ber die Kennzahl „IT-Kosten gemessen am Umsatz“ können CIOs und Geschäftsführung stundenlang reden. Sie ist eine der am heftigsten diskutierten Zahlen – und eine der umstrittensten. Denn kaum jemand weiß, was sich im Einzelnen hinter den IT-Kosten versteckt. Von Beratern und Analysten ventilierte Kennzahlen helfen CIOs nicht weiter. „Solche Umfragen dauern maximal eine halbe Stunde. Und wenn ein CIO auf eine Frage keine Antwort hat, schätzt er einfach einen Wert, um schnell durchzukommen“, sagt Alexander Walter, CIO beim Maschinenhersteller für Massivholzverarbeitung Weinig AG in Tauberbischofsheim. „Solche Ergebnisse sind unbrauchbar.“
Aus diesem Grund ging der VDMA-Ausschuss Informatik daran, für Maschinen- und Anlagenbauer einen eigenen Benchmark durchzuführen. „Wir wollten brauchbare differenzierte Kennzahlen bekommen, um die IT-Kostenbetrachtung auf solide Beine zu stellen“, erläutert Walter, der Vorsitzender des Arbeitskreises IT-Benchmark ist. Zu den acht Mitgliedern gehören außer sechs Anwenderunternehmen noch Volker Schnittler, Leiter des Fachbereichs ERP beim VDMA, und Professor Reiner Martin von der Hochschule Konstanz. Wirtschaftsinformatiker Martin begleitete den Benchmark von der wissenschaftlichen Seite. „Er hat uns gezeigt, wie man mit den Zahlen richtig umgeht, sie auswertet und in Beziehung bringt. An der Stelle wollten wir keine Fehler machen“, begründet Walter.
Aha-Erlebnis gleich zu Beginn
Im Gegensatz zu früheren Befragungen erhob der Arbeitskreis die Daten elektronisch statt auf Papier. Auf vier Excel-Fragebögen passte das Erfassungsschema samt Erläuterungen. „Wir haben zwei Tage gebraucht, um die notwendigen Zahlen dafür im Unternehmen zusammenzutragen“, berichtet Walter über seinen Aufwand. Aber nicht alle Teilnehmer kannten ihre Kosten im Detail. „Da kam es bei vielen Unternehmen schon zum ersten Aha-Erlebnis, weil sie ihre Zahlen nicht so differenziert vorliegen hatten“, sagt Walter.
Durch IT Benchmarking zu besserer IT Performance
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Insgesamt riefen 362 Unternehmen den Fragebogen ab, 81 schickten ihn ausgefüllt zurück. Viele Unternehmen konnten sich noch nicht überwinden, Zahlen nach außen zu geben und somit ihre IT transparent zu machen. „Die Teilnehmerzahl wird künftig steigen, wenn CIOs eine Lernkurve durchlaufen und ihre IT-Kosten immer genauer erheben“, prophezeit Walter. Als Anreiz und Dank für ihre Teilnahme erhielten alle Teilnehmer unmittelbar nach Ausfüllen des Bogens das Ergebnis der einzelnen IT-Kosten für ihr Unternehmen. „Mit dieser Feinauswertung seiner Daten konnte jeder CIO sofort intern loslegen und arbeiten“, erläutert Walter.
Erste Hilfe bekommen die Teilnehmer schon jetzt vom Arbeitskreis IT-Benchmark. „CIOs rufen an und wollen wissen, wie andere Firmen an der und der Stelle stehen. Da können wir schon sagen, was der Durchschnitt bei dem Wert ist“, erklärt VDMA-Experte Schnittler. Genauere Erläuterungen erhalten die Teilnehmer auf Veranstaltungen. Auch Workshops und Arbeitskreise soll es bei Interesse geben, auf denen die CIOs tiefer in ihre Kostenstruktur gehen und sich mit anderen vergleichen können. „Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen muss jeder CIO aber selbst ziehen, da gibt es keine direkte Hilfe vom VDMA“, sagt Schnittler.
Geld für Innovation im Vergleich
Die Kosten gliederte der Arbeitskreis in die Blöcke Anwendungen, Betrieb und IT-nahe Kosten wie Telefon und Zinsen (siehe Tabelle Seite 68). Bei den Anwendungen unterschied der Arbeitskreis wiederum zwischen Geschäftsanwendungen, technischen Anwendungen und neuen Anwendungen. Vom IT-Betrieb über Geschäfts-, technische und neue Anwendungen nimmt die Prozessinnovation der IT zu. Um die Teilnahme zu erleichtern, konnte jeder CIO die Kosten für jede Anwendung und jeden Betriebsteil getrennt eintragen oder als Pauschalsumme für einen der Blöcke angeben. Damit hatte er die Kosten zumindest schon mal im richtigen Bereich angesiedelt.
Innerhalb jeder dieser Blöcke differenzierte der Arbeitskreis wiederum zwischen Betriebskosten und Entwicklungskosten. Vom reinen Betrieb einer Anwendung bis zu ihrer Weiterentwicklung steigt die Veränderungsdynamik bei der Lösung. „Veränderungsdynamik heißt, dass diese Leistung über das reine Bereitstellen von IT hinausgeht“, erläutert Walter.
Die Einteilung in Prozessinnovation und Veränderungsdynamik führte zu einem weiteren wesentlichen Ziel des Benchmarks: Der Arbeitskreis wollte wissen, wie stark CIOs in Innovationen investieren. Je mehr Geld CIOs in Anwendungen mit hoher Prozessinnovation stecken und je mehr Geld sie in die Weiterentwicklung dieser Systeme stecken, umso innovativer ist das Unternehmen. „Daran kann jeder Teilnehmer erkennen, wie zukunftsgerichtet seine IT aufgestellt ist. Und er kann sich mit anderen Unternehmen vergleichen“, sagt Schnittler.
