Die Hamburger Management- und Karriereberaterin Katja Loose begleitet kleine und mittelständische Unternehmen beim Auf- und Ausbau ihres Talentmanagements. Ein besonderer Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf der Generation Y. Wie man als Führungskraft das Potenzial der 20- bis 35-jährigen Mitarbeiter optimal nutzen kann und auf welche Eigenheiten man sich gefasst machen sollte, erklärt Loose im Gespräch.
CIO.de: Was unterscheidet die Generation Y am meisten von den vorhergehenden Mitarbeiter-Generationen?
Katja Loose: Ein starkes und prägendes Unterscheidungsmerkmal besteht in dem Einfluss durch die neuen Medien. Die moderne Technologien und Medien verändern und bestimmen Leben und Arbeit maßgeblich. Das wirkt sich z.B. auf die Sprache aus, aber eben auch darauf, dass alles unpersönlicher und damit häufig unverbindlicher wird. Dieser Aspekt ist entscheidend und führt z.B. dazu, dass die Generation Y eine andere Vorstellung von Arbeit hat. Man muss nicht mehr vor Ort sein, um gestellte Aufgaben gut bewältigen zu können. Und auch die zeitliche Gestaltung der Arbeit kann flexibler erfolgen. Die Informationsbeschaffung und Kommunikation verlaufen völlig anders.
Der zweite wichtige Aspekt ist der, dass der Erziehungsstil und der Unterrichtsstil, sich gewandelt haben.. In der Schule wird offener gelehrt als früher; es gibt mehr Projektarbeiten. Allgemein herrscht ein anderer Unterrichtsstil und meines Erachtens hat sich auch der Erziehungsstil verändert. Es geht mehr um einen partizipativen Erziehungsstil, um Einbeziehung der Kinder und um gemeinschaftliche Absprachen in der Familie. Der Begriff des "helicopter parenting" erklärt dies meines Erachtens recht gut. Diese Prägungen der Generation Y wirken natürlich auf die Einstellung und das Verhalten der Generation Y.
Daneben ist der dritte starke Einfluss der, dass die Wahlmöglichkeiten der Generation Y immer größer werden. In einer Welt voller Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten - häufig verbunden mit Rückgabegarantie - fällt die Orientierung schwer. Wir haben heute 17.000 Studiengänge an über 400 Hochschulen und es gibt mehr als 370 Ausbildungsberufe. Von daher spricht man auch ein Stück weit von der "Generation unentschlossen", die so viele Möglichkeiten hat, dass daraus ein Perfektionierungsanspruch entsteht und auch das Gefühl leicht aufkommt, dass es schwer ist, die richtige Entscheidung zu treffen.
CIO.de: Auf welche Hürden können Führungskräfte in der Arbeit mit der Generation Y treffen und wie sollte damit umgegangen werden?
Katja Loose: Ich würde es nicht als Hürde sehen, sondern eher als Herausforderung. Es ist eine Generation, die sehr stark nach Sinn sucht und permanent die Frage nach dem "Warum" stellt. Sie möchte sich einbringen, mitreden und gehört werden. Sinnlos empfundene Tätigkeiten führen schnell zu Desinteresse. Das führt dazu, dass diese Generation keine Lust auf Routinearbeit hat und es oft schwer fällt, an einer Sache dranzubleiben.
Gern wird auch mit einer gewissen Selbstverständlichkeit Bestehendes in Frage gestellt. Feedback wird dabei von dieser Generation gern geliefert, auch unaufgefordert. Diese Aspekte sind natürlich häufig eine Herausforderung für Führungskräfte und Unternehmen, weil Dinge, die schon immer gemacht wurden, auf einmal hinterfragt werden. Das kann anstrengend sein, bietet allerdings auch neue Möglichkeiten, da die jungen Arbeitnehmer oft viel pragmatischere, einfachere und eben andere Denkansätze haben, die zum gewünschten Ergebnis führen.
Viel Freiheiten gefragt
Zusätzlich hat diese Generation häufig weniger Respekt vor Autoritäten und geht daher mit Führungskräften anders um. Die Generation Y beansprucht gerne schon früh viele Freiheiten, braucht allerdings auch klare Leitplanken, da sie als junge Menschen mit diesem Freiraum noch nicht in dem Maße umgehen können, wie sie das selber denken. Auch das ist eine große Herausforderung.
CIO.de: Sie empfehlen im Umgang mit der Generation Y vermehrt auf Feedbackgespräche zu setzen - warum?
