Der Mann am anderen Ende der Leitung ist kaum zu verstehen. "Ich brauch‘ noch ‘ne Hilti!“, brüllt er durch den Lärm von Baggern und Bohrern. "Heute noch! Geht das?“ Natürlich geht das. Der Kundenberater tätigt ein paar Klicks, und sein Kollege mit dem roten Helm macht sich auf den Weg zur Baustelle. So oder so ähnlich spielt es sich weltweit 200.000 Mal am Tag zwischen dem Liechtensteiner Befestigungstechniker Hilti und seinen Kunden ab. Was in den 1960er- und 1970er-Jahren "die Hilti“ war - wie beim "Tempo-Tuch“ und dem "Labello-Pflegestift“ war ein Markenname zum Synonym für ein Produkt geworden - ist heute ein Full-Service-Dienst. Credo des Hauses: "We passionately create enthusiastic customers and build a better future.“
Martin Petry, seit 14 Jahren im Haus und seit Januar 2005 CIO, hat die Entwicklung genau mitverfolgt. Für ihn geht die Veränderung des Unternehmens weiter: Beim Stichwort Hilti müsse nicht mehr nur die Assoziation Bohrhammer, sondern auch der Gedanke "Hilti-IT“ fallen. Denn schließlich macht sein rund 400 Mitarbeiter starkes Team neue Service-Angebote mittels Informationstechnologie erst möglich.
"Der Markt und die Anforderungen haben sich in der Unternehmensgeschichte erheblich gewandelt“, sagt Petry. Hatte "die Hilti“ vor 30 Jahren als Bohrhammer noch ein Alleinstellungsmerkmal, hat die Konkurrenz inzwischen nachgezogen. Dass die Hilti-Geräte stärker sind und eine längere Lebensdauer aufweisen, reicht nicht mehr aus, um die Stellung am Markt zu halten. Dem Kunden Mehrwert zu bieten heißt heute, Lösungen und Service von der Beratung über Installation und Engineering sowie Wartung, Leasing oder Austausch der Geräte zu offerieren.
Dementsprechend interessiert sich CIO Martin Petry für den Arbeitsalltag der Zielgruppe. "Der Kunde will reibungslosen Einkauf, Betrieb und Entsorgung“, sagt er nüchtern. So soll zum Beispiel unter dem Stichwort Fleet-Management die Großbaustelle bei Hilti jederzeit Geräte nachordern können, während etwa der Handwerksbetrieb mit zwei bis fünf Mann die Möglichkeit haben muss, Maschinen zu leihen statt zu kaufen. Zum Fleet-Management gehören denn auch die Gestaltung flexibler Verträge und deren effiziente Abwicklung.
Rund zwei Drittel der 18.000 Mitarbeiter stehen in direktem Kontakt mit den Kunden. "Der Kundenberater ist unser wichtigster Vertriebskanal“, erklärt Petry. Ergänzt wird dieser durch eigene Ladengeschäfte, Hilti-Center und Hilti-Pro-Shops sowie Hilti Online. Letzteres wird immer wichtiger: "Wir haben Kunden, die mehrere hundert Orders pro Woche platzieren, da macht Direktintegration Sinn“, erklärt der CIO.
Als Vorteil des in 120 Ländern präsenten Unternehmens sieht er die tiefe Supply Chain. "Von Forschung und Entwicklung über die Fertigung bis zum Direktverkauf - wir bieten unseren Kunden alles aus einer Hand“, betont Petry.
Die Hilti-IT umreißt er grob mit drei Schlagworten: Integration, Globalisierung, Innovation. Firmenintern heißt das, weit weniger glamourös, "GPD/H2“. Hinter den profanen Buchstaben verbirgt sich das bisher größte interne Projekt der Hilti-Geschichte: ein weltweiter SAP-Roll-out, der 2001 gestartet wurde und etwa 2008 bis 2009 abgeschlossen sein wird. Dabei steht das Kürzel GPD/H2 für Global Processes and Data bei Hilti, zweiter Versuch. Zweiter Versuch? "Beim ersten in den 1990er-Jahren war ich auch schon dabei“, berichtet Petry. "Da ging es um Oracle-Applikationen. Das war kein vollumfänglicher Erfolg - weil wir noch keine global standardisierten Prozesse etabliert hatten.“ Das System konnte nicht so standardisiert werden, wie es sich das Team eigentlich vorgestellt hatte.
