Providermanagement

Sourcing-Projekte richtig vorbereiten und führen

27.02.2015 von Donald Polzin
Ob Cloud, Managed-Service oder Comprehensive Outsourcing - in jedem Modell ist der Interessenkonflikt um Qualität und Preis zwischen Unternehmen und Dienstleister tief verwurzelt. Mit Praxiserfahrung zu Ursachen und Vermeidungsstrategien lassen sich typische Probleme verhindern.
Den Qualitätslevel eines Serviceproviders sollten betroffene Abteilungen in regelmäßigen Abständen überprüfen.
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IT-Sourcing-Projekte durchlaufen eine typische Chronologie. Während Due Dilligence und Vertragsverhandlungen besitzt das Projekt eine hohe Aufmerksamkeit. Externe Berater für Outsourcing und Juristen unterstützen das Unternehmen bei Providerselektion, Erstellung der Leistungsbeschreibung, Vertragsformulierung und Personalfragen im Falle von Betriebsübergängen. Je nach Projektgröße erreichen die Projektteams zwei- bis dreistellige Personalstärke.

Trotzdem passiert es, dass:

Laut Marktstudien treffen ein oder mehrere dieser Probleme bei über 85% aller Outsourcing-Projekte zu. Während der Übertragung an den neuen Provider (Transition) wird der externe Beraterstab reduziert und steht während der Transformation nicht mehr zur Verfügung. Zusätzlich führt der Ersatz der übernommenen Leistungen durch Standard-Services des Providers aus seinem Shared-Service-Center zu einer massiven Know-How Verwässerung.

Erste Fallstricke - Betriebsführungshandbuch

Gerade im Outsourcing wird das Unternehmen zu Anfang von seinen ehemaligen IT-Mitarbeitern, die zum Provider gewechselt sind, betreut. Alte Abläufe, kurze Kommunikationswege zwischen Bekannten und eine gewisse Aufbruchsstimmung als letzte Phase des Change-Management führen dazu, dass die Servicequalität auf gewohntem Niveau bleibt. Bereits jetzt ist es dringend notwendig, gemeinsam mit dem Provider die Betriebsführungshandbücher (BFH) zu erstellen oder zu aktualisieren, falls welche übergeben wurden. Dieser Punkt gilt ebenfalls für Managed-Services Sourcings, bei denen das Betriebspersonal vom Provider gestellt wird.

Mit der Zeit werden die Services auf die Standardabläufe des Providers umgestellt, die ehemaligen IT-Mitarbeiter arbeiten in Shared-Service Centers und bedienen andere Kunden, die Servicequalität wird auf eine Belastungsprobe gestellt.

Die BFHs, in denen Details zur Ausführung der vereinbarten SLAs geregelt sind, helfen in dieser Situation als von beiden Seiten akzeptierte Baseline.

Auch in laufenden Projekten, bei denen keine BFHs vereinbart sind, ist die fortlaufende Dokumentation des Status-Quo für eine spätere Rückführung des Betriebes oder einen Providerwechsel äußerst hilfreich. Es gibt kein Projekt, bei dem über die Laufzeit das initial vereinbarte Leistungsverzeichnis seine Gültigkeit behalten hat. Changes, Innovationen und Optimierungen ändern die Services Schritt für Schritt.

Die besten Systemhäuser 2014 im Segment Managed Services
Managed Services - die besten Systemhäuser
Hier stellen wir Ihnen die Systemhäuser vor, die die besten Noten von ihren Anwendern im Segment Managed Services bekommen haben.
Platz 3: Bechtle
Note 1,90 <br/><br/> Vorjahr Ranking <br> Platz: 2 <br> Note: 2,03
Platz 2: Cancom
Note 1,59 <br/><br/> Vorjahr Ranking <br> Platz: 3 <br> Note: 2,41
Platz 1: MR Systeme
Note 1,21 <br/><br/> Vorjahr Ranking <br> Platz: - <br> Note: -

Provider und Anwender - Schnittstelle mit Konfliktpotential

Die Qualität der Unternehmens-IT wird von den Fachabteilungen am Perimeter beurteilt, IT-interne Abläufe und deren Verlagerung auf Provider müssen für Anwender nahtlos erscheinen. Dies betrifft insbesondere ausgelagertes Helpdesk und Vorort-Entstörung. Diese Services haben direkten Anwenderkontakt und werden oftmals über die vereinbarten Leistungen hinaus als generelle Hilfe- und Auskunftsstelle in Anspruch genommen, so wie es vor dem Sourcing üblich war.

