So hoch wie aktuell war der Krankenstand in Deutschland seit 15 Jahren nicht mehr. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Gesundheitsreport der Krankenkasse DAK. 2011 stieg der Krankenstand auf 3,6 Prozent. Ein Jahr zuvor lag er noch bei 3,4 Prozent.
In diesen Zahlen sieht man bei der DAK erste Anzeichen für den demographischen Wandel: "Die Belegschaften sind schon heute durchschnittlich älter als vor zehn Jahren. Ältere Mitarbeiter sind seltener krank als Jüngere, dafür aber deutlich länger", sagt Herbert Rebscher, Chef von DAK-Gesundheit.
Ein DAK-Versicherter war 2011 durchschnittlich 13,2 Kalendertage krankgeschrieben. Doch ein großer Teil war überhaupt nicht krank: Mehr als die Hälfte aller erwerbstätigen Versicherten (52,2 Prozent) meldete sich im vergangenen Jahr gar nicht krank.
Psychische Erkrankungen verdoppelt
Der Anteil psychischer Erkrankungen am Gesamtkrankenstand stieg 2011 von 12,1 auf 13,4 Prozent. Damit hat sich in den vergangenen 15 Jahren der Anteil dieser Krankheitsgruppe am Krankenstand mehr als verdoppelt. Für Arbeitgeber sind psychische Erkrankungen teuer, denn ein betroffener Mitarbeiter fällt im Durchschnitt für rund einen Monat aus. Die DAK appelliert an die Unternehmen, mit Präventions-Maßnahmen gegenzusteuern: "Das Betriebsklima, die Führungskultur und familiengerechte Arbeitsplätze sind betriebswirtschaftlich gesehen weiche Faktoren, können aber helfen, psychische Erkrankungen zu vermeiden", sagt Herbert Rebscher von DAK-Gesundheit.
Einer der Schwerpunkte des aktuellen DAK-Gesundheitsreports ist das Thema Arbeitswelt. Für die Auswertung wurden 3000 Beschäftigte befragt. Jeder fünfte Befragte fühlt sich stark oder sehr stark durch Zeitdruck aufgrund des hohen Arbeitsaufkommens belastet. Fast ebenso häufig fühlen die Umfrageteilnehmer sich durch Unterbrechungen und Störungen des Arbeitsablaufs gestresst. Mit jeweils knapp zehn Prozent empfinden Beschäftigte auch Verantwortung bei der Arbeit sowie die häufige Notwendigkeit für Überstunden als stark belastend.
Umstrukturierungen als Stressfaktor
Auch Bezahlung und Anerkennung können eine Belastung darstellen: Mehr als jeder Fünfte (22,2 Prozent) empfindet eine starke oder sehr starke Belastung, weil er ein Missverhältnis zwischen seiner Bezahlung und der erbrachten Leistung sieht. Etwa 17 Prozent der Befragten fühlen sich sehr belastet, weil ihre Vorgesetzten ihnen zu wenig Anerkennung zukommen lassen. 15 Prozent der Umfrageteilnehmer belastet es, dass sie eine Verschlechterung ihrer Arbeitssituation befürchten oder so eine Verschlechterung bereits erfahren.
16 Prozent der Befragten berichten der DAK von Unterstützung ihres Arbeitgebers, seine Angestellten vor Stress zu schützen. Doch die Umfrageteilnehmer berichten auch von Erlebnissen am Arbeitsplatz, die Stress verursachen. Einer dieser negativen Stressoren: Gut 16 Prozent geben an, dass sie bei der Arbeit häufig Dinge tun müssen, die sie anders erledigen würden. Dazu kommt, dass rund jeder Zehnte oft widersprüchliche Anweisungen von zwei oder mehr Personen erhält. Als weiterer Belastungsfaktor gelten Umstrukturierungen im Unternehmen: Knapp die Hälfte der Befragten war in den vergangenen zwei Jahren von einem größeren strukturellen Umbau des Unternehmens betroffen, heißt es im DAK-Report.
Gratifikationskrise durch mangelnde Anerkennung
Bei rund neun Prozent der Befragten soll laut DAK-Report eine sogenannte berufliche Gratifikationskrise vorliegen. Der Begriff beschreibt eine besondere Form von arbeitsbedingtem Stress, die durch eine mangelnde Anerkennung im Beruf ausgelöst wird. Diese Krise soll dann entstehen, wenn für Beschäftigte die Belohnung nicht mehr im Verhältnis zu ihrer Anstrengung steht. Belohnung kann sowohl Gehalt als auch Anerkennung bedeuten.
Beschäftigte mit Gratifikationskrise schätzen ihren Gesundheitszustand schlechter ein als andere und haben tatsächlich auch häufiger gesundheitliche Probleme. Stimmungsschwankungen verbunden mit Angst oder Hilflosigkeit treten bei ihnen dreimal so häufig auf wie bei Beschäftigten, die nicht von Stress betroffen sind (73,8 gegenüber 23,9 Prozent), so der DAK-Report. Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit kommen bei Gestressten fast doppelt so häufig vor. "Hier sollten Unternehmen mit ihrem betrieblichen Gesundheitsmanagement ansetzen, um hohe Krankenstände zu vermeiden", sagt Herbert Rebscher von DAK-Gesundheit.
Ein Drittel der Befragten des DAK-Gesundheitsreports arbeitet mindestens einmal pro Woche im Home Office. Heimarbeit kann Arbeitsstress reduzieren, wenn sie im eigenen Interesse stattfindet, so der DAK-Report. Werde beispielsweise zu Hause gearbeitet, um familiäre und private Belange besser mit dem Beruf zu vereinbaren, vermindere dies die Belastung. Eine Belastung wäre die Heimarbeit dann, wenn sie zusätzlich zu den Bürozeiten genutzt wird, weil im Büro die Arbeitsmenge nicht bewältigt werden konnte.
Lieber Home Office als Smartphone
Wie sehr viele Arbeitnehmer das Home Office begehren, verdeutlichte gerade erst eine Umfrage des Collaboration-Anbieters Teamviewer in den USA. Um zuhause arbeiten zu dürfen, würden 34 Prozent der Befragten auf Social Media verzichten, 30 Prozent auf SMS und 29 Prozent auf Schokolade. Auch das Smartphone (25 Prozent), Shopping-Trips (20 Prozent), eine Gehaltserhöhung (17 Prozent) und die Hälfte ihrer Urlaubstage (15 Prozent) würde ein nicht geringer Anteil der Befragten für die Erlaubnis zum Home Office eintauschen.
Für den Gesundheitsreport hat die DAK-Gesundheit die Krankschreibungen von 2,4 Millionen erwerbstätigen Versicherten mit Hilfe des IGES Instituts aus Berlin ausgewertet. Zum Schwerpunktthema Arbeitswelt gab es zusätzlich eine Befragung von 3000 Beschäftigten.