Mit dieser Lernerfahrung brachten Petry und sein Team vor sechs Jahren das deutlich größer konzipierte GPD/H2 auf den Weg. Der CIO beschreibt die jetzige IT als entlang von Prozessen global aufgestellt, sowohl was die Anwendungslandschaft als auch die Infrastruktur angeht. Die IT-Ressourcen werden an drei strategischen Standorten gehalten: Kuala Lumpur (Malaysia), Tulsa (Oklahoma) und Rheintal (St. Gallen/Schweiz). Sie sorgen für einen 24/7-Support rund um die Uhr.
Heute sind das Headquarter in Schaan, die 25 größten Vertriebsgesellschaften, die fast 95 Prozent des Gesamtumsatzes erwirtschaften, und alle acht Produktionsstätten auf einem SAP-Client versammelt. "Und Ende 2008 werden wir die gesamte Hilti-Welt auf einem Client abfahren können“, ist sich Martin Petry sicher. Zum aktuellen Stand zwei Kennzahlen: Jedes Jahr werden 35 Millionen Orderlines durch das zentrale SAP-System geschleust. Und neun Millionen Kunden-Records befinden sich im System. Der CIO spricht gern vom "Customer Universe“.
Das scheint unter einem guten Stern zu stehen: "Wenn einer meiner Kunden in einem Hilti-Center etwas kauft, habe ich es am nächsten Tag auf meinem Laptop. Die neue Technologie bringt mir mehr Effizienz und weniger Stress“, berichtet beispielsweise der italienische Verkäufer Christian Calenzani. Sein Kollege Beat Ganz aus dem Schweizer Kundenservice schwärmt: "Den Kunden alle Informationen schnell und umfassend bieten zu können, macht uns genauso viel Spaß wie ihnen.“
Bei Hilti gilt der Grundsatz, dass Standard-Software genutzt werden soll. Allerdings bricht Martin Petry diese Regel stellenweise auf. "Die Effizienz, die wir brauchen, um unseren Kunden Mehrwert zu bieten, ist aufwendig und muss selbst entwickelt werden“, sagt er. Also werde die Standard-Software in gezielten Bereichen erweitert. Das gehe nur, weil die Module weltweit genutzt werden können.
IT in der Rolle des Enablers
Aus 14 Jahren Erfahrung in einem sich stetig wandelnden Unternehmen zieht der Hilti-CIO folgendes Fazit: Integration und Globalisierung sind weitgehend erreicht. Um mit der IT Innovationen nicht nur zu ermöglichen, sondern auch anzustoßen oder sogar zu leiten, müssen drei Bedingungen erfüllt sein:
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1. Eine IT-Strategie, die direkt auf die Business-Strategie aufsetzt und konsequent implementiert wird. Das, so Petry, mag selbstverständlich scheinen - auf den ersten Blick. "Jeder IT-Entscheider nimmt wohl für sich in Anspruch, eine IT-Strategie zu haben. Aber fragen Sie mal, wer die auch wirklich umsetzt“, seufzt er. Die Schwierigkeit besteht nicht selten darin, dass CIOs einen sehr langen Atem brauchen. Beispiel Konsolidierung: Wer die IT-Infrastruktur nicht nur lokal oder regional, sondern global konsolidieren will, hat unter Umständen mehrere Jahre Arbeit vor sich - und braucht die Rückendeckung aus dem Business. Martin Petry: "Der lange Atem dafür ist aber oft nicht da.“
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2. IT-Mitarbeiter, die in Prozessrichtung denken - und die von den Business-Partnern akzeptiert werden. Der Hilti-CIO muss fast ein bisschen grinsen: "IT-Kollegen, die in der Technologie-Ecke feststecken und in ihrem Lingo vor sich hinbrabbeln, finden schwerlich Unterstützung.“ Ohne Verständnis für die Business-Denke der Betriebswirte geht es nicht. Was allerdings nicht heißt, dass die IT ihre Rolle überschätzen soll. Sie ist Enabler - die Verantwortung für den Geschäftserfolg liegt aber letztendlich beim Business.
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3. Ein Projekt-Portfolio-Management, das die Balance zwischen Innovation einerseits und dem Tagesgeschäft andererseits findet. Denn bei aller Begeisterung für das Thema Innovation ist dem CIO klar: Die Informationstechnologie muss vor allem dafür sorgen, dass der Laden läuft. Martin Petry sagt: "Nehmen Sie Innovationen ins Visier. Sie bilden die Grundlage für neue Geschäftsmodelle. Aber vergessen Sie darüber nicht das Daily Business!“