Im Providervertrag ist die Vergütung dieser Services oft nach gelösten Tickets geregelt, die in einem Trouble-Ticket-System erfasst, bearbeitet und abgerechnet werden. Häufig fehlt die Kategorisierung nach wirklichen (Hardware-) Entstörungen, die einen Vorort Einsatz bedingen, Software Entstörungen (Remote lösbar), Change-Requests und Beratung zu Applikationen. Alle Tickets werden als Entstörung kategorisiert. Damit nimmt sich das Unternehmen die Möglichkeit der Preiskontrolle, Ermittlung von Ursachen und in Folge Kostenreduktion, zum Beispiel durch proaktive Anwendertrainings beim Rollout neuer Applikationen.

Organisatorisches - vom Service-Management zur Retained-IT

Im Outsourcing mit Personalübergang wird der Schnitt häufig zwischen Service-Management und Linie gelegt. Die Service-Manager verbleiben als Retained-IT im Unternehmen. Sie können Service-Qualität und -Kosten aber nicht mehr direkt, sondern nur über den Provider steuern. Der direkte, oft sogar disziplinarische Zugriff auf den einzelnen Spezialisten ist nicht mehr zulässig, auch wenn sich gerade in der Transitionsphase informelle Kommunikationswege zu den ehemaligen Mitarbeitern bilden.

Das Unternehmen ist gut beraten, dieser Praxis von Anfang an Einhalt zu gebieten und die im Vertrag geregelten Mechanismen der Providersteuerung in den Vordergrund zu stellen. Empfehlenswert ist ein Coaching der Service-Manager, um aus einem technisch lösungsorientierten Vorgehen eine kommerzielle, Service-Level orientierte Führung eines Vertragspartners zu entwickeln.

Die Instrumente dafür wie Überwachung der vereinbarten KPIs, konsequente Pönalisierung von Verstößen, regelmäßige Reviews zur Weiterentwicklung und Optimierung der Services, aber auch der Change-Request Prozess sind im Vertrag geregelt. Leider werden sie in der Praxis nur selten eingesetzt, insbesondere wenn alles am Anfang zufriedenstellend läuft. Eine Aushöhlung der Servicequalität beginnt schleichend und das Akzeptanz-Niveau des Kunden wird Stück um Stück verschoben - bis zur Schmerzgrenze. Mit einer regelmäßigen, objektiven Vermessung der gelieferten Services kann ein Unternehmen diesen Trend rechtzeitig erkennen und gegensteuern.

