Wo beobachten Sie bei IT-Führungskräften besonderen Nachholbedarf?
Prof. Högl: Ich habe in meiner Forschungstätigkeit oft mit IT-Experten zusammengearbeitet, insbesondere im Bereich der Softwareentwicklung. Bei den Führungskräften aus der IT liegen die Defizite ganz ähnlich gelagert wie bei Topmanagern aus anderen Bereichen auch. Viele sehen sich sehr stark in einer funktionalen Rolle und optimieren zeitintensiv an dieser Rolle. Das geht dann oft ein Stück weit zu Lasten des Blickes auf die Gesamtorganisation und ihre strategischen und organisatorischen Fragen. Es ist nicht einfach, sich aus der funktionalen in eine ganzheitliche Unternehmensperspektive weiterzuentwickeln. Das ist jedoch kein IT-Problem, sondern der normale Wachstumsprozess in der Laufbahn einer Führungskraft.
Wie vielen Führungskräften gelingt die ganzheitliche Perspektive?
Prof . Högl: Da möchte ich mich mit einer prozentualen Angabe wirklich nicht aus dem Fenster lehnen. Aus seiner funktionalen Rolle herauszuwachsen, ist eine Herausforderung. Jeder Mensch verhält sich ein Stück weit so, dass er erst einmal das tut, was er schon immer getan hat. Denn das ist die Tätigkeit, bei der er sich sicher fühlt. Gerade in den frühen Berufsjahren hat die fachliche Komponente einen sehr starken Einfluss auf Karrieresprünge, doch das ändert sich.
Wie verändert sich das im Laufe der Karriere?
Prof. Högl: Je weiter man die Leiter nach oben klettert, desto wichtiger werden Führungskompetenzen. Der weitere Karriereerfolg hängt dann irgendwann nicht mehr davon ab, ob man seine technische Kompetenz noch weiter verbessern kann, sondern ob man Strategien versteht und mit Blick fürs Ganze gestalten kann. Kann man als Führungskraft starke Teams um sich herum schaffen, fördert das den Aufstieg. Man muss den Sprung vom Projektmanager zu einem Organisation Shaper mit Weitblick schaffen, wenn man auf der Karriereleiter weiter nach oben möchte. Der Seminartag im Rahmen des Leadership Excellence Programs soll auch dazu anregen, den Blick von technischen Fragen auf Themen wie das Zusammenspiel von Strategie und Führung zu lenken.
Beim angesprochenen Intensivseminar übernehmen Sie den Block mit dem Titel "Organisationen, Strategien und Menschen". Was verstehen Sie darunter?
Prof. Högl: Das Seminar soll bei den Teilnehmern Verständnis dafür wecken, welchen Einfluss die menschliche Seite des Unternehmens ausübt. Etwa auf Wettbewerbsvorteile, die das Unternehmen sich erarbeitet. Darüber hinaus geht es darum, welche Bedeutung die menschliche Seite des Unternehmens und mit ihr auch die Performance der Führungskraft in der Umsetzung von Strategien hat. Denn die Entwicklung einer guten Strategie ist eine notwendige Bedingung für den Erfolg. Aber ausreichend ist sie nicht.
Was benötigt man über die Strategie hinaus für den Unternehmenserfolg?
Prof. Högl: Darüber hinaus ist es wichtig, dass man eine Organisation gestaltet und führt, die diese Strategie umsetzen kann. Diesen Link zwischen Strategie und Führung möchte ich in meinem Teil des Seminars aufzeigen. Wir sprechen über die Bedeutung von Organisationskultur, von einem gemeinsamen Werteverständnis und davon, was ein Unternehmen ausmacht. Auch wichtige Themen wie Mitarbeitermotivation und Change Management behandeln wir an diesem Tag.
Zwei bis vier zentrale Learnings
Wie vermitteln Sie die Inhalte?
Prof. Högl: Der Tag läuft sehr diskursiv und interaktiv ab. Die Teilnehmer werden nicht von mir berieselt, stattdessen erwartet sie intensives Reflektieren und dynamisches Lernen mit- und voneinander. Während es mir zu Beginn des Tages vor allem darum geht, die Führungskräfte in der Diskussion abzuholen und ihnen die konzeptionellen Inhalte von Führung und Organisation näherzubringen, sollen sie sich anschließend selbst die Hände schmutzig machen. In Kleingruppen bearbeiten die Teilnehmer dann eine Fallstudie, die das aufbereitet, was wir am Vormittag diskutiert haben. Das Fallbeispiel beschreibt ein Unternehmen, das einen Kulturwandel durchlebt. Es veranschaulicht, welche Folgen es hat, wenn Kultur, Organisation und Strategie nicht gut aufeinander abgestimmt sind.
