Die ersten Herbststürme fegten bereits über das Land. Auch so mancher IT-Arbeitgeber darf sich warm anziehen, wenn er sich in die Details der diesjährigen Trendence-Studie vertieft. Knapp die Hälfte der befragten jungen Informatiker und Wirtschaftsinformatiker mit Berufserfahrung will in den kommenden zwei Jahren den Job wechseln. Manche suchen innerhalb ihrer Firma nach neuen Aufgaben, wenige planen die berufliche Selbständigkeit und andere zieht es zurück an die Hochschulen für ein weiteres Studium. Für ein Drittel der Befragten steht allerdings fest, dass sie kündigen wollen.
Dabei könnte die Welt der jungen Berufserfahrenen so schön sein. Sie verdienen mit durchschnittlich 55.507 Euro pro Jahr viel Geld und sie strotzen nur so vor Selbstbewusstsein. Knapp die Hälfte der Befragten schätzt ihren Marktwert als sehr gut ein, weitere 47 Prozent sieht sich gut positioniert und nur vernachlässigbare 3,3 Prozent rechnet sich schlechte Karrierechancen aus. Andere Akademiker mit Berufserfahrung geben sich etwas bescheidener, denn von ihnen bewerten nur 35 Prozent ihren Marktwert als exzellent.
Die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit
"Bei den Arbeitgebern müssen bei diesen Aussagen alle Alarmglocken läuten, denn die Young Professionals im IT-Umfeld treten sehr selbstbewusst am Arbeitsmarkt auf", erklärt Annekatrin Buhl von Trendence in Berlin. Attraktive Aufgaben, persönliche Entwicklung, Wertschätzung der Mitarbeiter und Karriereperspektiven sind den Befragten besonders wichtig. Auch einen guten Führungsstil erwarten sie von ihrem Arbeitgeber sowie ein gesundes Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit.
Doch auch wenn viele Firmen mit diesen Attributen für sich werben, so kritisieren die Young Professionals, dass es oft bei leeren Versprechungen bleibt. Im Arbeitsalltag dominieren stupide Aufgaben, wenig Wertschätzung und ein rauer Umgangston. Und so mancher IT-Chef reibt sich die Augen, denn die IT-Youngster nennen tatsächlich "Gehalt" als wichtigsten Wechselgrund. Gleich dahinter rangiert die "Lust etwas Neues auszuprobieren" sowie fehlende Karriere-, Entwicklungsmöglichkeiten sowie Wertschätzung.
Alle wollen (immer noch) zu Google
Freuen können sich Google, BMW und IBM, denn sie führen das Ranking der beliebtesten Arbeitgeber für den IT-Nachwuchs an. Am Suchmaschinengigant Google prallen alle schlechten Nachrichten ab wie an einem Neoprenanzug. Die Datenkrake liegt in der Gunst der IT-Freaks uneinholbar vorne. "Google hat noch mal deutlich zugelegt und steht für attraktive Aufgaben, spannende Produkte und ist eine Spielwiese für Informatiker", erklärt Buhl. Doch auch die Automobilbranche zieht viele IT-Experten an und schnappt anderen Branchen die Fachkräfte weg.
Die Trendence-Frau glaubt, dass sich hier auch die Investitionen in Personal-Marketing-Maßnahmen auszahlen. Enttäuschend schnitt dagegen in diesem Jahr SAP ab. Die Walldorfer überraschten im Sommer mit Gerüchten über Umstrukturierungen und betriebsbedingten Kündigungen. Annekatrin Buhl vermutet, dass die Befragten sehr genau die aktuellen Nachrichten verfolgten und darauf reagierten. SAP rutschte von Platz drei auf die sechste Position ab.
Zwischen dem dritten und dem sechsten Rang lieferten sich die Unternehmen ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen. Microsoft schaffte es dabei auf Platz fünf. In Unterschleißheim freut das die Personaler. Sie vermuten, dass Zukunftsthemen wie Mobile und Cloud die Young Professionals anziehen. "Gerade für die Generation Y ist eine offene und mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur, kombiniert mit flexiblen Arbeitsmodellen wichtig", sagt Esther Löb, Leiterin Personalmarketing und Recruiting Microsoft Deutschland. Auch das ergebnisorientierte Arbeiten ganz unabhängig von festgelegten Arbeitszeiten und einem Büroarbeitsplatz trägt zur Attraktivität bei, vermutet sie.
