Für viele Mitarbeiter ist das Verständnis davon, was unter künstlicher Intelligenz, Automatisierung oder Digitalisierung zu verstehen ist, selten klar. Es ist eher ein Mischmasch aus Gefühlen, Ängsten und Halbwissen.
Also blicken sie auf ihre Führungskräfte und erwarten klare Führung. Denn jeder weiß: Die möglichen Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Zukunft der Arbeit sind enorm. Was dies jedoch konkret bedeutet ist unklar.
Wenn wir über Arbeitsplätze der Zukunft reden, dann setzt dies voraus, dass es überhaupt noch einen Arbeitsplatz gibt. Die Zukunft vieler Unternehmen hängt davon ab, dass die gesamte Belegschaft daran arbeitet, das Unternehmen für die Zukunft fit zu machen und Arbeitsplätze der Zukunft zu schaffen. Den Führungskräften kommt dabei natürlich eine entscheidende Rolle zu.
Machterhalt oder Angststarre
Es kursieren medial aufgeputschte Geschichten von der Zerstörung von 30 bis 50 Prozent der Arbeitsplätze. Daher ist es menschlich nachvollziehbar, wenn wir haben, dass ein KI-Projekt in der eigenen Abteilung den Verlust des eigenen Arbeitsplatzes mit sich bringen wird. Nur wenige Mitarbeiter gehen locker an eine solche Aufgabe heran und freuen sich darauf, sich selbst wegzurationalisieren. Das ist doch logisch.
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Manche Führungskraft wiederum bangt zwar nicht um den eigenen Job, dafür umso mehr um den eigenen Einfluß. Wenn beispielsweise die eigene Abteilung mit 20 Mitarbeitern komplett umgebaut und viele Aufgaben durch KI automatisiert werden. Wenn 15 Mitarbeiter in andere Bereiche gehen oder das Unternehmen verlassen und das eigene Team noch aus 5 Personen und "einer KI" besteht - ist dann nicht vielleicht sogar diese Führungskraft obsolet? Viele Führungskräfte werden sich dagegen wehren.
In einem Coachinggespräch mit einer Führungskraft aus Singapur ging es um eine solche Situation: Die meisten ihrer 10 Mitarbeiter sind bislang nicht wirklich glücklich bei ihrer Arbeit. Sie haben, aufgrund des erfolgreichen Unternehmenswachstums, 10 - 12 Stunden-Tage voller Routinearbeit. Es ist anstrengend, belastend und eintönig. Diese Arbeitslast würden die Mitarbeiter gerne sofort abgeben.
Im kommenden Jahr sollen 70 Prozent der Aufgaben automatisiert werden. Grundsätzlich ist es doch positiv zu sehen, wenn den Mitarbeitern ihre nahezu menschenunwürdige Arbeitslast abgenommen wird. Oder nicht?
Doch natürlich werden dann auch Arbeitsplätze eingespart. Und das sorgt für Angst bei den Mitarbeitern und der Führungskraft. Das gesamte Team ist frustriert und junge Mitarbeiter verlassen das Team bereits.
Während unseres Gespräches erkannte die Führungskraft, dass sie selbst einen großen Teil der Verantwortung für die schlechte Stimmung trägt. Sie selbst sah für sich keine Zukunft und Automatisierung war Teufelszeug. Doch nach einiger Zeit erkannte sie, dass darin sowohl für sie selbst als auch einen Teil der Mitarbeiter eine große Chance besteht. Durch die Automatisierung können Mitarbeiter unliebsame Aufgaben abgeben und wesentlich befriedigendere Aufgaben übernehmen.
Natürlich werden einige Mitarbeiter das Team verlassen müssen. Die Führungskraft hat es sich jedoch nun zur Aufgabe gemacht, alle Mitarbeiter auf die Arbeit der Zukunft vorzubereiten und ihnen dabei zu helfen, wertschöpfende Aufgaben zu übernehmen. Sowohl in ihrem Team als auch darüber hinaus, falls sie das Team verlassen wollen oder müssen. Ohne diese Veränderung hätte ihre Angststarre dazu geführt, dass die Mitarbeiter frustriert abgewartet hätten, was mit ihnen geschieht.
Abwarten ist in diesen Zeiten die schlechteste Option.
Altes, gewohntes Denken
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier - nicht nur in seinem Verhalten, sondern auch in seinem Denken. Stabilität und Sicherheit, Vorhersehbarkeit gehören für die meisten zu den Grundpfeilern ihres Lebens und ihres Selbstvertrauens. Das gilt für Mitarbeiter aller Ebenen. Doch gerade Führungskräfte müssen ihren Mitarbeitern vorleben, dass der Spruch "Veränderung ist die einzige Konstante" nicht nur eine Worthülse ist, sondern gelebt wird.
