Manager-Vergütung

Gehaltsverhandlungen sind wie Poker

07.07.2014 von Claudia Tödtmann
Alexander Insam, Experte für Top-Manager-Gehälter bei KPMG, erklärt, warum das Thema Bezahlung für Dax-Kapitäne so komplex ist. Und Konzerne dafür einen eigenen Führungsposten brauchen.
Alexander Insam, Jurist und Vergütungsexperte für Top-Manager-Gehälter bei KPMG sieht in der sogenannte Ambiguitätstoleranz die entscheidende Eigenschaft von Top-Managern.
Foto: KPMG

Herr Insam, die Gehaltsfindung für Top-Manager ist so komplex, dass hochspezialisierte Vergütungsexperten dafür gerne mal 100.000 Euro Honorar je Fall bekommen und anschließend ebenso hochspezialisierte Anwälte wie Sie das Ergebnis in einen mehr als zehn Seiten langen Vertrag fassen. Warum muss das Ganze so kompliziert sein?

Alexander Insam: Weil die Ansprüche aller Beteiligten hoch sind. Top Manager tragen viel Verantwortung und müssen heute - anders als noch vor zehn oder 20 Jahren - auch mit der eigenen Entlassung rechnen. Häufige Arbeitgeberwechsel sind inzwischen mehr Regel als Ausnahme im Lebenslauf. Beide Seiten – Unternehmen wie Top-Manager - wollen sich deshalb immer stärker absichern. Das Unternehmen möchte nicht viel Geld ohne Gegenleistung zahlen. Der Top-Manager möchte im Fall seines Misserfolgs aber auch nicht das ganze Risiko tragen. Deshalb müssen bei der finanziellen und rechtlichen Gestaltung viele "was passiert, wenn-Fragen" bedacht und geregelt werden. Je größer das Unternehmen, je vielschichtiger die Anforderungen, desto mehr Fragen und umso komplizierter ist die Gestaltung. Das Recht bildet immer den Rahmen, der ist eben bei einem großen Bild mit vielen Farben groß und bei einem kleinen Bild klein.

Wie sind nun Vorstandsgehälter strukturiert?

Alexander Insam: Im Grundsatz bekommen Top-Manager ein Fixgehalt, dazu ein leistungs- und erfolgsabhängiges variables Gehalt und oft obendrein eine betriebliche Altersversorgung. Weitere Bausteine sind beispielsweise Dienstwagen, Umzugsbeihilfen, Lebens- und D&O Versicherungen.

... aber der Gesetzgeber greift bereits ein ...

Alexander Insam: Ja, interessant ist, dass der Gesetzgeber ausgehend von der Finanzbranche anfängt, den Unternehmen strikte Vorgaben vor allem bei der variablen Vergütung zu machen. Ab 2014 wird das Verhältnis von fixer zu variabler Vergütung bei Banken und anderen Finanzdienstleistern nur noch 1:1 betragen. Ein Beispiel: Ein Top-Manager mit einem Festgehalt von 600.000 Euro darf dann nur noch maximal 600.000 Euro Bonus erhalten.

... ohne Ausnahmen?

Alexander Insam: In Ausnahmefällen, also wenn die Anteilseigner der Institute zustimmen, soll 1:2 möglich sein. Ich gehe davon aus, dass die Banken erst der Anfang sind und andere Branchen in den nächsten Jahren folgen werden, weil die bisherigen Corporate-Governance-Vorschriften mehr Diskussionen in der Öffentlichkeit über die Angemessenheit von Manager-Gehältern ausgelöst als beruhigt haben.

In den USA müssen künftig die Gehälter von Vorständen der Aktiengesellschaften im Detail offen gelegt werden. Steht so eine Regelung hier bald auch ins Haus?