Kein Handschlag für Innovationen
Allerdings kostete es Mühe, den Begriff Innovation zu definieren. Anwendungen wie Office-Pakete oder das neue Betriebssystem Microsoft Vista gelten nicht als Innovation, weil sie die Standardbasis bilden. Schwieriger wurde es bei der Frage, ob ein neues SAP-Release ein Unternehmen nach vorne bringt. „Wir kamen zum Schluss, dass ein Stückchen Innovation dabei ist“, so Walter. Dagegen gelten neue Projekte wie eine CRMund PDM-Einführung als echte Innovationen, weil sie zukunftsgerichtet sind. Das Ergebnis des ersten Benchmarks ernüchterte allerdings. „Einige Unternehmen haben noch keinen Handschlag im Innovationsbereich gemacht. Die verbraten ihr Geld noch komplett im IT-Betrieb“, berichtet Walter.
Im Durchschnitt geben Unternehmen 24,3 Prozent ihres IT-Etats für Innovationen aus, 75,7 Prozent gehen in den IT-Betrieb. Doch 12,7 Prozent von der Investitionssumme, also die Hälfte, fließt allein in ERP-Projekte. „Da bekommt man plötzlich ein völlig neues Gefühl dafür, wo das Geld hinfließt und wie eingeengt die IT ist, überhaupt in Innovationen zu investieren“, stellt Walter fest.
Kein Hype weit und breit zu sehen
So verwundert es nicht, dass Hype-Themen wie SOA und selbst CRM im Maschinenbau kaum stattfinden. „Es lässt sich auch nicht sagen, dass heiß gehandelte Themen demnächst erst im Maschinenbau ankommen, denn die früheren Hype-Themen sind auch nicht eingetroffen“, sagt Walter. Ein weiteres interessantes Ergebnis war, dass eine Strategie mit viel Standardsoftware und starkem Outsourcing die IT-Kosten nicht zwingend drückt. „Unternehmen mit viel Eigenentwicklung weisen häufig sehr gute Zahlen auf und verschaffen sich damit auch noch Wettbewerbsvorteile“, resümiert Walter. Im Einzelfall kam bei dem Benchmark heraus, dass Unternehmen mit viel Standardsoftware ihr Geld vergeuden. Auch IT-Leiter Walter hat bei der Weinig AG nicht alles standardisiert: „Wir konnten anhand unserer Kennzahlen zeigen, dass es nicht unbedingt optimal ist, flächendeckend die Lösung des Marktführers einzusetzen. Das ist sehr spannend.“
Außerdem kam bei dem Benchmark heraus, dass hohe IT-Kosten nicht zwangsläufig schlecht sein müssen. Es stellte sich ein enger Zusammenhang zwischen IT und Wertschöpfung des Unternehmens heraus. „Je größer die Wertschöpfung, desto komplexer ist die IT, und desto höher liegen die Kosten“, sagt VDMAMann Schnittler. Das mag auf den ersten Blick banal klingen, aber fundiert belegen ließ sich diese Tatsache bisher nicht. So war denn auch ein weiteres Ergebnis des Benchmarks, dass die Maschinenbauer nun solide Kennzahlen haben: Von vielen Durchschnittskennzahlen konnten sie bisher nicht spontan behaupten, dass sie abgesichert sind.
Doch bei Kostenkennzahlen will der Arbeitskreis nicht stehen bleiben. So soll beim nächsten für 2007 geplanten Benchmark auch der Nutzen der IT für das Unternehmen betrachtet werden. „Im ersten Schritt des Benchmarks ist es uns noch nicht gelungen, alle Kosten mit einem Nutzen in Verbindung zu bringen“, sagt Walter. „In Zukunft wollen wir stärker die Nutzenpotenziale nachweisen.“ Eine schwierige Aufgabe, wie Walter zugibt. So diskutiert der Arbeitskreis noch darüber, wie er den Nutzen berechnen kann. Dazu müsste man beispielsweise IT-Ausgaben für PDM- und CRM-Systeme mit Umsätzen in den eingesetzten Bereichen verbinden. Oder aber man bringt die IT-Kosten pro Arbeitsplatz in Beziehung mit den Umsätzen einer Abteilung.
Benchmark für IT-Qualität
Außerdem will der Benchmark-Kreis bei der nächsten Studie versuchen, die Qualität der IT zu messen. Aber auch hier tüfteln die Arbeitskreis-Mitglieder noch daran, wie sie das bewerkstelligen können. „Wir diskutieren darüber, was wir als Qualität bezeichnen können: SLAs über Verfügbarkeit, Antwortzeiten und Leistung wären Schritte in die Richtung“, sagt Walter. Seine Ziele gehen noch darüber hinaus. Er wünscht sich, alle Fachbereiche seines Unternehmens einem Benchmark zu unterziehen. „Dann könnten wir die Kennzahlen zusammenführen, miteinander vergleichen, Nutzenpotenziale ermitteln und Verbesserungsmaßnahmen daraus ableiten.“
Dieses Ziel liegt noch in weiter Ferne. Doch mit dem ersten Benchmark besitzen die Maschinen- und Anlagenbauer nun eine solide Daten- und Diskussionsgrundlage, mit der sie gegenüber dem Management argumentieren können. „Ich habe es in meiner Zeit nicht erlebt, dass Zahlen so solide und fundiert waren“, bilanziert Walter.