In Führung gehen? Nee, lieber nicht. Immer weniger Experten haben Lust darauf, Personalverantwortung zu übernehmen, wie das "Manager-Barometer 2013" herausgefunden hat. Das betrifft vor allem die Jüngeren, die sich lieber mit einer spannenden Aufgabe befassen, anstatt sich mit für sie lästigen Personalgesprächen und anderen Führungsaufgaben herumzuschlagen.
In der Karrierefalle
Unbenommen bleibt es jedem selbst überlassen, ob er Karriere machen möchte oder nicht. Nur offenbart sich genau hier der Kern des Problems: Ohne Personalverantwortung zu übernehmen klettert ein Experte nicht die Karriereleiter hinauf. Das schlägt sich vor allem im Gehalt nieder, aber auch in der unternehmensinternen Anerkennung. In etlichen Firmen gilt: Wer nicht führt, gilt nicht als erfolgreich. Ganz egal, ob derjenige zufällig der Top-IT-Experte auf seinem Gebiet ist.
Schnell ist eine Spitzenkraft frustriert, wenn sie jahrelang auf der Karrierestelle tritt. Oft sehen sich diese Mitarbeiter vor die Entscheidung gestellt: Entweder man wechselt das Unternehmen - oder beugt sich dem Druck und übernimmt widerwillig Personalverantwortung. Beides kann für eine Organisation von Nachteil sein. Schließlich wollen Firmen gerade Fachpersonal halten - aber mit unwilligen Führungskräften ist auch keinem geholfen.
Ist die Fachkarriere die Lösung?
Als Ideallösung erscheint die Fachkarriere auf den Schirmen vieler Personaler und IT-Spezialisten. Die Fachkarriere ermöglicht es, zwei Karrierelaufbahnen in einem Unternehmen etablieren, die gleichwertig sind - so denken zumindest viele Personalleiter. Aber ist das wirklich so, kann eine Fachkarriere eine "richtige Karriere" ersetzen?
Jein. Oft hake es an der Umsetzung, meint Armin Trost, Professor für Personalmanagement an der Hochschule Furtwangen und Coach für Personalleiter in einer Unternehmensberatung. Er forscht an der Fachkarriere und sieht bei Unternehmen zwei Stoßrichtungen, warum eine Fachkarriere etabliert wird. Nur eine davon sei wirklich sinnvoll.
Bedarfsorientierte Fachkarriere
"Es gibt Firmen, die an bestimmten Stellen Experten brauchen, die extrem tief in einer Thematik drin sind", sagt Trost. Würde bedarfsorientiert eine Fachkarriere in Unternehmen eingeführt, sei das sinnvoll, so Trost. "Bei SAP gibt es zum Beispiel die 'Escalation Manager'. Sie kommen zum Kunden, wenn das Band steht, weil im SAP-System etwas hakt", gibt er ein Beispiel. "Das sind Experten auf ihrem Feld. Was sie sagen, gilt. Aber auch wenn sie Zugang zum Vorstand haben - Führungskräfte sind sie keine", erklärt Trost.
Diese "SAP-Notärzte" seien in der Firma sehr angesehen; eine solche Rolle zu haben, steigere das Unternehmens-interne Ansehen enorm. "In diesem Fall funktioniert die Fachkarriere, weil die Experten gebraucht werden, weil sie anerkannt sind und weil sie Zugang zu den Entscheidern haben", führt Trost aus.
Die aufgestülpte Fachkarriere
Nur ist diese Art der Fachkarriere in deutschen Firmen noch nicht dominierend. "Es herrscht eher ein 'Ich mache es den Mitarbeiter Recht'-Ansatz vor", sagt Trost. Da hat ein Unternehmen zum Beispiel einen IT-Experten, der unverzichtbar ist, damit das IT-System läuft. Weil die Firma aber kein IT-Unternehmen ist, wird dieser Experte nicht als entscheidend für den Erfolg angesehen. Wie wertvoll der ITler für das Unternehmen tatsächlich ist, wird oft nicht erkannt. Ihn verlieren möchte man aber auch nicht, schließlich ist eine Neubesetzung teuer und zeitaufwändig.