Alexander Insam: In den USA sollen zukünftig alle Gehälter von CEO´s bis in ihre einzelnen Bestandteile vollständig offengelegt werden. Bislang ist in Deutschland nur die Summe aller Vorstandsgehälter veröffentlichungspflichtig. Die Regelungen zur Transparenz werden aber weiter zunehmen, das Rad lässt sich hier nicht mehr zurück drehen, weil der politische Druck immens ist. Befragungen zeigen, dass - als Folge der Finanzkrise - Top-Manager Vertrauen in der gesellschaftlichen Wahrnehmung eingebüßt haben. Dies gilt auch für Corporate Unternehmen, insbesondere Dax-Unternehmen, die besondere Aufmerksamkeit in allen Compliance und Vergütungsfragen erfahren.

Top-Manager müssen immer in der Zukunft denken

Was muss in Manager-Verträgen heute stärker und detaillierter geregelt werden als früher?

Alexander Insam: Das Spiel heißt heute eher Poker statt Schach. Sie können nicht mehr alles strategisch planen und durchdenken, weil sich die Entscheidungsparameter andauernd ändern. Durch die Globalisierung und die Entwicklung zum Informationszeitalter sind die äußeren Einflüsse komplexer, schnelllebiger und unsicherer geworden. Das ist schwierig für Unternehmenslenker, die in den vergangenen Jahren Prozesse und Produktionsabläufe immer weiter optimiert haben und dann feststellen, dass dies nicht mehr reicht, um erfolgreich zu sein.

Sondern?

Alexander Insam: Top-Manager müssen heute viel mehr in alternativen Szenarien denken und bereits an die Produkte des Kunden von Morgen. Die beherrschende Frage ist: Was geschieht in Zukunft? Und die Zukunft ändert sich teilweise stündlich. Deshalb arbeiten an den Börsen inzwischen Mathematiker und Physiker als Finanzexperten, die mit Spieltheorie und Algorhythmen umgehen.

Immer wichtiger ist als Entscheidungskompetenz sogenannte Ambiguitätstoleranz, also die Fähigkeit, Lösungslosigkeit auszuhalten und Fragen zu stellen statt vorschnell zu antworten. Früher war es erst die traditionelle Fach- und dann die Sozialkompetenz.

Und deshalb müssen Vergütungsstrategien heute ebenso hochkomplex sein? Mit mittel- kurz- und langfristigen Elementen?

Alexander Insam: Das ist der springende Punkt, um diese Veränderungsgeschwindigkeit und Vielfältigkeit der Anforderungen an Führungskräfte auf der Vergütungsseite abzubilden, müssen Unternehmen auch dort in Szenarien und unterschiedlichen Bemessungs- und Beurteilungszeiträumen denken. Also arbeiten alle großen und immer mehr mittlere und kleine Unternehmen mit variablen Vergütungsbestandteilen, die entweder als Bonus oder Tantieme kurzfristig am Jahresende gezahlt werden oder als sogenannte Long Term Incentives teilweise auch mit Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen oder betrieblicher Altersversorgung kombiniert werden. Gerade Konzerne haben deshalb oft innerhalb der Human-Ressources-Abteilung oder als Vorstandsstab einen Leiter Compensation & Benefits, der für das Gehaltssystem verantwortlich ist.

Ein eigener Spezialist nur für die Festlegung der Höhe der Bezüge der Top-Manager hört sich in Zeiten knapper Kassen recht luxuriös an.

Alexander Insam: Es klingt schon paradiesisch, sich als Head of Compensation-&Benefits über das Gehalt anderer Gedanken machen zu dürfen und dafür gut bezahlt zu werden. Doch ein sogenannter Comp. & Ben. Manager muss nicht nur die Gehälter der Konkurrenz beobachten, also er tauscht sich in Netzwerken wie der Global Equity Organization (GEO) oder dem Bundesverband der Personalmanager (BPM) mit Kollegen aus und holt Vergütungsstudien ein. Er ist auch der Hüter der Unternehmenskultur. Balanciert er das System nicht richtig, werden Führungskräfte und Mitarbeiter neidisch, werden demotiviert und verlassen das Unternehmen. Hohe Konfliktkosten sind die Folge.

Die Manager haben verantwortungsvolle Führungsaufgaben

Also ist ein Compensation & Benefits-Manager auf Augenhöhe mit den Top-Managern?