Microsoft setzt für alle gesuchten Berufs- und Qualifikationsstufen auf die direkte Ansprache. Karrieremessen und Hochschulveranstaltungen zählen zu wichtigen Recruiting-Events. "Social-Media-Recruiting wird zunehmend wichtiger", meint Löb. Auch danach fragte Trendence. Bereits 43 Prozent der befragten Young Professionals mit IT-Qualifikation nutzen intensiv soziale Netzwerke, um mehr über potenzielle Arbeitgeber zu erfahren. Allerdings ignorieren auch 33 Prozent diese Informationsquelle. Die auf Karriereplanung ausgerichteten Netzwerke Xing und LinkedIn versuchen sich seit längerem als Recruiting-Plattformen zu positionieren. Allerdings scheint ihnen das bei den Berufserfahrenen noch nicht besonders gut zu gelingen. Nur 21 Prozent der IT-Profis haben sich schon direkt über eines dieser Karrierenetzwerke bei einem Arbeitgeber beworben, 69 Prozent verneinen diese Frage ganz.
Öffentlicher Dienst als sicherer Hafen
Auf den 13. Platz schaffte es eine Behörde, deren sperriger Name aus der Riege der Arbeitgeber heraussticht. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, kurz BSI, verbesserte sich gegenüber dem vergangenen Jahr um weitere fünf Plätze. Auch die davor gelisteten Weltkonzerne Amazon und Siemens mit mehreren zehntausend Mitarbeitern verfügen nur über einen minimalen Vorsprung. In Bonn hört Anke Gaul aus der Personalabteilung des BSI solche Ergebnisse gerne, ohne sich jedoch besonders darüber zu wundern, denn auf ausgeschriebene Positionen erhält die Bundesbehörde immer viele und gute Bewerbungen. IT-Sicherheit dominierte in den vergangenen Jahren auch die allgemeinen Nachrichtensendungen, zahlreiche Abhörskandale schrecken viele auf.
Das BSI beschäftigt etwa 580 Mitarbeitern, rund 70 Prozent im IT-Sektor. An Sicherheitsthemen interessierte Mathematiker, Informatiker, Physiker, Ingenieure und Nachrichtentechniker kennen das BSI als Arbeitgeber. Neben zukunftsweisenden Projekten nennt Anke Gaul die großen Gestaltungsmöglichkeiten sowie die hoheitlichen Aufgaben als wichtige Motivation für Bewerber. Wegen des Gehalts, das im öffentlichen Dienst streng nach vorgegebenen Tabellen kalkuliert wird, zieht es wohl die wenigsten nach Bonn. Doch dafür offeriert die Behörde andere Vorteile. "Wir arbeiten am Puls der Zeit und bieten unseren Mitarbeitern sehr gute Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten", sagt Gaul. Ein sicherer Arbeitsplatz und der Beamtenstatus überzeugen ebenfalls. Sorgen wegen der flatterhaften IT-Spezialisten macht sich in Bonn niemand. "Die Fluktuation bei uns ist gering."
Die Young-Professional-Studie von Trendence
Im Auftrag der Computerwoche befragte das Berliner Marktforschungsinstitut Trendence Young Professionals mit IT-Hintergrund nach ihren Wunscharbeitgebern, Zufriedenheit im Job und Berufswünschen für die Zukunft. An dieser exklusiven Studie beteiligten sich 543 Informatiker und Wirtschaftsinformatiker mit einem bis zu acht Jahren Berufserfahrung. Befragungszeitraum war Mai bis Juli 2014. Beliebtester Arbeitgeber bleibt unangefochten Google. Doch auf den folgenden Rängen gab es Bewegung. Und noch etwas überraschte, denn die Unzufriedenheit von einigen der hochqualifizierten Young Professionals sollte ihre Arbeitgeber aufhorchen lassen.