Statt "Höher, schneller, weiter" rufen immer mehr Akteure ein "slow" in die Welt. Die einen wollen mit Slow Food zum genussvollen Essen anregen, die anderen mit Slow Wear jeden Manager in maßgeschneiderte Anzüge bester Qualität stecken. Wer dafür die Zeit mitbringt, kann im Atelier des Schneiders wahrscheinlich Jack Johnson lauschen, der als Hintergrund-Musik "Slow down everyone, you're moving too fast" singt.
Kurz: der Stress nimmt zu, mit ihm aber auch die Gegenbewegung. Der Pädagoge Christian Bremer, seit rund 20 Jahren Coach, plädiert für Achtsamkeit. Und Bremer will das gar nicht in größere Zusammenhänge eingebettet sehen. Weder sucht er nach Erleuchtung, noch hält er es mit übersinnlichen Fähigkeiten, wie er betont. Noch am ehesten hat Achtsamkeit mit Meditation und Atem-Technik zu tun, nicht aber "mit Räucherstäbchen und Yasmin-Tee", wie Bremer schmunzelt. Er werde niemanden in einen Ashram schicken.
Bremers Buch über "Das Prinzip Achtsamkeit" ist ein 21-Tage-Programm mit kleinen Übungen. Dazu gehört beispielsweise eine kurze Meditation nach dem Aufstehen oder vor der Arbeit, außerdem dreimal täglich fünf Minuten eine meditative Pause.
Achtsamkeit heißt für Bremer zunächst, drei Ebenen zu unterscheiden:
die Wirklichkeit
die eigene gedankliche Interpretation der Wirklichkeit
die Gefühle aufgrund dieser Interpretation
Glaubt man dem Coach, kann man sich schon durch diese Unterscheidung von objektiven Dingen emotional unabhängig machen.
Was körperliche Aktivitäten betrifft, rät Bremer zu bewusstem Atmen. "Konzentrieren Sie sich täglich bewusst auf Ihre Atmung. Es reicht bereits eine Minute", sagt der Coach. Außerdem sollte man jeden Tag "ein bisschen Zeit in Stille" verbringen. Das kann ein Spaziergang sein, das Beobachten von Sonnenauf- oder -untergang, ein Moment im eigenen Garten.
Gedanken beobachten
Zweiter Tipp: Meditation. "Meditieren bedeutet nicht, nichts zu denken", so Bremer. "Meditieren bedeutet, das wahrzunehmen, was im eigenen Kopf vorgeht. Es ist das Beobachten von Gedanken, nicht das Abschalten von Gedanken." Ein guter Einstieg sei es, sich einfach an einen ruhigen Ort zu setzen und die Augen zu schließen. Das kann übrigens auch im Zug passieren oder am Flughafen beim Warten auf das Boarding. Wichtig ist eine entspannte Körperhaltung - nicht zwingend ein akrobatischer Lotussitz.
Der Coach empfiehlt, jeden Tag zu meditieren - das aber nicht nach einem stringenten Zeitplan. Mal reichen fünf Minuten, mal braucht man fünfzehn. Wichtig ist nur das tägliche Ritual.
Darüber hinaus hat Bremer einige Tipps parat, die die Achtsamkeit schulen sollen:
Als Rechtshänder ab und zu die linke Hand nutzen (und umgekehrt)
Die eigene Körperhaltung beobachten
Beim Essen bewusst Kauen und Schmecken
Andere Tipps beziehen sich auf Kontakte zu Mitarbeitern oder Kollegen:
Füllwörter wie "eventuell", "vielleicht" oder "ähm" weglassen - das schafft Klarheit
Immer mal wieder ein - ehrliches - Kompliment aussprechen
Zwischendurch öfter mal Lächeln
Wer sich in Achtsamkeit und Mediation übe, bekomme seine Gedanken und Gefühle besser in den Griff, so Bremer. Er illustriert das am Bild von Ross und Reiter: wer achtsam lebt, übernimmt die Führung, statt geführt zu werden. "Seien Sie Reiter, nicht Pferd", appelliert der Coach.
Letztlich geht es ihm um Gelassenheit. Bremer sagt: "Was haben Sie von Ihrem Erfolg, wenn Sie zu oft genervt, verspannt oder gereizt sind?"