Alexander Insam: Tatsächlich hat jeder Compensation- &-Benefits-Manager somit eine sehr verantwortungsvolle Führungsaufgabe. Dies gilt auch für die Führung der Top-Manager, die beim Thema Vergütung nicht nur Konzepte verstehen, sondern mitgenommen werden möchten. In eigener Sache ist, denkt und handelt jeder Mensch emotional, so dass der Compensation & Benefits-Manager auch als Kommunikator, manchmal Mediator, gerade gegenüber den Führungskräften und idealerweise auch dem Vorstand gefragt ist. Schließlich fordert der große Fleiß des Gesetzgebers in Deutschland aber vor allem auch die hohe Schlagzahl der EU mit immer mehr Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien, aktuell bei Banken, Fonds und Versicherungen ein immer größeres juristisches Verständnis, so dass sich dieses Human-Ressources-Berufsbild von Betriebswirtschaft und Psychologie hin zu mehr Juristerei wandelt.

Was gibt es außer dem Gehalt am Monatsende für Top-Manager, was auch nicht im Geschäftsbericht nachzulesen ist?

Die meisten Vorstände fahren Mercedes S-Klasse (Foto), BMW 7er oder Audi A8.
Foto: Daimler AG

Alexander Insam: Je nach Branche und Persönlichkeit des Top-Managers ist vor allem der Dienstwagen samt Parkplatz für Top-Manager wichtig. Vor allem, wenn sie sich jedes Fahrzeug aussuchen dürfen. Früher wollte jeder einen Porsche fahren, heute stehen in den Garagen SUV´s oder sportliche Kombis. Die meisten Vorstände fahren Mercedes S-Klasse, 7er BMW oder Audi A8. Noch sind Elektroautos die Ausnahme. Auch die Arbeitsbedingungen auf Dienstreisen sind relevant: Die Economy- Klasse ist auf Inlandsflügen heute akzeptiert. Für internationale Flüge lassen sich die meisten Business-Klasse vertraglich zusagen.

Wie steht es mit den Altersbezügen, die Konzerne in den Bilanzen verstecken?

Alexander Insam: Betriebliche Altersversorgung ist zunächst einmal sehr positiv auch in der Perspektive des Gesetzgebers, da sie langfristig wirkt und kurzfristige Gehaltsexzesse vermeidet. Deshalb verschonen die Regelungen im Bankenbereich bislang auch feste Beiträge zur Altersversorgung. In der Bilanz wird im Übrigen nichts versteckt sondern gut nachlesbar ausgewiesen. Wie viele Pensionsverbindlichkeiten ein Unternehmen hat, wird von Wirtschaftsprüfern testiert und lässt sich jederzeit nachlesen.

Sollten Manager ganz auf Boni verzichten, wie es Management-Guru Reinhard Sprenger fordert und wie es manche Unternehmen auch machen? Management-Guru Reinhard Sprenger verteufelt Boni immer schon.

Alexander Insam: Viele verstehen heute, dass die Möhre-vor-dem-Esel-Theorie nur begrenzt funktioniert. Dass Motivationen durch Gehaltserhöhungen und Boni rasch verpuffen. Deshalb zahlen in den USA immer mehr Unternehmen wieder ein Festgehalt – sogar den Vertrieblern. Ich meine auch, dass intrinsische Motivation durch Spaß an der Arbeit und herausfordernde Ziele entsteht. Schließlich hat im Hinblick auf die Arbeitszeit das klassische Dreier-Modell Kinder/Jugendzeit, Erwerbs/Familienzeit und Rentenzeit ausgedient. Und dass lebensphasenorientierte Personalpolitik wichtiger wird, so dass es auf individuelle Arbeitszeitmodelle für jeden Mitarbeiter und jede Lebensphase etwa mit regelmäßigen Sabbaticals und vor allem Teilzeitarbeit gerade für Führungskräfte ankommt. Auch der beste Formel-Eins-1-Motor brennt aus, wenn er nicht mal abschaltet.

(Quelle: Wirtschaftswoche)