So wechseln CIOs den Outsourcing-Partner
So wechseln CIOs den Outsourcing-Partner
Bei Unzufriedenheit unbedacht den Dienstleister zu wechseln ist gefährlich. Zu prüfen sind unter anderem Laufzeit, Folgekosten und Optionen wie Multisourcing.
1. Die Gründe für das Outsourcing nochmals überprüfen:
"Rufen Sie sich die Gründe dafür zurück, warum Sie sich ursprünglich zum Auslagern entschieden haben", rät Edward J. Hansen von der Anwaltskanzlei Baker & McKenzie. Wenn diese Gründe immer noch gelten, reicht es, sich einen neuen Dienstleister zu suchen. Falls nicht, muss die ganze Strategie überdacht werden - und das Unternehmen entschließt sich möglicherweise zum Insourcing.
2. An die Vertragslaufzeiten denken:
Wer den Anbieter wechseln will, tut das am besten, wenn das bisherige Abkommen ausläuft. Die Zusammenarbeit während der Laufzeit zu beenden, ist nur in dringenden Fällen ratsam.
3. Den Vertrag genau studieren:
Es kann Streit ums Geld geben, wenn ein Vertrag vorzeitig beendet werden soll. Schon aus diesem Grund muss der bestehende Vertrag genauestens unter die Lupe genommen werden. Wer geschickt ist, baut in künftige Abkommen ein, in welcher Weise ein Dienstleister den Kunden bei einem Provider-Wechsel unterstützen muss.
4. Wiederverhandeln kann sinnvoller sein als Aussteigen:
Ein Anbieterwechsel kann sich kompliziert gestalten. Wer das vermeiden will, sollte den bestehenden Vertrag lieber neu verhandeln. Entscheider müssen die eigenen Motive für den Wunsch nach einem Wechsel überprüfen.
5. Den bestehenden Dienstleister durchleuchten:
Dieser Punkt knüpft an den vorhergehenden an. Wenn der Grund für den Wechsel-Wunsch darin liegt, dass der Dienstleister schlechte Qualität liefert, muss sich auch der Kunde nach den Gründen dafür fragen. Ein offenes Gespräch kann in Neu-Verhandlungen statt im Wechsel enden.
6. Es wird Ärger mit dem Faktor Mensch geben:
Wenn Mitarbeiter des neuen Dienstleisters ins eigene Unternehmen kommen, kann es zu zwischenmenschlichen Reibereien kommen. Das darf nicht unterschätzt werden.
7. Beim Wechsel mit unproblematischeren Teilen beginnen:
Rechenzentrum-Services oder Disaster Recovery bieten sich als Erstes an, wenn der Dienstleister gewechselt werden soll. Generell gilt: Nicht mit dem Kompliziertesten anfangen!
8. Die Kosten eines Wechsels kalkulieren:
Wer durch den Wechsel des Anbieters Kosten senken will, muss bedenken, dass die Neu-Organisation des Outsourcings selbst auch Geld kostet. Diese Ausgaben müssen gegen mögliche Einsparungen abgewogen werden.
9. Multisourcing als Alternative:
Wer das bisherige Abkommen auflösen will, zielt meist auf Multisourcing ab, statt sich wieder für einen einzigen Anbieter zu entscheiden. Das ist zumindest die Beobachtung von Jeffrey Andrews (Anwaltskanzlei Thompson & Knight). Entscheider sollten sich des damit verbundenen Zeitaufwandes bewusst sein.
10. Aus den eigenen bisherigen Fehlern lernen:
Das vielleicht Wichtigste ist, die eigenen Erfahrungen festzuhalten, um beim nächsten Mal daraus zu lernen.

TÜV - alle Jahre wieder

Die zu Vertragsschluss von den Parteien beabsichtigten Ziele verschieben und verwischen sich mit der Zeit. Die operative Praxis des Tagesgeschäftes zwischen Retained-IT und Provider entwickelt eigene, nicht dokumentierte Spielregeln. Nicht in allen Fällen ist das positiv für ein Unternehmen, da auf der operativen Ebene meist der Kompromiss gesucht wird und nicht die langwierige Auseinandersetzung.

Empfehlenswert ist eine regelmäßige Reflektion der Vertragsziele mit der aktuellen Performance eines Providers durch einen neutralen Dritten im Abstand von zwei Jahren. Bewährte Fragelisten erfassen von Unternehmen und Provider die jeweilige Sichtweise zu den vereinbarten Serviceleistungen und Beistellungen. Die Auswertung von KPI-Reports und Eskalationsberichten ergänzt dieses Bild. So können aus objektiver Warte Defizite auf beiden Seiten entdeckt und mit den Vertragszielen abgeglichen werden. Ein gemeinsam vereinbarter Maßnahmenkatalog führt das Projekt dann auf den vereinbarten Weg zurück.

Zusammenfassung

Die Ursachen für ein nicht zufriedenstellendes Sourcing Projekt werden oftmals schon vor oder bei Vertragsschluss gelegt. Zur erfolgreichen Providersteuerung gehören:

Ein proaktives Providermanagement ist effektiver als die reaktive 'Big Bang' Management Eskalation.