BMW, Daimler, Volkswagen

Autobosse liefern weitere Puzzleteile im Kartellverdachtsfall

25.10.2017
Erst großer Aufruhr, dann wochenlang Stille - und dann prescht Daimler mit neuen Details zum Kartellverdachtsfall in der deutschen Autoindustrie vor. Ein Branchentreffen liefert nun noch einige weitere Antworten auf seit langem gestellte Fragen.
BMW, Mercedes, Volkswagen: Das mutmaßliche deutsche Autokartell wird von den Behörden aufgearbeitet.
BMW, Mercedes, Volkswagen: Das mutmaßliche deutsche Autokartell wird von den Behörden aufgearbeitet.
Foto: rvlsoft - shutterstock.com

Ein neues Teil im Autokartell-Puzzle findet sich in einem ziemlich langen Satz von Daimler-Chef Dieter Zetsche. Absicht oder Versehen? Man weiß es nicht genau - wie so oft in den vergangenen Tagen, in denen beiläufig und überraschend fallengelassene Bemerkungen weit mehr Licht in den Verdachtsfall gegen die deutsche Autobranchedeutsche Autobranche brachten als die vielen dürren Stellungnahmen der vergangenen Monate. Auch wenn die entscheidende Frage, was nun dran ist an den Vorwürfen, nach wie vor offen ist. Top-Firmen der Branche Automobil

Gefragt nach dem medialen Aufruhr, den der Verdacht illegaler Absprachen der deutschen Hersteller bei Bekanntwerden im Sommer ausgelöst hat, antwortet Zetsche am Dienstagabend beim "Auto-Gipfel" des "Handelsblatts" in Stuttgart: "Wenn dort auf der einen Seite der größte Skandal seit dem Zweiten Weltkrieg ausgerufen wird und auf der anderen Seite zwei Jahre, seit dieses Thema auf dem Tisch liegt, noch keine Meinungsbildung entstehen konnte, ob es sich lohnt, ein Verfahren zu diesem Thema zu eröffnen, dann ist ja eine gewisse Diskrepanz vorhanden."

Das lässt einerseits den Schluss zu, dass DaimlerDaimler die Vorwürfe eher als nicht so gravierend einschätzt. Die EU-Behörden haben Voruntersuchungen eingeleitet, noch kein offizielles Verfahren. Es heißt andererseits aber auch: Seit zwei Jahren wissen die Beteiligten davon. So zugeknöpft sich die Stuttgarter in den vergangenen Monaten unter Verweis auf ein laufendes Verfahren gegeben haben, so zahlreich bringen sie nun Stück um Stück weitere Details ans Licht. Er wisse, sagt Zetsche bei dem Branchentreff, dass sich die unter Verdacht geratenen Gespräche unter den Herstellern in erster Linie um Absprachen zu Standards und ähnlichem gedreht hätten. Top-500-Firmenprofil für Daimler

Standardisierung unter dem Dach des VDA

VolkswagenVolkswagen, bislang auch eher schweigsam, legt am Tag darauf nach: "Von Preisabsprachen beispielsweise, die ein Kartellvergehen darstellen würden, ist mir nichts bekannt", sagt Vorstandschef Matthias Müller. Und: Natürlich habe man unter dem Dach des Branchenverbandes VDA zum Beispiel in Fragen der Standardisierung "sehr kooperativ" zusammengearbeitet. Top-500-Firmenprofil für Volkswagen

Das wäre auch nicht unüblich und auch nicht grundsätzlich illegal, die Frage ist aber nach wie vor, ob in bestimmten Fällen Grenzen überschritten worden sind - zum Nachteil der Kunden. Das wollen weder Zetsche noch Müller beurteilen. "Ob es dort irgendwelche Bereiche gab, in denen die Situation nicht so glasklar ist, wird zurzeit überprüft", legt der Daimler-Vorstandschef vor. "Was jetzt hier im Kartellverfahren recherchiert wird, das entzieht sich meiner Kenntnis", zieht der VW-Boss nach.

Daimler hatte überraschend vergangene Woche bekannt gemacht, dass der Konzern einen Antrag auf Kronzeugenregelung bei den EU-Behörden eingereicht hat. Als Schuldeingeständnis will Zetsche das freilich nicht verstanden wissen. Man habe den gesamten Konzern in Folge der mittlerweile abgeschlossenen Kartelluntersuchungen im Lkw-Bereich auf ähnliche Risiken durchleuchtet. "Die Tatsache, dass wir hier gemeldet haben, hat überhaupt nichts damit zu tun, wie wir den Fall einschätzen", betont er.

BMW ist "irritiert"

Immerhin scheint Daimler aber zuversichtlich zu sein, mit dem Antrag Erfolg zu haben und als Kronzeuge Strafen womöglich zu entgehen - sofern es überhaupt welche gibt. Laut Finanzchef Bodo Uebber hat der Konzern keine Rückstellungen in er Bilanz für mögliche Strafen gebildet und hält das auch nicht für notwendig.

Dass der Fall den beiden Vorstandschefs die Laune nicht wenigstens zwischenzeitlich mal verdorben hat, ist kaum anzunehmen. Beim "Auto-Gipfel" ist es ihnen aber nicht anzumerken. Zetsche scherzt bei seinem Auftritt über ein Job-Angebot als Motorradverkäufer bei BMW, das er im Online-Karrierenetzwerk Linkedin bekommen habe. Müller bedankt sich für die Möglichkeit "Mercedes-Luft" zu schnuppern - fühle sich sauber an. Daimler ist dieses Jahr Gastgeber des Treffens in Stuttgart und dem nahen Sindelfingen. Im Kessel der Landeshauptstadt herrscht gerade wieder Feinstaubalarm.

BMWBMW konnte zumindest über den Daimler-Vorstoß vergangene Woche nicht lachen. Das ist bekannt, obwohl Vorstandschef Harald Krüger seinen Auftritt beim "Auto-Gipfel" kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen abgesagt hatte. Man sei "irritiert" gewesen, hatte es Einkaufsvorstand Markus Duesmann am Wochenende in einem Interview in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" formuliert. Es sei rückblickend ein komisches Gefühl gewesen, dass man mit Wettbewerbern über Zusammenarbeit rede, während deren Juristen die Zusammenkünfte schon angezeigt hätten. (dpa/rs) Top-500-Firmenprofil für BMW AG

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