andreas Hubert Andreas Hubert ist seit Februar 2021 Group CIO von Adidas.
Katja Burkert Seit 1. Juli 2021 ist Katja Burkert CIO bei Intersport. Sie folgte auf Lars-Eric Pusch, der zur Drogeriekette Müller wechselte.
Sinanudin Omerhodzic Sinanudin Omerhodzic ist seit Oktober 2020 Geschäftsführer IT bei Aldi Nord. Er kommt von der Paul Hartmann AG.
Frank Schroeder Frank Schroeder ist seit Mai 2016 Head of IT der Interseroh Dienstleistungs GmbH, einer Tochter des Berliner Recycling- und Umweltdienstleisters Alba. Er war zuvor Leiter IT-Management und Leiter Innovationsmanagement beim Bauunternehmen Hochtief AG in Essen.
Severin Canisius Seit September ist Severin Canisius CIO und Mitglied der Geschäftsführung des Essener Schuhhändlers. Er folgt auf Olaf Schrage, der das Unternehmen Ende 2021 verlässt.
Katharina Knötel Katharina Knötel hat im August 2021 den CIO-Posten bei Coca-Cola European Partners CCEP von Christian Rasche übernommen, der Mitte Juni zu The Coca-Cola Company gewechselt ist. Sie berichtet sowohl an Peter Brickley, CIO von CCEP, als auch die Geschäftsführung der deutschen Dependance. Knötel ist Teil der hiesigen Geschäftsführung und hat zudem einen Sitz im internationalen BPT-Führungsteam. Sie leitet den Bereich Business, Process and Technology (BPT) in Deutschland und ist unter anderem verantwortlich für Vertriebs- und Lieferkettenlösungen.
Jörg Kohlenz Am 1. Juli 2022 hat der ehemalige Leoni-CIO Jörg Kohlenz die Position des Group CIO beim Thermomix-Anbieter Vorwerk übernommen.
Lars-Eric Pusch Seit April leitet Lars-Eric Pusch die IT der Drogeriemarktkette Müller. Er soll sie zu einem datengetriebenen Unternehmen machen.
Michael Rybak Michael Rybak hat bei der Drogeriekette Rossmann Anfang 2015 als Geschäftsführer den neu geschaffenen Geschäftsbereich Logistik und IT übernommen. Er verantwortete bereits seit Mitte 2014 zusätzlich zur Logistik den Fachbereich IT. Rybak wechselte 2009 in die Logistik des Drogeriekonzerns, wurde Logistikleiter sowie Geschäftsführer der Logistik-Gesellschaft und trat in die Geschäftsleitung ein.
Mark Michaelis Seit dem 7. Juni 2021 ist Mark Michaelis Geschäftsführer der Markant Services International GmbH sowie ihres polnischen Pendants. Das Unternehmen verantwortet die IT, Produktentwicklung und den Betrieb der Dienstleistungen und Services der Markant-Gruppe.
Michael Kaib Michael Kaib wurde im Juli 2015 neuer CIO in der Zentrale des Modekonzerns Esprit in Ratingen. Er berichtet an den Chief Operations & Systems Officer, Leif Erichson. Kaib kam im Mai 2010 zu Esprit. Er war dort zuletzt Vice President - Head of IT Governance & Enterprise Architecture. Kaib studierte Betriebswirtschaftslehre an der Philipps-Universität Marburg und in den USA und promovierte anschließend am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Marburg. Seine berufliche Karriere begann er 1998 als Berater bei Booz & Company in Frankfurt am Main in der globalen IT Practice.
Andreas Schobert Bei der Hornbach-Baumarkt-AG ist Andreas Schobert (41) seit 2015 neuer IT-Vorstand. Das Ressort Technologie wurde neu geschaffen. Der Vorstand wurde dafür von sechs auf sieben Mitglieder erweitertet. Im neuen Ressort laufen ab sofort die Fäden für die konzernweite Informationstechnologie sowie das E-Business zusammen. Seit 2012 war Schobert als Leiter E-Business für den internationalen Aufbau und die Weiterentwicklung des Online-Geschäfts im Hornbach-Baumarkt-AG Konzern zuständig.
