Die Cebit will eine Veranstaltung für Geschäftsleute sein. Technik gilt als kaum mehr vermarktbar. Daher wurden kurzerhand die Hallen 1 bis 8 der Optimierung von Geschäftsprozessen gewidmet und - wie 2004 - die Bedürfnisse mittelständischer Anwender in den Mittelpunkt gerückt. Hier vermutet die Branche zu Recht Nachholbedarf und hofft auf eine satte Ausbeute. Neugierde ist auf alle Fälle vorhanden. So waren rund 330 000 Mittelständler unter den 500 000 Besuchern des vergangenen Jahres.
Die Dreiteilung der Messe in Business Processes, Communications sowie Digital Equipment and Periphery ist ein wenig grob gestrickt. So verbergen sich hinter den Business Processes so unterschiedliche Bereiche wie Speichersysteme und Dokumenten-Management (Halle 1), systemnahe Software und Business Intelligence (Halle 3), betriebswirtschaftliche Programme (Hallen 4 bis 6) sowie Sicherheit (Halle 7). Hinzu kommt noch die neue Outsourcing-Halle 8.
Lösungen statt Technik
Business Processes (Halle 1 bis 8): Bei IBM hält man die Vorgaben der Messe für vernünftig. Es passt in das On-Demand-Konzept, Technik hinter Lösungen zu verstecken. Entsprechend versucht Big Blue, sein Know-how anhand von Kundenreferenzen und Szenarien wie den Bankarbeitsplatz der Zukunft zu demonstrieren: Anhand einer internationalen Produkteinführung wird der Websphere-Einsatz mit personalisierten Portalen, Grid-basierten Simulationsanwendungen oder Integration dezentraler Prozessleitsysteme vorgeführt.
Technik ist dennoch mehr als genug zu sehen. Der Konzern führt eine IP-Communications-Plattform vor und Linux-basierte Speicherlösungen. Die Personal Computing Division zeigt einen nur vier Tennisbälle breiten Mini-PC und besonders sichere Notebooks, auch unter Suse-Linux. Im Zentrum des Kundeninteresses stehen vermutlich die chinesischen Lenovo-Manager, die extra zur Messe angereist sind. In der Mittelstandshalle 6 überlässt IBM das Feld den Partnern, in Halle 9 werden die Lösungen für E-Government gezeigt .
Sicherheit: langweilig, aber unerlässlich
Dass sich mit betriebswirtschaftlicher Software fast drei Hallen (4 bis 6) füllen lassen, zeigt, dass es bei aller Konzentration immer noch reichlich Anbieter gibt. Große Neuigkeiten sind von Softengine, SoftM, GUS, CIS, CAS, Infor, Microsoft, Sage, SAP und Co. nicht zu erwarten. SAP-Vorstand Henning Kagermann darf die Messe eröffnen und umgarnt ansonsten in Halle 4 seine Kunden, damit diese endlich von R/3 auf mySAP ERP umsteigen. Ansonsten stehen Banchenlösungen im Vordergrund des Messeauftritts, ebenso das hauseigene System für Customer Relationship Management (CRM) und natürlich die Netweaver-Plattform.
Schließlich kümmert sich SAP um ein Thema, dem sich die Kunden angesichts der Flut von Viren und Spam-Attacken widmen müssen. Die Walldorfer zertifizieren Sicherheitsprodukte und Anbieter. Die eigentlichen Sicherheitsspeziallisten wie Symantec, Utimaco, Secure Wave, Messagelabs und Sophos, aber auch die Polizei Hannover warten in Halle 7 auf Besucher. Die erste Handy-Infektion in Russland nimmt die von dort stammende Firma Kaspersky Labs zum Anlass, mobile Viren in das Zentrum ihres Auftritts zu stellen. Den Gefahren der IP-Telefonie widmen sich neben den Experten aus Halle 7 auch die Netzwerk-Kollegen Cisco und Nortel in Halle 13 sowie Netgear in Halle 15.
Spannender als die Suche nach Schutz des E-Mail-Systems gegen unerwünschte Post dürfte für viele Besucher sein, herauszufinden, was Symantec mit dem zugekauften Speicherspezialisten Veritas (Halle 3) vorhat. Gesprächspartner für Themen wie Backup sowie Disaster Recovery, aber auch zur Datenverfügbarkeit stehen auf dem Stand bereit.
