Das Motto der diesjährigen CeBIT lautet Datability. Was verstehen Sie unter diesem Begriff?
Oliver Frese: Datability beschreibt die Möglichkeit, verantwortungsvoll und nachhaltig mit großen Datenmengen umzugehen. Natürlich gibt es einen Bezug zu Big Data. Wir haben sehr intensiv mit Unternehmen und unseren Partnern diskutiert, dass auf der CeBIT 2014 vor allem der Lösungsansatz im Umfeld von Big Data im Vordergrund stehen soll. Die IT-Anbieter offerieren schon heute konkret verfügbare Technologien, Dienstleistungen und Produkte zur Frage: Was mache ich aus Big Data? Deshalb haben wir uns entschlossen, Datability als Topthema in den Vordergrund zu rücken. Konkret präsentieren die CeBIT-Aussteller Lösungen, Services und Produkte, beispielsweise für das Gesundheitswesen, den Verkehr und den Energiesektor.
Das Thema Big Data hat im vergangenen Jahr mit dem NSA-Spionageskandal eine neue, negative Facette gezeigt. Das erhöht zwar die öffentliche Aufmerksamkeit, aber müssen Sie nun nicht mit einer besonderen Sensibilität an das Thema herangehen?
Oliver Frese: Zunächst einmal ist die Frage der Arbeit der Geheimdienste eine politische und keine technische. Dennoch: Datability können Sie gar nicht ohne den Sicherheitsaspekt diskutieren – das ist selbstverständlich. Natürlich haben wir mit den Ausstellern verabredet, dass der Lösungsansatz von Big Data – wie ich ihn gerade beschrieben habe – im Vordergrund steht. Also die Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Big Data konkreten Nutzen stiften kann. Aber eines ist ganz klar: Letztendlich geht es an dieser Stelle auch um Datensicherheit und Datenschutz. Und deshalb wird dies auch eines der zentralen Themen der CeBIT sein. Wenn wir Datability als Topthema auf der Messe definieren, werden wir auch das dazugehörige Sicherheitsthema diskutieren.
Wie wird das aussehen?
Oliver Frese: In diesem Zusammenhang werden wir mehr als 500 Unternehmen auf der CeBIT haben, die IT-Security-Themen behandelnund auch konkrete Produkte zeigen werden. Den Nukleus dafür bildet die Halle 12 mit dem dort angesiedelten Security-Cluster, wo sich schon alleine über 180 Unternehmen präsentieren. Dort wird es auch eine Security-Plaza und ein Security-Forum mit einer Security-Konferenz geben. Das Thema Sicherheit wird also eine zentrale Rolle im Kontext mit Datability spielen.
"Auf 100 Prozent Business ausgerichtet"
In dieser Bündelung von Themen, wie eben im Security-Umfeld, spiegelt sich auch ein neues Messekonzept wider. Was hat sich denn gegenüber dem Vorjahr verändert?
Oliver Frese: Wir haben in den vergangenen Jahren festgestellt, dass sich der Fachbesucheranteil stetig erhöht und der Anteil der Privatbesucher abgenommen hat. Im Jahr 2013 waren es nur noch 18 Prozent End-Consumer. Die Analyse hat auch gezeigt, dass das Konzept mit den vier CeBIT-Plattformen nicht mehr funktioniert hat. Insbesondere die Plattform CeBIT Pro hat sich über zwölf Messehallen hingezogen. Das war letztendlich sehr holzschnittartig und gab weder Ausstellern noch Besuchern die notwendige Orientierung auf der Messe. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, einerseits der Entwicklung der Fachbesucherzahlen, andererseits aber eben auch der Marktentwicklung Rechnung zu tragen, und haben die CeBIT auf 100 Prozent Business ausgerichtet.
Was bedeutet das genau?