Wie viel lernen Teilnehmer an einem einzigen Seminartag?
Prof. Högl: Da müssten Sie eher die Teilnehmer fragen. Ich habe über die Jahre gelernt, dass es keinen Sinn macht, die Leute mit zu viel Wissenschaft und Details zu überfrachten. Insbesondere bei den Themen Strategie und Führung ist es viel nachhaltiger, die Menschen zum Nachdenken zu bringen und für zwei bis vier zentrale Learnings zu sensibilisieren. Das Gelernte können sie dann für sich mitnehmen und in ihren eigenen Wirkungsbereich übertragen.
Welche Learnings sind das?
Prof. Högl: Zu den Learnings gehört zum Beispiel das Verständnis, dass alle Elemente einer organisatorischen Gestaltung in sich konsistent sein müssen. Dort wo Unternehmen nicht gut funktionieren, merkt man sehr schnell eine Inkonsistenz. Ich nenne Ihnen dafür ein extremes Beispiel: Es passt nicht zusammen, wenn einerseits unternehmerisches Denken als Unternehmenskultur definiert wird und andererseits jedoch der Vorstand jede Ausgabe über 100 Euro abnicken muss. Die weiteren Learnings verrate ich Ihnen nicht, da möchte ich den Seminarteilnehmern die Überraschungsmomente bewahren.
Sind solche Themen denn überhaupt für CIOs interessant?
Prof. Högl: Absolut. Der IT-Bereich im Unternehmen hat doch dieselben Sorgen wie andere Funktionsbereiche. Auch die IT-Abteilungen bestehen aus Menschen, die es zu führen gilt. Den Mitarbeitern müssen Richtungen gegeben und deren Motivation sowie Identifikation zur Entfaltung gebracht werden. Das Alignmentproblem - also die Schwierigkeit, Strategie und Organisation auf Spur zu bringen - herrscht in jedem Teilbereich des Unternehmens, und gewiss auch im IT-Bereich als Querschnittsfunktion. Gerade für IT gilt es, sich strategisch aufzustellen und agil geführt zu werden.
Prof. Dr. Martin Högl ist Vorstand des Instituts für Führung und Organisation an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Professor Högl verfügt über langjährige Erfahrung in der Arbeit mit Führungskräften in Europa, Nordamerika und Asien. Er hat Forschungskooperationen mit namhaften Unternehmen in USA und Europa durchgeführt. Die Schwerpunkte seiner Arbeit liegen auf folgenden Kernbereichen der Führung: organisationale Transformation zur Strategieimplementierung (inkl. Change Management und das Gestalten einer effektiven Organisationskultur), Hochleistungsteams gestalten und führen (inkl. globale virtuelle Teams), die Innovationskraft der Mitarbeiter stärken sowie wertebasierte authentische Führungskräfte entwickeln.
Fortbildung: General Management für IT-Führungskräfte
Das CIO-Magazin und die WHU - Otto Beisheim School of Management haben ein General Management Programm exklusiv für CIOs konzipiert. Das CIO Leadership Excellence Program richtet sich an IT-Führungskräfte in Anwenderunternehmen. Das Programm setzt sich aus drei Modulen zusammen:
1. Zunächst absolvieren Sie einen viertägigen Intensivkurs in Leadership Excellence mit den Schwerpunkten Führung, Strategie und Innovation an der renommierten Business School WHU in Vallendar.
2. Nächster Baustein ist ein einwöchiger Aufenthalt in Indien. Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem Thema Interkulturalität. Neben Workshops sind Field Trips zu Unternehmen geplant. Darüber hinaus werden Sie als Teil der deutschen Delegation an der NASSCOM Leadership-Conference teilnehmen, dem wichtigsten Netzwerkevent in der indischen IT-Industrie für CIOs und Topmanager.
3. Sie schließen die Fortbildung mit der Erarbeitung eines "Position & Perspective Paper" ab.
Weitere Informationen finden Sie unter http://www.lep.cio.de.