Nathan Mott Nathan Mott ist seit Oktober 2014 CIO beim Stuttgarter Pharmagroßhändler McKesson Europe (zuvor: Celesio). Der IT-Chef kam aus den USA, vom Mehrheitsaktionär McKesson. Mott war zuletzt Präsident der McKesson Pharmacy Systems & Automation (MPS&A) und hatte danach zusätzlich das Celesio Coordination Planning Office geleitet.
Armin Bergbauer Mit Armin Bergbauer hat der Technologie-Distributor Ingram Micro seit Frühjahr 2008 einen neuen IT-Chef. Seine Vorgängerin Barbara Neumann hatte sich in den Ruhestand verabschiedet. Als Leiter IT & Organization ist Bergbauer auch Mitglied der Geschäftsleitung und berichtet an Gerhard Schulz, den Vorsitzenden der Geschäftsführung.
Walter Schulte-Vennbur Bei Electronic Partner verantwortet Walter Schulte-Vennbur seit Februar 2013 die IT. Der Diplom-Informatiker war zuvor CIO be Also Actebis. Auch vor dem Zusammenschluss von Also und Actebis 2011 arbeitete er mehr als 15 Jahre in verschiedenen Positionen beim Vorgängerunternehmen Actebis.
Bernd Herrmann Bernd Herrmann arbeitet seit 1990 bei Würth, einem Großhandel für Produkte der Befestigungs- und Montagetechnik. In der Würth-Gruppe ist er Geschäftsbereichsleiter für IT, E-Business und Logistik sowie Geschäftsführer für die Bereiche Marketing und EDV der Adolf Würth GmbH & Co. KG. Seit Mai 2015 ist er auch in der vierköpfigen Konzernführung der Würth Gruppe vertreten und dort für IT und E-Business verantwortlich.
Stephan Wohler Seit 2011 ist Stephan Wohler im Vorstand der Edeka Minden-Hannover. Er verantwortet bei der größten Edeka-Regionalgesellschaft die Ressorts IT und Logistik. Wohler kommt von der Metro, wo er zuletzt als Vorsitzender der Metro Group Logistics (MGL) arbeitete.
Khaled Bagban Zum 1. Juli 2024 ist Khaled Bagban als CIO bei der Metro AG eingestiegen. Gleichzeitig wurde er CEO der Digitalisierungstochter Metro.digital. Er folgt auf Timo Salzsieder.
Michael Homburg Michael Homburg ist seit April 2016 Geschäftsbereichsleiter IT/Organisation bei Edeka Nord. Sein Vorgänger Ernst Bochnig ist in den Ruhestand gegangen. Seit Mitte 2015 war Homburg bei Edeka Nord bereits stellvertretender Geschäftsbereichsleiter IT/Organisation.
Benjamin Beinroth Neun Jahre war Benjamin Beinroth bei dem Lebensmitteleinzelhändler Tegut beschäftigt, davon vier Jahre als Chief Information Officer (CIO). Er wechselte zum Jahresbeginn 2016 in die CIO-Position bei Fressnapf. Beinroth berichtet als CIO direkt an Hans-Jörg Gidlewitz. Dieser ist verantwortlicher Geschäftsführer für die Bereiche Finanzen, Personal und IT bei Fressnapf.
Jörg Heinen Jörg Heinen heißt der IT-Leiter bei WMF (Württembergische Metallwarenfabrik AG) in Geislingen. Seit Februar 2016 ist er im Amt. Der Vice President Global IT (CIO), so sein offizieller Titel, war zuvor Corporate Director, Strategic Vendor Management, bei der Henkel AG in Düsseldorf. Dort war er zuvor auch CIO Western Europe und damit verantwortlich für die IT-Services in der umsatzstärksten Region.