Jede Führungskraft, die auf Ideen von Mitarbeitern mit Aussagen wie:
•Das haben wir schon immer so gemacht.
•Das haben wir schon einmal versucht und es hat nicht geklappt.
•Das hat noch nie funktioniert.
•Zeigen Sie mir mal ein erfolgreiches Beispiel dafür.
•Wie sieht denn der ROI aus?
reagiert, ist ein Hemmschuh - insbesondere für KI-Ansätze.
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Darüber hinaus blockieren psychologische Phänomen wie der Not-invented-Here-Viruso der die Sunk-Cost-Fallacy für ein Festhalten an Altbekanntem - selbst wenn es nicht funktioniert.
Not-invented-here-Virus: Wir lehnen die Ideen ab, die nicht von uns selbst kommen, selbst und gerade wenn sie sehr vielversprechend sind. Oder von unserem Erzfeind aus der Nachbarabteilung kommen.
Sunk-Cost-Fallacy: Wir investieren weiterhin Geld in ein begonnenes Projekt, obwohl ein Neuanfang wesentlich sinnvoller und kostengünstiger wäre. Falls Sie jetzt an BER denken, dann denken Sie so wie ich…
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Natürlich soll eine Führungskraft nicht alle vier Wochen die bestehenden Prozesse über den Haufen werfen. Neue Ideen zu generieren muss einhergehen mit dem notwendigen Raum und Zeit, um die Ideen auch in die Realität umzusetzen, Praxiserfahrungen zu machen und daraus zu lernen. Nach einem vorher definierten Test-Zeitraum muss man ehrlich analysieren, ob ein Weitermachen sinnvoll ist oder man sich besser einer neuen Idee zuwendet.
Die alte Umgebung verlassen
Das Nutzen von Design Thinking, das Einrichten eines Think Tanks oder eines Ideenstudios - vorzugsweise in Berlin, Tel Aviv oder San Francisco, ist ja schon fast Standard geworden. Und das ist gut so. Wer ein Jahr lang im Silicon Valley lebt, wird unglaublich viele Inspirationen aufnehmen. Doch mit wie vielen Kunden hat er dabei zu tun? Vermutlich mit keinem.
Wie oft beobachtet beispielsweise ein Mitarbeiter einer Fluggesellschaft in seinem "Think Tank" in San Francisco einen potentiellen Passagier dabei, wie dieser ein Ticket bucht und sich ärgert, weil das dumme IT-System der Airline noch immer nicht kapiert hat, welches sein Lieblingssitzplatz ist? Vermutlich niemals.
Wer KI erfolgreich nutzen will, der muss die Probleme der Kunden verstehen und sie lösen. Dazu reicht es nicht, sich in den Kreisen der KI-Elite herumzutreiben. So spannend das auch sein mag. Man muss sich auch immer wieder dorthin bewegen, wo das eigene Unternehmen sein Geld verdient. Zu seinen Kunden. Das ist aber nicht so hip, nicht so angesagt, nicht so sexy. Das ist dann eher Castrop-Rauxel oder Bochum, statt San Francisco.
Wer sein Unternehmen in eine erfolgreiche Zukunft führen will, muss sowohl die Trends im KI-Umfeld kennen, als auch wissen, was seine Kunden beschäftigt. Der Handelskonzern Metro scheint genau diese Lektion gelernt und durch einen außerordentlich intensiven Kontakt zu seinen Kunden Lösungen entwickelt zu haben, mit denen er die Probleme seiner Kunden löst.
Wenn Metro nun clever ist und seinen Kunden die Technologie von Google Duplex auf seiner Plattform zur Verfügung stellt, dann nutzt vielleicht nächstes Jahr Ihr Stammlokal eine KI-Lösung, die es alleine nie im Leben in Erwägung gezogen hätte.
Ach ja, wenn Sie jetzt darüber lachen, dass Google Duplex noch viel zu dumm ist, dann reden Sie mal mit einem KI-Profi darüber, was in 12 - 24 Monaten möglich sein wird.
Angst vor Neuem
Wir wären als Spezies vermutlich schon längst ausgestorben, wenn wir alles, was Neu ist, sofort mit offenen Armen empfangen hätten. Denken wir nur an die ersten Begegnungen zwischen Menschen und Säbelzahntigern. Unser Gehirn wurde evolutionär über hunderttausende von Jahren geprägt. Meetings, Strategiesitzungen, Lenkungskreise und Design Thinking gibt es dagegen noch nicht so lange.
