Historischer Konjunktureinbruch

Deutsche Wirtschaft in der Schockstarre

30.07.2020
Die Wirtschaftsleistung in Deutschland bricht in der Corona-Krise dramatisch ein. Der Absturz ist noch heftiger als in der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise. Dennoch steigen die Arbeitslosenzahlen nur noch moderat.
Die deutsche Wirtschaft stürzt auf dem Höhepunkt der Corona-Krise ins Bodenlose. Die Folgen für den Arbeitsmarkt halten sich bislang aber in Grenzen.
Die deutsche Wirtschaft stürzt auf dem Höhepunkt der Corona-Krise ins Bodenlose. Die Folgen für den Arbeitsmarkt halten sich bislang aber in Grenzen.
Foto: chungking - shutterstock.com

"Der massive Einsatz von Kurzarbeit hat stärkere Anstiege der Arbeitslosigkeit und Beschäftigungsverluste verhindert", sagte Bundesagentur-Vorstand Daniel Terzenbach am Donnerstag. Europas größte Volkswirtschaft erlebte im zweiten Quartal mit einem zweistelligen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes einen in der Nachkriegsgeschichte einmaligen Schock. Ökonomen rechnen nach der Lockerung der coronabedingten Beschränkungen aber mit einer Erholung im zweiten Halbjahr.

Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte im zweiten Vierteljahr gegenüber dem Vorquartal um 10,1 Prozent, wie aus einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Es war der stärkste Rückgang seit Beginn der vierteljährlichen BIP-Berechnungen im Jahr 1970. Selbst auf dem Höhepunkt der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 war das Minus mit 4,7 Prozent gegenüber dem Vorquartal nur etwa halb so groß. Bereits zum Jahresanfang war die Wirtschaftsleistung gesunken. Deutschland steckt in einer tiefen Rezession.

Nach Angaben der Wiesbadener Behörde sind im zweiten Quartal die Exporte und Importe von Waren und Dienstleistungen erheblich eingebrochen sowie die privaten Konsumausgaben und die Investitionen der Unternehmen in Ausrüstungen wie Maschinen. Der Staat erhöhte dagegen seine Konsumausgaben. Dazu zählen unter anderem Gehälter der Mitarbeiter.

Finanzkrise war nicht so schlimm wie die Corona-Pandemie

Im Vorjahresvergleich brach die Wirtschaftsleistung um 11,7 Prozent ein. Den bisher stärksten Rückgang gegenüber einem Vorjahresquartal hatte es während der Wirtschafts- und Finanzkrise mit minus 7,9 Prozent im zweiten Vierteljahr 2009 gegeben.

Dennoch stieg die Zahl der Arbeitslosen von Juni auf Juli nur in saisonüblicher Höhe. Im Juli waren 2,91 Millionen Menschen ohne Job, 57.000 mehr als im Juni und 635.000 mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote legte binnen Monatsfrist um 0,1 Prozentpunkte auf 6,3 Prozent zu. Der Anstieg sei nicht auf die Corona-Krise zurückzuführen, teilte die Bundesagentur mit. Vor den Sommerferien stellen üblicherweise weniger Betriebe neue Beschäftigte ein und Ausbildungsverhältnisse enden.

Im Mai erhöhte sich die Zahl der Menschen in Kurzarbeit auf 6,7 Millionen. Im April waren es noch 6,1 Millionen. Damit war im Mai nach Hochrechnungen die höchste jemals ermittelte Zahl von Kurzarbeitern in der Bundesrepublik erreicht. Im Juli zeigten Unternehmen für 190.000 Menschen Kurzarbeit an. Die Zahl der tatsächlichen Kurzarbeiter liegt erfahrungsgemäß niedriger, weil Unternehmen Kurzarbeit zum Teil vorsorglich anzeigen.

Volkswirte gehen davon aus, dass mit dem Konjunktureinbruch im zweiten Quartal der Tiefpunkt erreicht ist. Die wegen des Virus verhängten Einschränkungen für Wirtschaft und Gesellschaft wurden seit Mai zunehmend gelockert.

Zeichen stehen auf Erholung

Nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) stehen die Zeichen "eindeutig auf Erholung". Es werde aber wohl zwei Jahre dauern, bis der historische Einbruch vom Frühjahr wettgemacht sei. Sorgen bereiten Ökonomen erste Anzeichen für wieder steigende Infektionszahlen in Deutschland. "Damit bleibt auch die wirtschaftliche Unsicherheit hoch, und das ist Gift für die Konjunktur", sagte der Konjunkturchef des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Stefan Kooths.

Der Deutschen Bundesbank zufolge dürfte der Tiefpunkt der wirtschaftlichen Aktivität bereits im April erreicht worden sein. Im zweiten Halbjahr dürfte sich demnach die wirtschaftliche Erholung fortsetzen. "Dazu wird auch das zuletzt beschlossene Konjunkturpaket beitragen", schrieben die Experten im jüngsten Monatsbericht.

Die Bundesregierung hat für die Jahre 2020 und 2021 ein insgesamt 130 Milliarden Euro schweres Konjunkturpaket aufgelegt. Unter anderem wurde die Mehrwertsteuer vom 1. Juli an für ein halbes Jahr gesenkt: von 19 auf 16 Prozent beziehungsweise 7 auf 5 Prozent. Das soll den Konsum als wichtige Stütze der Konjunktur ankurbeln.

Nach Auffassung der GfK-Konsumforscher zeigen sich bereits erste Effekte. "Die Anschaffungsneigung ist sehr stark angestiegen", hatte Konsumforscher Rolf Bürkl bei der Vorstellung der Konsumklima-Studie für Juli gesagt. "Die Verbraucher beabsichtigen offenbar, geplante größere Anschaffungen vorzuziehen, was dem Konsum in diesem Jahr hilft." Auch in den Unternehmen hat sich die Stimmung aufgehellt. Der Ifo-Geschäftsklimaindex stieg im Juli den dritten Monat in Folge.

Die Bundesregierung rechnet trotz der erwarteten Erholung im Gesamtjahr mit der schwersten Rezession seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Sie ging zuletzt von einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 6,3 Prozent aus. Ähnlich düster sind andere Vorhersagen. Im Jahr 2009, inmitten der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise, war das deutsche BIP um 5,7 Prozent geschrumpft. (dpa/rs)

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