Oliver Frese: Wir haben an mehreren wesentlichen Stellschrauben gedreht: Erstens haben wir den Zeitplan verändert. Wir gewinnen einen Business-Tag hinzu, indem wir die Messe von Montag bis Freitag laufen lassen. Außerdem haben wir das Plattformkonzept aufgegeben und dafür konkrete IT-Themen identifiziert – von Security über ECM, ERP, Web and Mobile bis zu Research and Innovation. Dazu kommen noch einige besondere Ausstellungsformate wie der Planet Reseller und der Public Sector Parc – was wir auch konkret ausflaggen. Damit stehen die Aussteller mit ihren Wettbewerbern und in ihrer Community zusammen, und der Besucher weiß, wo er hingehen muss, um sich über bestimmte Themen zu informieren. Der Geländeplan ist damit ein Stück bunter, und er gibt damit auch eine deutlich bessere Orientierung.
"CeBIT jünger als je zuvor"
Was wird sich im neuen CeBIT-Konzept noch verändern?
Oliver Frese: Wir wollen noch stärker als in der Vergangenheit IT-Anbieter und -Anwender zusammenbringen. In diesem Zusammenhang bauen wir unsere C-Level-Formate aus, mit internationalen Partnern und CIOs. In diesem Jahr haben wir 6500 CIOs auf die CeBIT eingeladen – so viele wie noch nie zuvor. Darüber hinaus wenden wir uns auch an die Fachanwender aus dem Personalbereich, der Finanzabteilung oder dem Marketing, die in den Unternehmen die IT-Entscheidungsprozesse vorantreiben. Auch diese Anwender wollen wir ansprechen und erreichen. Ein weiteres Thema ist der Ausbau der CeBIT Global Conferences. Wir verzahnen die Ausstellung enger mit der Konferenz, indem wir die Konferenz ausbauen und in die Halle 8 bringen. Zudem wird die CeBIT jünger als je zuvor. Wir haben 2014 über 300 internationale Startup- Unternehmen auf der Messe, die zusätzliche Innovationen auf die Veranstaltung bringen. Das sind viele Stellschrauben, an denen wir gedreht haben, um das große Business-Rad der CeBIT voranzutreiben.
Wie kommen diese Veränderungen in der Branche und unter den IT-Herstellern an?
Oliver Frese: Wir stimmen unser Messekonzept immer ganz eng mit dem Markt ab. Da unsere Kunden integraler Bestandteil des Messeprodukts sind, arbeiten wir eng mit ihnen zusammen, um das Produkt CeBIT zu kreieren und weiterzuentwickeln. Dafür haben wir im Vorfeld auf der einen Seite mit unserem Partnerverband Bitkom, aber auch mit unseren internationalen Ausstellern eng zusammengearbeitet und gemeinsam beschlossen, dass dies der richtige Weg ist. Aus diesem Grund bekommen wir auch einen starken Rückenwind aus der Branche, weil die bestehenden Aussteller der CeBIT das mitgetragen haben – und weil es auch bei neuen potenziellen Ausstellern sehr gut angekommen ist. Das führt dann im Endeffekt dazu, dass Bestandsaussteller ihre Fläche vergrößern, wie zum Beispiel Unify in Halle 13, Samsung sein Areal verdoppelt oder Huawei um ein Drittel wächst, und sich Aussteller, die sich in den vergangenen Jahren auf Gemeinschaftsständen platziert haben – wie zum Beispiel Hewlett-Packard in Halle 4 – wieder als Individualaussteller präsentieren. Also eine ganze Reihe guter Nachrichten, die zeigen, dass das neue Konzept gut im Markt ankommt.
Schlägt sich das auch in konkreten Zahlen nieder?
Oliver Frese: Das führt dazu, dass wir mehr Aussteller haben. Ende Januar hatten sich rund 100 Aussteller mehr angemeldet, als es zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahrs der Fall war. Nur das lässt sich vergleichen, weil in den Wochen unmittelbar vor der Messe noch jede Menge Anmeldungen auf den Tisch kommen. Das sind nicht nur Mitaussteller von Gemeinschaftsständen, sondern auch noch eine ganze Reihe von mittelständischen Unternehmen, die Beteiligungen buchen. Darum ist es schwer, im Vorfeld konkrete Zahlen zu nennen.