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Daher reagiert unser Gehirn bei den meisten von uns auf Neuerung erst einmal ängstlich. Wenn das Neue in Form einer mysteriösen, möglicherweise gefährlichen künstlichen Intelligenz auf uns zukommt, dann blicken die meisten Menschen eher auf die Gefahren als auf die Chancen. Ich bin felsenfest davon überzeug, dass KI diverse Gefahren mit sich bringt. Aber KI bringt uns gleichzeitig unvorstellbare Chancen. Dieses Wort unvorstellbar wähle ich bewusst, weil die Möglichkeiten zukünftiger KI-Entwicklungen für uns heute unvorstellbar sind.
Die Führungskraft, die mutig, offen und intelligent an die Untersuchung und den Test künstlicher Intelligenz in ihrem Unternehmen herangeht, wird gegenüber der angsterfüllten und ablehnenden Führungskraft unbezahlbare Erfahrungen machen und am Ende erfolgreicher sein. Nicht alles, was mit KI möglich ist, ist auch sinnvoll. Doch was sinnvoll ist und was nicht, das erkennen wir nur, wenn wir uns damit intensiv auseinandersetzen.
Und das bedeutet für Führungskräfte: Begeben Sie sich mit ihren Mitarbeiter, Kunden und IT-/KI-Cracks in ein Boot, und lassen Sie gemeinsam bislang nie in Erwägung gezogenes und völlig Unmögliches Realität werden.
Ideen kommen nicht nur von Millennials
Wenn der Allianz-Vorstandsvorsitzende Oliver Bäte am 9. Mai 2018 bei der Hauptversammlung in München sagt: "Wir arbeiten an vielen Stellen viel zu komplex", und fortfährt mit des Aussage "Die Straußeneier des Wettbewerbs sind Produktivität, Einfachheit und Innovation." dann ist das ein klares Zeichen.
Die Komplexität in den Abläufen aufzulösen, dafür brauche ich keinen 23-jährigen Hipster. Darüber beschweren sich Kunden und altgediente Mitarbeiter bereits seit 20 Jahren. Und der Aberglaube, dass jeder Millennial versteht, was man mit KI machen kann, ist Blödsinn. Nur weil jemand Snapchat benutzt, hat derjenige nicht zwangsläufig Ahnung davon, was mit moderner Technologie möglich ist.
Was man braucht ist eine Kombination des Wissens. Indem clevere Versicherungsprofis gemeinsam mit KI-Profis sowohl den Datenbestand analysieren als auch parallel dazu sämtliche komplexen Abläufe radikal vereinfachen. Es geht nicht um ein entweder - oder, sondern um ein sowohl - als auch. Eine Koexistenz zwischen inhaltlicher Expertise, IT- und KI-Know how.
Die Unternehmen, die nicht nur davon reden, dass ihre Mitarbeiter so unglaublich wertvoll sind, sondern die sowohl erfahrene als auch jüngere Mitarbeiter in Digitalisierungs-, Automatisierungs- und sonstigen Teams zusammenspannen, werden Erfolg haben.
Die wenigen Personen, die das wirklich zumindest ansatzweise verstehen und für Unternehmen nutzbar machen, sind 25, 37 oder 52 Jahre alt. Das Alter spielt keine Rolle - es geht um die Flexibilität und Kreativität in den Köpfen - und da habe ich in viele Workshops schon so manchen "alten" Mitarbeiter erlebt, der die Bacheloranten um ein Vielfaches an Ideen überragt.
IDG Research hat eine Studie zum Arbeitsplatz der Zukunft herausgebracht
Fazit
Sie sind gefordert zu führen. Ihre Mitarbeiter erwarten es und Ihre Unternehmen brauchen es. Die folgenden fünf Schritte sollten Sie daher gehen:
Statt sich auf den Erhalt der eigenen Macht und Headcounts zu konzentrieren, können Sie Arbeitsplätze für die Zukunft schaffen, wenn Sie und Ihre Mitarbeiter offen und neugierig auf die Möglichkeiten der KI zugehen.
Verbannen Sie ein Festhalten an alten und gewohnten Denkweisen und geben Sie neuen Ideen genug Zeit, um Wirkung zu zeigen.
Verlassen Sie die gewohnte Umgebung, um neue Anregungen zu bekommen, und gehen Sie sowohl dahin, wo neue Technologien und Geschäftsmodelle entwickelt werden, als auch dorthin, wo Ihre Kunden sind - oder wo diese hinwollen.
Nutzen Sie die Kreativität gemischter Teams von jüngeren Generationen und erfahrenen Mitarbeitern
Akzeptieren Sie Angst vor Neuem als natürlichen Schutzmechanismus. Und nehmen Sie Gefahren durch KI wahr, lassen Sie sich aber dadurch nicht davon abhalten Chancen zu entdecken und zu nutzen