Andreas Möller Seit März 2018 ist Andreas Möller Geschäftsführer IT/ Managing Director IT beim Lebensmittelhändler Aldi Nord in Essen. Zuvor war er dort Bereichsgeschäftsführer IT, verantwortlich für IT-Projekte & -Methodik.
Frank Hoe Frank Hoe ist seit September 2016 CIO DACH bei der L’Oréal Deutschland GmbH in Düsseldorf. Er blickt auf 15 Jahre Erfahrung als CIO und IT Direktor in internationalen Unternehmen wie McDonald’s, Dole Food Company, Aldi Stores UK/Ireland und beim TÜV Rheinland zurück. Hoes Vorgänger im Amt, Abder Dellys, ist in den Ruhestand gegangen.
Johannes Wechsler Johannes Wechsler ist seit Juli 2018 neuer Geschäftsführer der MediaMarktSaturn IT Solutions in Ingolstadt. Wechsler berichtet an Atul Bhardwaj, CTO der MediaMarktSaturn Retail Group und CEO der MediaMarktSaturn IT Solutions. Wechsler wird die Geschäftsführung der MediaMarktSaturn IT Solutions um Bhardwaj, Orhan Olgun und Thomas Gawron ergänzen. Zuvor, seit Mai 2015, war Wechsler CIO der ProSiebenSat.1. Media SE.
Max Thelen Weil Erwin Sattler in die Geschäftsführung aufstieg, übernahm Max Thelen im Herbst 2010 dessen Position als Bereichsleiter IT/ORG beim Pharmagroßhändler Sanacorp. Damit verantwortet er IT-Infrastruktur und Anwendungsentwicklung des Unternehmens. Zugleich fungiert er als Schnittstelle zu den Fachbereichen.
Michael Baier Neuer Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Infokom in Karlsruhe ist seit Juli 2018 Michael Baier. Infokom ist die IT-Tochter der Eurobaustoff, einer Kooperation für den mittelständischen Baustoffgroß und -einzelhandel. Zuletzt war Baier Vorstandsmitglied der Abas Unternehmensgruppe.
Jens Siebenhaar Jens Siebenhaar ist seit Oktober 2018 CIO beim Bekleidungsunternehmen C&A Europe. Zuvor arbeitete Siebenhaar als Geschäftsführers der REWE Systems GmbH. Siebenhaar war im März 2009 Leiter der IT bei REWE geworden. Er wechselte damals von der Baumarktkette OBI an den Rhein.
Frank Scholz Frank Scholz ist seit September 2018 Group CIO bei der Citti Handelsgesellschaft in Kiel. Er ist dort für die gesamte IT verantwortlich. Scholz war zuvor CIO bei der DB Regio. In den kommenden vier Jahren wird er sich die Aufgabe mit dem bisherigen IT-Leiter Matthias Ernst teilen.
Ulrich Wiedemann Ulrich Wiedemann ist seit September 2020 IT-Leiter von Vinzenzmurr. Zuvor war er CIO und COO beim Münchner Edelmetallhändler Pro Aurum, zu dem er Anfang 2020 von Essity gewechselt ist.
Jochen Jaser Jochen Jaser ist seit Juni 2019 neuer CIO beim Kölner E-Commerce Unternehmen HRS Group. Zuvor war Jaser bis Mai 2019 ein Jahr als CTO bei der Bearing Point Software Solutions GmbH in Frankfurt. Fast acht Jahre arbeitete er bei der Frankfurter Matrix42 AG, als CTO und CEO und sowie fünf Jahre bei der Karlsruher update4u Software AG, als Head of Product Management und CTO.
