Der Online-Handel verändert die Einkaufsgewohnheiten in Deutschland massiv. Doch ein Bereich blieb bislang von der Internet-Revolution weitgehend verschont: der Lebensmittelhandel. Jetzt beginnt sich das zu verändern. Der Handelsriese Rewe berichtete am Dienstag, er habe seine Online-Umsätze im vergangenen Jahr nahezu vervierfacht.
Rewe liefert inzwischen in 57 Städten online-bestellte Lebensmittel direkt nach Hause. Der Konzern sieht sich damit als führenden Vollsortimenter im deutschen Lebensmittel-Onlinehandel und will dies auch strategisch nutzen, um Kunden in den Regionen zu erreichen, wo sein Ladennetz noch dünn ist. Noch ist es für den Handelsriesen ein kleiner Markt. Während Rewe in seinen deutschen Supermärkten 2014 fast 17 Milliarden Euro Umsatz machte, summierten sich die Online-Umsätze gerade einmal auf einen zweistelligen Millionenbetrag. "Aber die Akzeptanz bei den deutschen Kunden wächst kontinuierlich weiter", sagte Rewe-Finanzvorstand Christian Mielsch.
Auch die Konkurrenz ist längst dabei, sich in Stellung zu bringen. Edeka könnte sein Online-Angebot schon bald durch die Übernahme des Tengelmann-Lebensmittel-Lieferdienstes Bringmeister zusätzlich aufpeppen. Der Handelskonzern Metro nutzt das Startup Emmas Enkel, um neue Wege im E-Commerce mit Lebensmitteln zu testen. Lidl hat längst einen Online-Shop. Aldi hält sich zwar in Deutschland noch zurück. Doch könnte der Discounter nach Informationen der "Lebensmittel Zeitung" schon bald einen Test mit einem Online-Shop in Großbritannien starten. Daneben versuchen auch Online-Supermärkte ohne Anbindung an etablierte Lebensmittelhändler Marktanteile zu sichern - etwa der zur Deutschen Post gehörende Online-Supermarkt Allyouneed.
Für noch mehr Bewegung auf dem jungen Markt sorgen Anbieter wie Shopwings, die Lebensmittel auf Bestellung in verschiedenen Supermärkten oder beim Discounter einkaufen und schon zwei Stunden später nach Hause liefern. "Wir sind der Milchmann des 21. Jahrhunderts", beschreibt Shopwings-Mitbegründer und Geschäftsführer Andreas Veller das Geschäftsmodell. Er ist überzeugt: Die Menschen wollen ihre Freizeit lieber für andere Dinge verwenden, als an der Kasse zu warten. Wichtigste Zielgruppen seien Berufstätige mit langen Arbeitstagen, Familien mit Kindern, die sich den Stress des Einkaufens ersparen wollen, und Senioren, die keine schweren Lasten mehr tragen wollen.
Das große Fragezeichen im Online-Lebensmittelhandel ist allerdings der Internetriese Amazon. Seit einiger Zeit schon fürchten die deutschen Lebensmittelhändler, dass die Amerikaner ihren Frische-Lieferdienst Amazon Fresh auch in Deutschland starten und den Markt aufrollen könnten. Amazon-Manager Jens Uwe Intat heizte diese Spekulationen eher noch an, als er kürzlich auf einer E-Commerce-Fachtagung lakonisch meinte: "Irgendwann werden wir auch in Europa damit anfangen, wann weiß ich nicht."
Dass der Online-Handel mit Lebensmitteln noch viel Wachstumspotenzial hat, ist offensichtlich. Nach einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Innofact (PDF-Link) sind 56 Prozent der Bundesbürger grundsätzlich daran interessiert, Lebensmittel künftig online zu kaufen. Gut 40 Prozent lehnen dies strikt ab. Bislang entfallen auf die Online-Shops allerdings noch weniger als ein Prozent des Lebensmittelhandels. (dpa/rs/tc)