Katja Loose: Feedback ist ein wichtiger Entwicklungsmotor und jeder braucht Feedback, weil damit die eigene Wahrnehmung mit der Wahrnehmung anderer abgeglichen werden kann. Daran kann man wachsen, sich entwickeln und korrigieren. Die junge Generation wünscht sich ganz häufig Feedback. Führungskräfte aus älteren Generation halten dies jedoch oft nicht für wichtig, weil sie es selber nicht gewohnt sind - weder Feedback zu bekommen, noch es zu geben. Ich sehe in konstruktivem Feedback, welches permanent gegeben wird, und in gut geführten Feedbackgesprächen eine große Chance für Unternehmen, die Generation Y möglichst gut zu nutzen und auch die eigenen Verhaltensweisen, Einstellungen und Vorstellungen zu erklären.
Gerade für Unternehmen, bei denen das Thema Führung noch in den Kinderschuhen steckt, ist das Feedbackgespräch ein pragmatisches Instrument, um gut in Führung zu gehen und insbesondere die Generation Y gut zu führen. Feedbackgespräche sind also eigentlich ein Standard, der da sein sollte, aber häufig nicht da ist, obwohl er leicht in den Alltag zu implementieren wäre. Grundlage ist, dass die Führungskräfte die Bedeutung und Chance von Feedbackgesprächen erkennen. Zudem muss natürlich das Wissen und die Kompetenz vorhanden sein oder aufgebaut werden, ein Feedbackgespräch professionell und somit gewinnbringend zu führen.
CIO.de: Auf welche Aspekte ist denn bei Feedbackgesprächen mit der Generation Y zu achten?
Katja Loose: Gute Führung fängt dabei an, sich selbst vernünftig führen zu können. Wichtig ist also, dass Führungskräfte nie von sich auf andere schließen. Was sie selbstverständlich, logisch und offensichtlich finden, ist für einen jungen Mitarbeiter lange noch nicht so klar und eindeutig. Zusätzlich ist wichtig, immer wieder eine offene Haltung zu haben und zu akzeptieren, dass alles immer mindestens zwei Seiten hat, die es zu betrachten gibt.
Weiterhin sollte klar formuliert werden, was die Führungskraft sich vorstellt und sie nicht möchte, aber sie sollte zudem offen sein, da es oft gute Gründe gibt, warum der junge Mitarbeiter Dinge anders macht. Bei einem gut geführten Feedbackgespräch gibt es keine Verlierer und Gewinner, auch nicht bei kritischem Feedback. Und es ist immer wieder spannend zu beobachten, wie die Führungskräfte sich darauf freuen, Feedbackgespräche zu führen, wenn sie entsprechend von uns geschult wurden. Ein gutes Feedbackgespräch fängt also bei der eigenen Haltung an und führt dann über die professionelle Technik zu tollen Ergebnissen.
CIO.de: Muss die Generation Y mehr an die Hand genommen werden als die vorhergegangenen Generationen?
Katja Loose: Insbesondere auf die Generation Y muss deswegen eingegangen werden, weil es eine Tatsache ist, dass nicht mehr so viele junge Menschen nachkommen wie ältere aus dem Berufsleben herausgehen. Daher ist es sehr schade, wenn das Potenzial, welches vorhanden ist, nicht genutzt wird, weil Unternehmen sich mit gewissen Aspekten, die diese Generation mitbringt, nicht beschäftigt und deswegen scheitert. Es ist eine ganz klassische, betriebswirtschaftliche Überlebensgrundlage, dass man sich mit dieser Generation auseinander setzt, denn das ist die Zukunft der Unternehmen.
Mittelweg zwischen Freiraum und klaren Regeln
Ich denke nicht, dass die Generation mehr an die Hand genommen werden muss. Ich denke eher, dass sie anders an die Hand genommen werden muss, dass ein guter Mittelweg zwischen Freiraum und klaren Regeln gefunden werden muss. Führung funktioniert heute anders. Sie muss Sinn stiften und beteiligen.
Diese Generation spricht Sachen aus, die vorherige Generationen nur gedacht haben. Auch die älteren Mitarbeiter haben, als sie auf den Arbeitsmarkt kamen, hinterfragt - das ist das Privileg der Jugend. Aber die Generation Y geht heute damit viel selbstbewusster um als frühere Mitarbeitergenerationen.
Insgesamt möchte ich noch abschließend erwähnen, dass diese Generation nicht verallgemeinert werden kann, auch wenn man dies immer wieder gern macht, um die Komplexität zu vereinfachen. Hier gibt es genauso vielfältige Persönlichkeiten wie in allen anderen Generationen zuvor. Und doch gibt es die genannten Einflussfaktoren, die eben einen Unterschied machen zu Vorgängergenerationen.