Ist es ein Trend, dass sich immer mehr Firmen erst relativ kurzfristig entscheiden, ob sie zur CeBIT kommen?
Oliver Frese: Das ist nicht CeBIT-spezifisch, sondern ein Phänomen, das wir in der Messebranche insgesamt beobachten – Entscheidungsprozesse werden erst relativ kurz vor den Veranstaltungen abgeschlossen. Das ist eine Herausforderung, weil die Unternehmen dann nicht mehr viel Zeit haben, sich richtig auf den Messeauftritt vorzubereiten. Wir bieten mittlerweile als Messegesellschaft ja auch eine ganze Reihe von Serviceleistungen an, um beispielsweise den Ausstellern das Einladungs-Management zu erleichtern und noch vieles mehr.
Früher galten als Maßstab für eine erfolgreiche Messe die Zahl der Besucher und die verkaufte Ausstellungsfläche. Inwieweit sind diese Kennzahlen für Sie heute noch relevant?
Oliver Frese: Für mich sind diese Werte relevant – und noch viele weitere mehr, etwa die Internationalität oder auch die Kontaktdichte. Grundsätzlich gilt es, zunächst einmal zufriedene Aussteller auf der Messe zu haben. Das ist die Währung für die Zukunft der Veranstaltung. Aber es gilt natürlich auch, dass es messbare Größen gibt. Hier haben wir eine Zielsetzung definiert, die wir auch erreichen wollen. Selbstverständlich möchte ich mit einer CeBIT zukünftig auch wieder wachsen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit einem klaren Profil und einer klaren Positionierung wachsen werden, so dass wir mittelfristig auch wieder über 4000 Aussteller und über 300.000 Besucher haben werden.
Was sind die konkreten Ziele für das laufende Jahr?
Oliver Frese: Im vergangenen Jahr hatten wir 230.000 Fachbesucher auf der CeBIT. Das ist auch die Zielmarke, die ich in diesem Jahr wieder erreichen möchte.
"Die CeBIT deckt die gesamte Wertschöpfungskette der digitalen Welt ab"
Jetzt gibt es im Vorfeld der CeBIT mit der CES und dem Mobile World Congress zwei Veranstaltungen, die mit bunten Consumer- Themen und schicken Geräten viel Aufmerksamkeit erzeugen. Mit der strikten Ausrichtung auf Business-Themen fehlt Ihnen auf der CeBIT dieser bunte Aspekt der IT-Welt. Sehen Sie darin ein Problem?
Oliver Frese: Die CeBIT deckt die gesamte Wertschöpfungskette der digitalen Welt ab – und damit ist die CeBIT einzigartig. Ich sehe auch, dass unsere Aussteller in diesem Jahr sehr attraktive Präsentationen vorbereitet haben, ob das IBM, SAP oder Microsoft sind. Oder nehmen Sie zum Beispiel Volkswagen, wo es um das Thema Automotive IT geht. Die CeBIT wird auch weiterhin schon aufgrund der hohen Qualität der Ausstellerpräsentation sehr attraktive Bilder für die Öffentlichkeit liefern und positive Signale aussenden.
Wie wird die CeBIT in zehn Jahren aussehen?
Oliver Frese: Ich denke, das kann niemand seriös prognostizieren. Wenn wir uns erinnern, welche Techniken in der Vergangenheit en vogue waren, ist die Entwicklung schwer vorherzusehen. Denken Sie beispielsweise daran, dass Facebook gerade zehn Jahre alt geworden ist. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass die CeBIT nicht nur heute die weltweit wichtigste ITMesse ist, sondern das auch in Zukunft sein wird – und ich bin sicher, dass sie auch in zehn Jahren nach wie vor in voller Blüte stehen wird.