Virtualisierung – Börse skeptisch

Wie Dell sich weiter umbaut

21.11.2011 von Hartmut Wiehr
Das Direkt-Modell funktionierte nicht mehr. Dell baut nun auf eine neue Strategie. Im Mittelpunkt: Storage, Virtualisierung und Cloud. Die Börse ist skeptisch.

Auf der zum ersten Mal veranstalteten Dell World, die im Oktober in Austin über die Bühne ging, hatte Dell wenig News und wenig Substanzielles zu bieten. Es ging mehr um einen Big Bang in Sachen Marketing, nachdem die Kapitaleigner schon letztes Jahr Alarm geschlagen hatten. Fast ein Drittel von ihnen zeigte sich extrem unzufrieden angesichts des stark gesunkenen Werts der Dell-Aktien und damit ihres angelegten Kapitals.

Dell-CEO Michael Dell kämpft mit einem stark gesunkenen Aktienkurs seines Unternehmens. Virtualisierung und Cloud sollen es nun richten.
Foto: Joi Ito - flickr.com

Die Börse ist nicht besonders begeistert von dem mit dem Wiedereintritt Michael Dells in die Konzernspitze vollzogenen Kurswechsel. Der einstige Höhenflug mit dem Direkt-Modell bei der Assemblierung von PC- und Server-Komponenten war schon vor Jahren in die Brüche gegangen. Eine strategische Neuorientierung war deshalb dringend geboten. Denn der ohne eigene Technologie und ohne eigene Lager funktionierende Ansatz war nur solange erfolgreich gewesen, bis die Konkurrenten das alles kopiert und massenhaft Dell-Spezialisten herausgekauft hatten.

Angesichts dieser Situation hat sich Dell unter der Führung des Firmengründers und dann zurückgekehrten CEOs Michael Dell neu erfunden. Das Direkt-Modell wurde durch indirekten Vertrieb ergänzt, und man kaufte fleißig Technologie plus eine umfangreiche Service-Mannschaft (Perot Systems) hinzu. Den Verfall des Börsenwerts konnte das aber bislang nicht aufhalten.

Der übliche Ablauf bei amerikanischen Unternehmen: Der CEO muss zurücktreten, um das Misstrauen der Anleger zumindest vorübergehend zu beruhigen. Doch das Unternehmen Dell ist insofern kein "normaler Fall", als Michael Dell neben seiner Führungsposition nach wie vor selbst große Aktienanteile besitzt. Und Dell weigerte sich letztes Jahr, seinen Posten aufzugeben.

Dell – der Mann und die Firma – muss jetzt allerdings "liefern" ("deliver"). Das fordern die Anleger. Wie man hört, spüren das auch die Angestellten bis hinunter in die deutsche Zweigstelle, die über steigende Anforderungen und Stress klagen.

Dell möchte so sein wie IBM oder HP

Die Erwartungen und der Druck, die auf dem Unternehmen lasten, sind auch an den verstärkten Marketing-Anstrengungen und einer weiter ausgebauten Akquisitions-Strategie zu merken. Neben Speicheranbietern wie EqualLogic und Compellent – die geplante Übernahme von 3Par wurde letztes Jahr durch ein deutlich höheres Angebot von HP zunichte gemacht – hat man sich erst vor kurzem Software- und Netzwerk-Spezialisten wie Ocarina oder Force 10 hinzugekauft. Das Ziel ist klar: Durch ein Komplettangebot so zu werden und zu überleben wie die Großen der IT-Branche – wie IBM, HP oder Oracle.

Auf der Dell World in Austin wurde viel Prominenz aufgefahren, um den neuen Anspruch nach außen hin unter Beweis zu stellen. Bosse wie Steve Ballmer von Microsoft, Paul Otellini von Intel, Paul Maritz von VMware oder Marc Benioff von salesforce.com mühten sich nach Kräften, ihre Partnerschaft mit Dell zu betonen und eitel Optimismus zu verbreiten. Besonders Ballmer und Otellini waren sich mit Dell darin einig, dass das Zeitalter des PC keineswegs vorbei sei. Ballmer: "We love the PC." Alle positionierten sich klar gegen Apples iPad und ähnliche Ansätze.

Zusammen mit Intel setzt Dell auf die schnell wachsende Performance der Prozessoren der 5600-Familie.
Foto: Dell

Zusammen mit Intel will Dell die propagierte "Virtual Era" auf Produkt- und Service-Ebene umsetzen. So sind Server mit schnellen Flashdisks geplant, die zusammen mit weiteren Speichereinheiten von EqualLogic oder Compellent in Racks verbaut werden und die Basis für leistungsfähige virtuelle Maschinen (VMs) abgeben sollen.

Mehrere VMs auf einem physikalischen Server stellen erhöhte Anforderungen an die Performance, wenn alle Applikationen oder auch Backup-Programme auf die CPU zugreifen. Dieser Aspekt wird bisher von den reinen Virtualisierungsanbietern wie Citrix oder VMware vernachlässigt.

Dell will sich hier mit geeigneten Rack-Angeboten und Zusatz-Software ein größeres Stück vom Virtualisierungskuchen abschneiden. Ob die "Virtual Era" mehr als nur eine Absichtserklärung ist, wird sich zeigen müssen. Zumal sich um das immer komplexer werdende Feld der virtualisierten Umgebungen weitere Hersteller mit ihren Tools und optimierten Produkten aufstellen.

Die "neue Dell" will weiter mit Zukäufen wachsen

Dell und Intel setzen bei ihren Virtualisierungsplänen auf eine große Gruppe von Partnern.
Foto: Dell

Eines ist nicht zu übersehen: "The new Dell" ist in der Tat ein Unternehmen, das sich grundlegend geändert und neu positioniert hat. Mit dem Fokus auf Virtualisierung als Voraussetzung für Cloud-Implementationen hat man End-to-End-Lösungen im Visier. Inzwischen verfügt man auch über eine Service-Truppe von etwa 45.000 Mitarbeitern weltweit, die mit der Akquisition von Perot Systems zu Dell gestoßen sind. Auch damit hat Dell den Abstand zu IBM und HP verringert.

Wie Michael Dell in Austin mitteilte, will man den Kurs mit Mergern & Acquisitions gezielt fortsetzen, besonders bei Software im Virtualisierungs- und Cloud-Umfeld.