So setzen einige Firmen auf die Fachkarriere, um den Kollegen zu halten. "Man will dem Experten Goodies anbieten: mehr Gehalt, ein Firmenwagen, ein Einzelbüro und Arbeitszeitflexibilität. Es geht um eine Gleichstellung der Experten gegenüber den Führungskräften", sagt Trost. Das klingt nicht schlecht, doch an der Umsetzung hapert es. "Aber bei diesem Ansatz würde ich zur Vorsicht raten", sagt Trost. Das Problem dahinter: "Man versucht so, durch formelle Aspekte Anerkennung zu schaffen - aber das wird kaum funktionieren", führt der Psychologe und Personalmanagement-Professor aus.
Fachkarriere stört die Hackordnung
Dahinter steckt, dass in jedem Unternehmen eine soziale "Hackordnung" existiert. Wer "etwas zu melden" hat, genießt soziale Anerkennung in einer Organisation. "Aber diese Form der zwischenmenschlichen Anerkennung kann man mit Formalitäten nicht erzwingen", sagt Trost. "Das muss in den Herzen der Mitarbeiter stattfinden." Er glaubt nicht, dass eine Fachkarriere in Firmen funktionieren kann, in denen die Experten nicht anerkannt sind. "Den Escalation Manager hat man bei SAP auch nicht geschaffen, weil man es einem Mitarbeiter recht machen wollte, sondern weil man ihn brauchte", sagt Trost.
Das klingt zunächst wenig erfreulich für ITler. Kann die Fachkarriere für IT-Experten also nur in IT-Unternehmen funktionieren? Das hängt vom Mitarbeiter selbst ab. "Den wahren Experten geht es oft gar nicht um die Anerkennung, sondern um die richtigen Rahmenbedingungen, mit denen sie tief in ein Thema eintauchen können", sagt Trost. Schließlich hätten gerade IT-Experten innerhalb ihrer Community (die über Unternehmensgrenzen hinweg funktioniert) ihre Anerkennung. Dass sie von ihren Kollegen, die von einem Spezialthema wenig Ahnung haben, selbige nicht bekommen, ist für sie meist erst mal nicht ausschlaggebend. Zu Reibereien im Berufsalltag kann es trotzdem kommen - und die sind problematischer als fehlende Anerkennung.
Die erfolgreiche Etablierung einer Fachkarriere scheitert häufig nicht an der Anerkennung, sondern an etwas anderem. "Den Experten ist oft vor allem die Freiheit wichtig", sagt Trost. Will also ein Unternehmen eine Fachkarriere etablieren, dann sollte es seinen Experten Raum geben, sich zu entfalten. Doch da fangen die Probleme erst an.
Probleme programmiert
Problematisch ist hierbei vor allem die Organisationsebene. "Wenn ich in einem sehr hierarchischen Unternehmen versuche, einen Nebenpfad aufzumachen, kann es zu Konflikten kommen", sagt Trost. "Häufig sind Freiräume für Mitarbeiter im Denken von Führungskräften gar nicht vorgesehen." Da vereinbarten Vorgesetzte, die wenig Ahnung von einer Materie hätten, letztlich doch Ziele mit Experten. "Dass es dann zum Clash kommt, weil der Experte natürlich haushoch überlegen ist, ist klar", sagt Trost. Er ist sich sicher, dass Unternehmen mit einem klassischen Führungsansatz sich schwertun, Menschen in einer Fachkarriere zu führen. Die Unternehmensgröße sei dagegen nicht entscheidend für eine erfolgreiche Fachkarriere. "Das kann auch in kleineren Unternehmen funktionieren", sagt Trost.
An der Fachkarriere führt kein Weg vorbei
Trotz der Probleme, die es mit der Etablierung einer Fachkarriere geben kann, sieht Trost gute Aussichten für Spezialisten. "Zunehmend wird die Arbeitswelt von Experten dominiert. Dass Spezialisten in Projekten zusammen arbeiten, wird Normalität", sagt er. In diesem Zusammenhang werde sich auch das Thema Hierarchie verändern, sagt er. Zunehmend werde es agile Strukturen geben, die Arbeitswelt werde immer komplexer. Das sind gute Nachrichten für Spezialisten: "Komplexe Systeme kann man nicht hierarchisch führen - und da werden wir unsere Experten wiederfinden", sagt Trost.