Andreas Helber Mit dem Jahreswechsel 2010/11 änderten sich die IT-Verantwortlichkeiten bei der BayWa: Andreas Helber wurde zum Finanzvorstand berufen und übernahm zugleich das IT-Ressort vom vormaligen Vorstand Frank Hurtmanns. Dieser verließ den Agrarhändler. IT-Dienstleistungen bezieht die BayWa über die RI-Solution GmbH, die sie Anfang 2002 zusammen mit der österreichischen RWA AG gegründet hat. Chef des Dienstleisters ist Eugen Berchtold.
Heinemann ist da skeptisch. Die Entwicklung sei aber kaum aufzuhalten und aus Branchensicht im Kern nachvollziehbar. "Durch Self Check-outs oder Smart Boxes erreichen Auslagerung und Automatisierung ihren Höhepunkt", erklärt er. Die Handelslehre beschreibe dies als "Integration des externen Faktors" - sprich: des Kunden - in die Eigenleistungen des Unternehmens. "Der gesamte Onlinehandel beruht letztlich auf diesem Prinzip", sagt der Fachmann. "Doch auch im stationären Handel sehen wir jetzt seine permanente Erweiterung."
Kassenkräfte fallen Kostendruck zum Opfer
Ein Hauptgrund sei der Wegfall von Kassenkräften. "Der Kostendruck gerade im Lebensmittelhandel führt dazu. Hinzu kommt ein massiver Personalmangel in allen möglichen Bereichen." Philipp Kolo von der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) betont, digital unterstützte Techniken zur Selbstbedienung hätten aus Kundensicht oft auch Vorteile: "Wenn ich nur möglichst schnell ein Standardprodukt haben möchte, kann eine automatische Kasse durchaus ausreichen. Oder wenn ich per Online-Banking eine rasche Überweisung machen will."
Es komme aber stets auf den Zusammenhang an. "Anders ist es, wenn ich gezielte Beratung suche, zum Beispiel im Fachgeschäft", erklärt Kolo. "Dann muss diese Beratung wirklich gut und umfangreich sein."
Zwischen Kostendruck und Personalmangel
Auch anderswo greift der Trend um sich. Wer in größeren Filialen der Fast-Food-Konzerne noch an der Theke ordert (beziehungsweise ordern darf), gehört mittlerweile zur Minderheit. Persönliche Bestellungen nehme man nur an, wenn der Laden gerade nicht zu voll ist, bekommt man mitunter zu hören - und teils gar nicht, dann bleiben nur die Displays mit Wartenummer über der Küchenzeile. Wer bar bezahlen will, wird in eine weitere Schleife geschickt, bis er das Essen holen kann.
Martin Fassnacht, Marketing-Professor an der Wirtschaftshochschule WHU, hält das digitale Outsourcing an den Kunden für lange nicht beendet. "Die Pandemie hat diese Entwicklung zusätzlich getriggert", sagt er. "Viele Anbieter von Dienstleistungen übertragen Aktivitäten auf ihre Kunden, um selbst Geld zu sparen. Das sieht man auch in der Medizin, etwa wenn es um Terminbuchungen bei Ärzten geht." Die Ursachen? "Ganz klar Ziele der Kostensenkung", so der Forscher, "nun auch mit bedingt durch die Energiekrise, und oft Personalmangel".
Zwang zum Self-Service
Ein regelrechter Zwang zum Self-Service mache sich breit. Nicht jeder Kunde toleriere das. "Diejenigen, die ihr Happy Meal weiter am Tresen bestellen wollen, werden benachteiligt", stellt Fassnacht nüchtern fest. "Aber der Trend kann sich bis in den Luxusbereich erstrecken."
Beispiele in günstigeren Häusern findet Kollege Heinemann auch in der Hotellerie. Selbst einchecken mit Codes und Zimmerkarten? "Das wird zunehmen. Und wer bietet eigentlich noch Gedecke als Frühstück an? Überall nur Buffets." Bereits bei der Planung einer Reise kann oder muss sich der Kunde derweil in steigender Tendenz durch einzelne Angebote klicken. So will etwa Tui verstärkt auf Kombi-Buchungen, nicht mehr nur auf fertige Pauschalpakete setzen. Sicher, das bringt mehr Auswahl - Ökonomen sprechen von Konsumentensouveränität, die für wettbewerbsfähige Preise und Konkurrenz unter den Anbietern sorgt.