Logistik-Revolution
Eindeutig als trendy gelten Funk-Chips. SAP unterstützt Radio Frequency Identification (RFID) mit seiner ERP-Software. Middleware-Spezialist See Beyond (Halle 1) baut zusammen mit Partner Sun Microsystems Branchenlösungen. Psion (Halle 6) bindet seine Handheld-Geräte in RFID-gestützte Logistikketten ein. Teradata bietet seine gleichnamige Data-Warehouse-Technik zur Analyse der gewaltigen Datenmengen an, die entstehen, wenn die Funketiketten nicht nur für die Fertigungslogistik, sondern tatsächlich auf jedes Produkt appliziert werden. Doch die Technik steht noch am Anfang. Generell sinken die Preise je Chip durch neue Fertigungsverfahren, doch nicht jeder Chip eignet sich für jede Umgebung. Interessenten müssen sich mit den für sie neuen Funkproblemen auseinander setzen. Dazu gehört die Frage, was geschieht, wenn sich das Funkverhalten ändert, weil die Chips in feuchte oder metallische Umgebungen geraten. Auch sind noch internationale Standards abzuklären, damit chinesische Häfen die Produkte in amerikanischen oder europäischen Containern erkennen. Diskutiert wird die vom ITK-Branchenverband Bitkom als "Logistik- und Sicherheits-Revolution" eingestufte Technik in Halle 6 unter der Überschrift "Automatic Data Capture".
Virtualisierung von Betriebssystemen (IBM in der Mainframe-Welt, EMC-Tochter VMware für die x86-Systeme), von Rechenzentren (Sun, IBM) und von Speichersystemen (EMC, HDS, Network Appliance) sind en vogue. In allen Fällen geht es darum, Ressourcen nicht mehr händisch zu verwalten, sondern einem Controller oder einer anderen Management-Software zu überlassen. Speichernetze und Rechenzentren werden so für die User zur Blackbox und für die Administratoren zu Systemen, innerhalb derer sich Ressourcen einfacher umschichten lassen. Als Spezialfall der Virtualisierung etabliert sich gerade die Bezeichnung Storage Grid, wie etwa bei Network Appliance.
Auch Speicherspezialist Hitachi Data Systems (Halle 1) bemüht sich unter dem Schlagwort "anwendungsoptimierte Speicher", Lösungen anstatt reiner Technik zu zeigen. Konkret geht es dabei um Virtualisierung, Storage Area Mangement, Disaster Recovery und das immer wieder verschmähte Thema Businesss Continuity.
Speicher für den Mittelstand
Den Mittelstand umwirbt das Unternehmen mit Demonstrationen, wie dem Aufbau eines Storage Area Networks (SAN), aber auch mit eigenen Produkten. So spart die Speicherplattform "Tagma Store" durch ein Virtualisierungskonzept Speicher und durch ein einheitliches Management (auch externer Systeme) zusätzlich Kosten. Mit der Software konkurriert HDS unter anderem gegen IBMs "SVC" oder den "Storage Router", der EMC (Halle 1) den Zugang in den Virtualisierungsmarkt verschaffen soll. Ansonsten legt EMC in Hannover das Hauptaugenmerk auf Information Life Cycle Management. Auch der EMC-Stand wird von Partnern wie TSystems, Fujitsu-Siemens oder Adiva bevölkert sein. Lösungen statt Techniken zu präsentieren, zwingt die Hersteller zur Kooperation beim Messeauftritt. Nicht entziehen können sich die IT-Hersteller dem Trend zur Verschmelzung mit der Consumer-Elektronik (Hallen 1 und 2, 19 bis 27). Siemens baut seine Gigaset-Telefone zur Konsumentenmarke aus, bei der es um WLAN-Router, ein Dect-Modul zum schnurlosen Telefonieren via Internet oder um eine Settop-Box geht. Auf diese Weise ließe sich zum Beispiel die Rechnerfestplatte als digitaler Videorekorder benutzen.
Das Media-Center für zu Hause
Microsoft und Intel (beide in Halle 2) wollen das Wohnzimmer zum Media-Center umbauen. Unter dem Motto "Modern Living" erleben Microsoft-Besucher in einer 90 Quadratmeter großen Wohnung das Zusammenspiel von Spielekonsole, Tablet-PC, Smartphone und Fernseh-Betriebssystem. Im Mittelpunkt steht die neue Microsoft Windows XP Media Center Edition 2005, mit der Anwender alle digitalen Medien per Fernbedienung nutzen. Unterwegs will Microsoft seine Kunden mit Navigations-Tools, Reiseführern, Info-Services, Musik und Spielen bei der Stange halten. Ein ähnliches Szenario baut der Chip-Lieferant Intel, um zu zeigen, wie gut die hauseigenen Prozessoren den digitalen Lifestyle unterstützen.
Zukunftsmusik ist das vernetzte Heim vor allem, weil die Rollenverteilung der Player noch ungeklärt ist. So läuft die Settop-Box von Microsoft-Partner Siemens unter Linux. Generell wird der Bedienungskomfort damit erkauft, dass Fremdsysteme außen vor bleiben. Doch auch die einfachsten Lösungen sind nicht so ausgereift, dass man sich vorstellen kann, wie Technik-Laien ein solches Netz aufbauen oder warten können.
