HANS-JOACHIM-NITSCHKE

Broker im Internet

01.10.2001
Von Meike Hebestreit
Als Gründungsmitglied der Comdirect Bank ist Hans-Joachim Nitschke im Vorstand zuständig für die IT, die zu den Kernkompetenzen einer Direktbank zählt. Seine Aufgabe: das klassische Bankgeschäft an die neuen Technologien zu koppeln.

DER ANRUF kam an einem Freitag. Hans-Joachim Nitschke saß in seiner kleinen Commerzbank-Filiale in Bremen und freute sich auf ein entspanntes Wochenende. "Herr Nitschke, wir möchten, dass Sie für uns eine neue Direktbank aufbauen. Bitte überlegen Sie sich bis Montag, ob Sie den Job machen wollen", so der Anrufer aus der Frankfurter Zentrale.

Es wurde ein langes Wochenende. Direktbank? Die Beschaulichkeit des Lebens in einer Filiale eintauschen gegen das Risiko einer Neugründung? Umzug mit Frau und Kindern? Nitschke ging pragmatisch vor, packte seine Familie ins Auto und fuhr ins 120 Kilometer entfernte Quickborn. Das Städtchen im Speckgürtel Hamburgs war bereits als Standort der künftigen Direktbank auserkoren. Ein schmuckloser Bürobau nahe der Autobahn in einem damals noch kaum erschlossenen Gewerbegebiet musste den Gründungsvätern reichen -- eine Direktbank hat schließlich keinen Kundenverkehr. Doch die Aussicht auf ein nettes Haus im Grünen und die vertraute norddeutsche Landschaft ließen den gebürtigen Ostfriesen zu dem Schluss kommen: "Die Ecke ist okay." Nach zehn Jahren in einem sicheren Job verspürte er große Lust, die Herausforderung anzunehmen. "In einer Filiale ist man einer unter vierzig Mitarbeitern. Bei einer Neugründung dabei zu sein, bedeutet, mitbestimmen und eigene Vorstellungen realisieren zu können."

Die Herren in der Frankfurter Vorstandsetage legten den Aufbau der Comdirect Bank mit der Berufung Nitschkes sowie seiner Kollegen Christian Jessen und Bernt Weber in erfahrene Banker-Hände. Das Quickborner Trio machte sich zunächst denn auch brav ans Werk und befolgte gewissenhaft die Order, keine Commerzbank- Kunden für den neuen Geschäftsbereich abzuwerben. Irgendwann jedoch setzte sich die Erkenntnis durch, dass Mainhatten weit genug weg ist, um auch mal etwas Neues zu wagen. "Mit einer Idee haben wir unseren Chef richtig geschockt", erinnert sich Nitschke, und seine Augen funkeln hinter den ovalen Brillengläsern. Ein neues Sparprodukt sollte mit dem Wort "Das WahnZins-Konto" beworben werden. Das sei "nicht Banker-like", so die Reaktion einiger.

Ein lässiges "Hi" zum Chef

Sieben Jahre später haben sich die Comdirectler der branchentypischen Steifheit maßvoll entledigt. Die Sakkos bleiben bei sommerlichen Temperaturen schon mal über der Lehne hängen, dem Chef schallt zum Gruß ein lässiges "Hi" entgegen. "Das müssen Sie sich mal in Frankfurt vorstellen", sagt Nitschke und grinst. Ansonsten sucht man in dem weißblauen Zweckbau vergeblich nach den Insignien der New Economy: keine Mitarbeiter, die auf Alu-Scootern durch die Flure rollen, weder Kicker noch Espresso-Maschine im Empfangsraum. Auf der Visitenkarte des Bankchefs steht schlicht "Diplom-Ökonom" und "Mitglied des Vorstands", hippe englische Titel fehlen. Und das, obwohl die Comdirect ihr Geschäft heute fast ausschließlich übers Internet abwickelt.

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