"Dann findet man das gut"
Durch diese Brille betrachtet, ist die Logik der nahezu vollständigen Selbstbedienung nur scheinbar paradox. "Mancher Kunde assoziiert Service heute ja gar nicht mehr in erster Linie mit Menschen und Mitarbeitern", räumt Heinemann ein. Die höchste Zufriedenheit im Handel erhielten nicht selten Unternehmen, die Services in weiten Teilen ausgelagert hätten. Entscheidend für den Eindruck beim Endverbraucher sei, "dass der Preis genau deswegen geringer ist. Es muss klargemacht werden: Du hast dann alles günstiger. Dann findet man das gut."
Mögliche Schattenseite: Auch zur Zusammenstellung komplexer Produkte wie Autos gilt es, sich durch umfangreiche Konfiguratoren zu hangeln. Mancher zieht das dem Gang ins Autohaus vor und will bewusst seine Ruhe haben. Doch tauchen Sonderwünsche auf, gibt es weniger Feedback.
Viele Banken und Versicherungen beschäftigen weniger niedergelassene Berater, häufig muss man im Problemfall mit Telefon-Menüs oder gleich mit Chatbots vorliebnehmen. "Oder nehmen Sie medizinische Dienstleistungen", ergänzt Heinemann. Selbst gemachte Standard-Seh- oder -Hörtests, zentralisierte Krankenkassen-Portale breiteten sich aus. "Das ist sonst einfach in dieser Form nicht mehr bezahlbar."
Personalexperte Kolo appelliert an Unternehmen, das Thema digitale Selbstbedienung differenziert zu sehen. Damit meint er: "Wenn ich bestimmte Dienste verschlanke, werden dadurch Kapazitäten frei, um an anderen Stellen persönlichen Service auszubauen. Dort kann ich meine Beschäftigten sinnvoller einsetzen, um wirklich beratungsintensive Probleme zu lösen." Plumpe Digitalisierung ohne Nutzung der neuen Ressourcen riskiere hingegen, einen Teil der Kunden zu verlieren.
Ältere und Stammkunden nicht zurücklassen
Wohin entwickelt sich also die Do-it-yourself-Welt? Heinemann schätzt: "Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt." Man sehe, dass auch schon Beratungsdienste - wo sie noch existieren - an Verbraucher delegiert werden. "In sozialen Netzwerken beantworten Kunden Anfragen anderer Kunden, so dass aufwendige Service-Center gar nicht mehr nötig sind." Dienst am einfachen Kunden, wie die Massenkonsumgesellschaft ihn bislang kannte, könnte in der Tat aussterben. "Echtes Hirn und persönlicher Service werden fast unbezahlbar und zum Luxusgut."
Bei alledem dürfe die Wirtschaft indes nicht überreizen. Konsumenten wendeten sich ab, wenn Service- und Preisniveau nicht zueinander passten. Das habe das Schicksal vieler Warenhäuser gezeigt, sagt Heinemann. Er weist jedoch auch auf die Schwierigkeiten älterer Menschen hin, sich im Universum der PINs, TANs und QR-Codes zurecht zu finden. "Der eine oder andere wird völlig überfordert, das sieht man ja nicht nur am Fahrtkarten-Automaten. Auch der Gesetzgeber muss aufpassen, dass nicht Teile der Gesellschaft ausgegrenzt werden."
Letztlich müsse Service einen Wert behalten, warnt Fassnacht. Sonst gebe es "nur noch so wenige Momente der Wahrheit, der Begegnung, dass die Loyalität abnimmt. Das kann am Ende zu Kundenschwund führen." (dpa/rs)