Geschürt werden die Hoffnungen auf den Erfolg von Digital Home durch eine Reihe von Entwicklungen vor allem im Broadcasting- und Netzbereich. Digitales Breitband-Fernsehen, ob via Settop-Box oder Kabel, wird bald amtlich verordnet. Damit bekommt endlich das so genannte Triple Play eine Chance, sprich die Übertragung von Sprache, Bild und Daten via Netz.
IP-Kommunikation setzt sich durch
Diese Aussichten treiben nicht nur die Hersteller von Settop-Boxen, High-Definition-Fernsehern und digitalen Videorekordern auf die Messe. Die Infrastruktur für das digitale Zuhause, vor allem aber auch für betriebliche Multimedia-Dienste wie IP-Telefonie und in Verbindung damit das Multiprotocol Label Switching (MPLS), beschäftigt die Carrier in den Communications-Hallen (Hallen 11 bis 16, 26 plus Pavillons). Entsprechende Konzepte und Komponenten zeigen British Telecom, Cisco (Halle 13), IBM, Rivestone, Alcatel, Juniper, Nortel und andere.
Das Thema betrifft nicht nur die TK-Industrie: Cisco demonstriert live IP-Kommunikationspakete für Firmen, Filialen und Heimarbeitsplätze sowie Service-Provider-Lösungen. Neben IP-Telefonen, CTI-Werkzeugen (Computer-Telefonie-Integration), Unified Messaging und der Call-Center-Software IP Contact Center runden Videotelefonie sowie Konferenzschaltungen die Ende-zu-Ende-Kommunikationslösung ab. Getrieben wird das Geschäft vom Trend zur IP-Telefonie, die sich auf Basis des Session Initial Protocol (SIP) privat und im Unternehmen immer mehr durchsetzt.
Zu den Anbietern von IP-Lösungen gehören unter anderen 3Com (Halle 13) und Avaya (Halle 13). Siemens (Halle 26) präsentiert mit dem Gigaset "M34 USB" zur Cebit die nach eigenen Angaben weltweit erste Voice-over-IP-Lösung mit schnurlosen Dect-Telefonen. Arcor bietet mit Arcor@call einen Voice-over-IP-Dienst, bei dem der Nutzer nicht mit Web-Adressen hantieren muss, sondern wie gewohnt Telefonnummern wählt.
Fehlende Geschäftsmodelle im Mobilfunk
Nach dem UMTS-Launch im vergangenen Jahr wollte die Mobilfunkbranche dieses Jahr eigentlich mit unwiderstehlichen Anwendungen aufwarten. Die sind jedoch weitgehend ausgeblieben. Anbieter Vodafone allerdings, der schon im vergangenen Jahr mit seiner UMTS-Karte für Notebooks Furore gemacht hat, verfolgt den eingeschlagenen Weg weiter und setzt auf mobile Videotelefonie. "Vodafone Mobile TV" bringt maßgeschneiderte TV-Inhalte aufs Handy, zum Beispiel ausgewählte Programmteile von RTL, N24, MTV oder Spielübertragungen aus der Fußball-Bundesliga. Auch der schnelle Musik-Download auf das Handy mit anschließender Internetübertragung auf den heimischen PC gehört zu den aktuellen UMTS-Anwendungen.
Generell herrscht in der Branche Verärgerung, kein tragfähiges Geschäftsmodell gefunden zu haben. Daher flüchten sich viele Mobilfunkanbieter in Visionen wie Seamless Roaming - der Kunde braucht nicht mehr zu wissen, ob seine Daten via UMTS, Wireless LAN oder GPRS auf sein Handy kommen. Schwer vorhersagbar bleibt, was der Wechsel zwischen den Diensten kosten soll. Zudem wurden Ende Februar auf der 3GSM-Konferenz in Cannes die Weichen für die UMTS-Nachfolge gestellt. Hinter dem Kürzel HSDPA steckt eine Technik zur Beschleunigung von UMTS, die Vodafone auf der Cebit zeigt. Als UMTS-Nachfolger für den Datenverkehr wird der drahtlose Standard Wimax gehandelt.
Eine zweite Hoffnung verbirgt sich hinter dem Schlagwort mobiles Büro. Die wenig ergiebigen Sprachdienste sollen um den lukrativeren Transport von Daten ergänzt werden. Dabei schielen die Mobilfunker auf den Erfolg des Blackberry. Auch wenn Palm, Vodafone und T-Mobile Geräte mit dieser Push-E-Mail-Technik präsentieren, ist noch nicht klar, ob der Markt für diese im Vergleich zu SMS teure Datenkommunikation groß genug ist, um rentabel zu sein. RIM selbst zeigt seine Lösungen in Halle 12 (A30).